Vier Hoffenheimerinnen kämpfen ums WM-Ticket
Im Trainingslager der DFB-Frauen herrscht trotz Hoffen und Bangen bisher gute Laune.

Von Michael Rappe
Zuzenhausen/Herzogenaurach. Einträchtig standen sie Hand in Hand nebeneinander, als die Nationalhymne beim WM-Testspiel der deutschen Fußballerinnen gegen Vietnam ertönte: Chantal Hagel, Melissa Kössler, Sarai Linder und Paulina Krumbiegel. Vier Hoffenheimerinnen in der Startformation von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg – das gab es noch nie.
Für Melissa Kössler war es das Debüt, sie ist nun die zehnte Spielerin, die bei der TSG Hoffenheim den Sprung ins A-Nationalteam geschafft hat. Auch zwei Tage später, beim Media Day im Trainingslager der DFB-Frauen in Herzogenaurach, strahlte die gebürtige Potsdamerin noch. "Ich habe in die Zuschauerränge geschaut und habe den Moment einfach nur genossen", sagte die Mittelstürmerin, die in der vergangenen Bundesligasaison mit neun Treffern die beste TSG-Schützin war. Jedes kleine Fußball spielende Mädchen habe das Ziel, diesen Traum zu verwirklichen. Für die 23-Jährige ist er nun wahr geworden. "Es war cool, dass links und rechts von mir eine Hoffenheimerin stand", freute sich Kössler, die für den ersten WM-Lehrgang nachnominiert worden war, weil die fünf Bayern-Spielerinnen noch fehlten.
Gerade in der Anfangsphase der Partie hatte sie einige Szenen und Tormöglichkeiten, vielleicht hätte sie sich mit ein, zwei Treffern noch nachhaltiger empfohlen. "Ich bin mir meiner Rolle bewusst", meinte sie locker. Ihre Chance, zum endgültigen WM-Aufgebot zu gehören, ist sehr gering, da müsste das Verletzungspech schon kräftig zuschlagen. Von den Bedingungen im Trainingslager auf dem adidas-Gelände zeigte sie sich beeindruckt. "Das ist alles super aufregend hier, wir arbeiten viel auf dem Platz, haben aber auch viele Freizeitmöglichkeiten, ob Tischtennis, Playstation, Brettspiele oder Fifa."
Bester Laune war auch Sarai Linder, die nach ihrem Debüt gegen Brasilien als Einwechselspielerin nun von Beginn an spielen durfte. "Ich war mit meiner Leistung im Großen und Ganzen zufrieden", sagte die 23-jährige Sinsheimerin. Am Zusammenspiel müsse noch gearbeitet werden. Sie fühlt sich pudelwohl im Kreise des Nationalteams. "Wir haben alle Einzelzimmer, das ist seit Corona so üblich und hat auch den Vorteil, dass man sich nicht gegenseitig stört." Linder hat mit dem gestiegenen Medieninteresse kein Problem. "Es ist schon ein großer Ansturm, aber das ist ja positiv für uns." Sie ist froh, dass der Fernsehvertrag zustande gekommen ist, alles andere wäre jammerschade gewesen. Werbespots machen, Sponsorentreffen und vieles mehr gehören auch zum Alltag im Trainingslager, je nachdem ob ein- oder zweimal am Tag trainiert wird.
Auch interessant
Und was möchte sie am 20. August gerne tun? "Da möchte ich in Australien sein und mit meiner Mannschaft auf dem Platz stehen", meinte die angehende Physiotherapeutin mit einem Lächeln. Spaß haben, in jedem Training 100 Prozent geben, nicht verkrampfen – das hat sie sich für die Tage von Herzogenaurach vorgenommen. Eine Nominierung für den 23-köpfigen WM-Kader "wäre ein Riesentraum, der in Erfüllung geht." Und wenn sie dann zu den Auserwählten gehört, dann soll es mit dem dritten WM-Titel für Deutschland klappen. Die Mannschaft habe so viel Qualität im Kader, dass das möglich sei. Linder ist sehr beeindruckt von der Führungsqualität einer Alexandra Popp. "Sie strahlt auf dem Platz eine Aura aus, die einen mitreißen kann." Aber es gäbe noch weitere Spielerinnen im Team, die Autorität zeigen können, Lina Magull oder Sara Däbritz beispielsweise.
Auch Mittelfeldspielerin Chantal Hagel, die ab der kommenden Saison für den VfL Wolfsburg spielen wird, kann sich des Fluges nach Down Under noch nicht sicher sein. Gegen Vietnam musste sie die Position der Außenverteidigerin ausfüllen, die sie noch nicht oft gespielt hat. "Die Abläufe waren nicht eingeschliffen, wir sind noch nicht eingespielt", meinte Hagel, die sich auch in den kommenden Tagen im Trainingslager weiter beweisen möchte. "Wir sind 28 Spielerinnen, jede kämpft darum, dabei zu sein." Gerade sie hat auf ihrer Lieblingsposition im zentralen Mittelfeld sehr große Konkurrenz, doch ihre Flexibilität könnte ein Pluspunkt sein. Bei der TSG half sie im abgelaufenen Spieljahr häufig als Innenverteidigerin aus. "Wir wollen ins Finale und das auch gewinnen", sagte Hagel.
Paulina Krumbiegel war im letzten Jahr die EM-Expertin der RNZ. Diese Rolle möchte sie in diesem Jahr nicht ausfüllen, denn das würde bedeuten, dass sie bei der WM in Australien und Neuseeland selbst aktiv ist. Sie hat ebenfalls feste Pläne für den 20. August. "Das Finale zählt, da möchte ich sehr gerne auf dem Platz stehen", so die 22-jährige defensiv wie offensiv vielseitig einsetzbare Außenbahnspielerin. Ihr 1:0 gegen Vietnam war im achten Länderspiel bereits ihr vierter Treffer.
Für sie ist der Konkurrenzkampf im Team gar nicht so präsent. "Wir sind Leistungssportlerinnen, die dem Druck Stand halten sollten, ich versuche, das zu machen, was ich beeinflussen kann", sagte Krumbiegel. Sie bezeichnet sich eh als eher "entspannten Typ", der sich nicht von morgens bis abends einen Kopf macht. Wie alle 28 Kandidatinnen war sie noch nicht auf dem fünften Kontinent. Das möchte sie gerne ändern – so wie die anderen Spielerinnen der TSG Hoffenheim auch.