Ist die Erwartungshaltung in Heidelberg zu hoch?
Die Academics wollen im Heimspiel am Sonntag gegen Bamberg Wiedergutmachung betreiben. Stehen nun Kaderänderungen bevor?

Von Nikolas Beck
Heidelberg. Nichts trübt den Blick fürs Realistische mehr als eine zu hohe Erwartungshaltung. Alex Vogel weiß das. Man habe zwar am Ende der vergangenen Saison herausragenden Basketball gespielt, so der Sportliche Leiter der MLP Academics. Aber: "Wir sind eine Mannschaft, die im ersten Schritt erst mal gegen den Abstieg spielt." Die Erwartungen von außen seien sehr groß, gefühlt zu groß, sagt Vogel.
Was ihm und Headcoach Joonas Iisalo aber größere Bauchschmerzen bereiten sollte, ist die Erwartungshaltung von innen. Denn ganz offensichtlich hatten die vor der Saison hochgelobten Heidelberger Bundesliga-Basketballer nach dem ersten Liga-Erfolg in Tübingen gedacht, es gehe gegen Hamburg auch mit ein paar Prozentpunkten weniger. Wenngleich man die Towers nicht unterschätzt habe, räumte Tim Coleman ein: "Egal welche Bilanz ein Team hat, wir müssen unseren Gegner respektieren, damit wir keine Spiele wie heute abliefern."
Das 73:88 war die vierte Niederlage im fünften Spiel. Aber die Art und Weise ist das, was man nicht akzeptieren konnte. "Zum ersten Mal sind wir aus der Halle gegangen und haben gedacht: So geht es nicht, so können wir nicht auftreten", versucht Alex Vogel in der neuen Folge unseres Sportpodcasts "Akademisches Viertels" gar nicht erst, etwas schönzureden.
Mut macht dem Sportchef, dass die Mannschaft extrem selbstkritisch war. Für Vogel ein Indiz, dass die Academics verstanden haben, worauf es ankommt. Spielerisch gebe es immer mal wieder schlechtere Tage. "Körpersprache, Willen, Hunger, Intensität, Fokus, Konzentration" dagegen müssen immer stimmen.
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"Wenn die Dinge nicht so laufen, wie du dir das vorstellst, zeigt sich der Charakter jedes Einzelnen", sagt Iisalo gegenüber der RNZ. Man habe ein paar Widrigkeiten zu überwinden gehabt, so der 37 Jahre alte Finne. "Aber jetzt ist es an der Zeit, die Situation anzunehmen und daraus Stärke zu ziehen."
Iisalo ist sich sicher – und nimmt sich selbst explizit nicht aus: "Wir alle können noch eine Schippe draufpacken." Die große Frage in den kommenden beiden Heimspielen am Sonntag (15.30 Uhr/Dyn) und Samstag darauf gegen Würzburg wird sein, welche seiner Schützlinge das auch zeigen können. Dass ein BBL-Kader gerade auf den Import-Positionen bis weit ins Frühjahr hinein nicht in Stein gemeißelt ist, ist kein Geheimnis.
Iisalo wiegelt ab: "Ich weiß, dass ihr diese Fragen stellen müsst, aber ich werde meine Spieler niemals öffentlich in einem schlechten Licht dastehen lassen oder über Änderungen im Kader sprechen." Niemand freue sich über den 1:4-Start, niemand sei damit zufrieden. Darum analysiere man selbstverständlich die Situation – aber eben intern.
Bamberg und Würzburg dürfen also nicht nur als Charaktertest, sondern ein Stück weit auch als Bewährungsprobe für den einen oder anderen "Akademiker" gesehen werden.
Die Bamberger erstrahlen zwar nicht mehr im Glanz des vergangenen Jahrzehnts, als sie von 2010 bis 2017 sieben von acht möglichen Meisterschaften gewannen. Aber sie haben allen voran mit Zach Copeland und Justin Gray zwei US-Amerikaner, die zu jederzeit heiß laufen können. Defensiv hat das Team von Headcoach Oren Amiel aber Probleme, selbst erst einen Sieg in der Liga feiern können. Zudem kommt es zu einem Wiedersehen mit Lukas Herzog, der vergangene Saison noch in Heidelberg unter Vertrag stand.
Mit einer ähnlichen Unterstützung von den Rängen wie zuletzt, da sind sich Vogel und Iisalo sicher, sollten die Baskets zu schlagen sein. "Für den Support, den wir von unseren wundervollen Fans bekommen, können wir uns nur bedanken, das bedeutet jedem im Team unheimlich viel", betont Iisalo. Jetzt sei es an der Zeit, sich diesen Support auch zu verdienen. "Leistungen wie diese gegen Hamburg sollten nicht sonderlich häufig vorkommen", hofft auch Vogel auf den ersten Heimsieg – und ein bisschen Wiedergutmachung.
Dennoch ist er stets um eine Einordnung bemüht: "Wir sind eine Mannschaft, die im ersten Schritt jetzt erst einmal gegen den Abstieg spielt. Unser Ziel ist es, die Klasse zu halten." Das nennt man bei den MLP Academics im Spätherbst 2023 dann wohl den ungetrübten Blick aufs Realistische.
Bundesliga, Sonntag, 15.30 Uhr: MLP Academics – Bamberg Baskets.