Erfolgs-Modell Dennis Diekmeier lässt sich nicht beliebig produzieren
1:2 in Osnabrück - "So habe ich mir das nicht vorgestellt"

Von Wolfgang Brück
Osnabrück. Höchstens Mitte zwanzig durften die Spieler sein, die sich Ralf Rangnick seinerzeit für die TSG Hoffenheim aussuchte. Wer älter war, glaubte der Trainer, wäre seinem Tempo-Fußball nicht gewachsen. Otto Rehhagel setzte dagegen auf Erfahrung. Es gäbe keine jungen und alten Spieler, sondern nur gute und schlechte.
Uwe Koschinat neigt zu Rehhagels Auffassung. Der Trainer des SV Sandhausen hat reichlich Routine verpflichtet: Esswein und Bouhaddouz, die derzeit muskuläre Probleme haben, Contento und Keita-Ruel, die schwächeln, stehen im vierten Lebens-Jahrzehnt. Sandhausen hat die älteste Abwehr im deutschen Profi-Fußball. Beim 1:2 in Osnabrück lag der Schnitt bei 29,5 Jahren.
Ob Rangnick oder Rehhagel Recht hat, lässt sich nicht generell beantworten. Dennis Diekmeier, der am Dienstag vor einer Woche 31 wurde, war am Samstag der beste Sandhäuser. Mit einem seiner unwiderstehlichen Flankenläufen bereitete der Unermüdliche das 1:2 durch Kevin Behrens vor (61.). Die Gastgeber waren durch einen Doppelschlag von Timo Beermann (42.) und Bashkim Adjini (45.) mit 2:0 in Führung gegangen.
Die Verpflichtung von Diekmeier im Januar 2019 war die beste in neun Jahren Zweite Liga. Sie hat die Kurpfälzer vor dem Abstieg bewahrt. Doch es scheint, dass sich das Erfolgs-Modell nicht beliebig reproduzieren lässt. Altmeister wie Diekmeier, die Gas geben wie ein Zwanzigjähriger, wachsen nicht auf den Bäumen. Der schnellste Wert, der am Samstag in Osnabrück gemessen wurde, lag bei 33,2 Stunden-Kilometern. Er wurde von Diekmeier erreicht.
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🗣 Uwe #Koschinat: "Es ist für uns sehr enttäuschend, dass wir ohne etwas Zählbares nach Hause fahren."
— SV Sandhausen 1916 e.V. (@SV_Sandhausen) October 31, 2020
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Die Hoffnung, dass der frühere Champions League-Gewinner Diego Contento auf der linken Außenbahn eine ähnlich dominante Rolle spielen kann wie Diekmeier über rechts, hat sich bisher nicht erfüllt. Bei den Gegentoren machte der 30-jährige Münchner, der vor seinem Comeback in Sandhausen zweieinhalb Jahre ohne Wettkampf-Praxis war, keine gute Figur. Beim 1:0 von Tim Beermann zog der Routinier den Kopf ein. Beim 2:0 von Adjini hielt er so großen Abstand, dass Gesundheits-Minister Jens Spahn begeistert gewesen wäre.
Allerdings hatten auch die Kollegen ihren Anteil. Torwart Martin Fraisl, der zuvor und danach weitere Gegentore verhinderte, hätte sich vor der Osnabrücker Führung die Flanke greifen müssen, beim zweiten Tor durfte sich Verteidiger Adjino unbehelligt dem Sandhäuser Strafraum nähern. Der Trainer sprach nach dem dritten sieglosen Spiel von einer "extrem herben Enttäuschung". Er bewertet den Saisonstart neu: "So habe ich mir das nicht vorgestellt." Der Punkteschnitt sank auf knapp über eins. Der Blick geht jetzt wieder mehr nach unten als nach oben.
Lange sah es an der Bremer Brücke nicht danach aus, als ob überhaupt Tore fallen würden. Das Geschehen trug sich zwischen den Strafräumen zu. Ein Abnutzungs-Kampf. Im Gegensatz zu den ersten fünf Spielen gab nicht der Gegner den Ton an, Sandhausen war gleichwertig. Nach dem Rückstand wurde es schwer, auch wenn die Gäste das Heft in die Hand nahmen. Besonders geschickt und einfallsreich stellten sie sich dabei nicht an. "Präzision, Überzeugung und Durchschlagskraft haben gefehlt", stellte der Sportliche Leiter Mikayil Kabaca zu Recht fest.
Immerhin glückte Kevin Behrens, der letzte Runde an fast der Hälfte aller Tore beteiligt war, sein erster Saisontreffer. Nach tausendfach bewährtem Muster: Einer Diekmeier-Flanke und einem Kopfball des Sprunggewaltigen. Ein Unentschieden war möglich. Doch Robin Scheus Kopfball ging an die Latte (72.). Scheu, den einige wegen seiner angeblich limitierten Technik auf dem Kieker haben, bewies einmal mehr, dass in der Zweiten Liga schon viel geholfen ist, wenn man das Herz am richtigen Fleck hat.
"Robin würde für den SV Sandhausen sterben", lobt Uwe Koschinat den unerschrockenen Kämpfer. Damit leistete der Fußballlehrer einen Beitrag zum Richtungsstreit. Es gibt keine guten und schlechten Spieler. Es gibt nur solche, die noch hungrig sind und was erreichen wollen, und solche,die ihre beste Zeit bereits hinter sich haben.
Osnabrück: Kühn - Ajdini, Beermann, Trapp, Reichel (65. Engel) - Taffertshofer - Henning (80. Gugganig), Reis (25. Blacha) - Ihorst (80. Multhaup), Kerk (65. Heider) - Amenyido.
Sandhausen: Fraisl - Diekmeier, Röseler, Zhirov, Contento (78. Taffertshofer) - Nartey (13. Zenga), Linsmayer - Scheu, Ouahim (63. Türpitz) - Behrens, Keita-Ruel.
Schiedsrichter: Siewer (Olpe); Tore: 1:0 Beermann (42.), 2:0 Ajdini (45.), 2:1 Behrens (61.); Zuschauer: keine; Beste Spieler: Henning, Beermann - Diekmeier, Behrens, Scheu.



