Ein starkes Finish zeigten die Deutschen nach der Einwechslung des Stürmers Julius Nostadt. Foto: F&S
Von Claus-Peter Bach
Heidelberg. Die deutsche Rugby-Nationalmannschaft ist in der Division 1 der Rugby-Europameisterschaft vom Abstieg bedroht, was seit der 22:29-Auftaktniederlage in Belgien nichts Neues ist. Das Team von Nationaltrainer Mike Ford verlor am Samstag in Heidelberg auch das dritte der fünf EM-Spiele gegen Vizeeuropameister Russland mit 18:26 (6:12) und stellte sich im Vergleich zur 10:38-Niederlage vor zwei Wochen in Rumänien deutlich verbessert vor. Doch auch in den verbleibenden Spielen am Sonntag bei Titelverteidiger Georgien und am 17. März in Köln gegen Spanien ist die Mannschaft von Kapitän Sebastian Ferreira jedenfalls nicht favorisiert. Georgien ist nach einem 46:6-Sieg in Belgien unangefochtener Spitzenreiter, und die Spanier haben nach Russland (18:14) gestern auch Rumänien (21:18) geschlagen...
Versuch durch Marcel Coetzee, der über 80 Meter davon sprintete. Foto: F&S
Die Deutschen müssen höchstwahrscheinlich das Relegationsspiel gegen den Meister der Division 2 - die beiden verlustpunktfreien Teams der Niederlande und Portugals treffen am Samstag in Amsterdam aufeinander - nutzen, um dem drohenden Abstieg zu entgehen. Mike Ford ist nach der Vorstellung seiner Fünfzehn vor 2100 Zuschauern im Fritz-Grunebaum-Sportpark davon überzeugt, dass das "deutsche Rugby vor einer guten Zukunft steht, wenn diese junge Mannschaft die Zeit erhält, weiter zu wachsen und zu reifen." In diesem Zusammenhang hat der englische Trainer die internationalen Karrieren der gegen Russland erneut fehlenden Sean Armstrong (Heidelberger RK), Michael Poppmeier und Raynor Parkinson (SC Frankfurt 1880) für beendet erklärt. Die drei Stützen der letzten Jahre haben gegenwärtig andere Präferenzen als das Nationalteam. Ford akzeptiert das und baut auf die Jugend.
Die deutsche Mannschaft, die die letzten beiden EM-Spiele gegen die Russen mit 25:52 und 20:46 verloren hatte und nach den fehlerhaften Leistungen in Belgien und Rumänien eine Niederlage befürchten musste, die man im Rugby-Jargon "eine Klatsche" nennt, darf sich über dieses gute Ergebnis freuen, für das es ehrliche Gratulationen der russischen Verantwortlichen gab.
Kapitän Vasily Artemyev (31), der sein Rugby am Blackrock College und als Jurastudent an der Uni Dublin gelernt hat, sprach von "einer schwierigen Aufgabe gegen eine starke deutsche Mannschaft" und war froh, "dass wir unsere Chancen gut genutzt haben." Russlands Trainer Lyn Jones (58), als Flankenstürmer von Neath und Llanelli fünf Mal im Team der "Roten Drachen" von Wales und erst seit 2018 mit der Vorbereitung der Osteuropäer auf EM und WM beauftragt, lobte die "gute deutsche Verteidigung" und den Kampfgeist der "Schwarzen Adler", die das Spiel in den letzten 20 Minuten fast noch hätten gewinnen können. Über seine Fünfzehn sagte Jones: "Mein russischer Kapitän spricht besser Englisch als ich" und "ich habe mein bestes Team für die WM noch nicht gefunden."
Gut waren die Deutschen im Gedränge, das sogar vorwärts marschierte, an den Gassen mit vielen Ballgewinnen und in disziplinarischer Hinsicht, denn es gab keine einzige Unterzahl. Störend aber sind die (zu) vielen technischen Fehler, die den Russen zwei ihrer vier Versuche ermöglichten. Einmal kickte Hagen Schulte die Verteidiger an, einmal ließ Nikolai Klewinghaus den Ball beim Fangen nach vorne fallen - gegen die raschen Konter der Russen war ebenso kein Kraut gewachsen wie gegen die Rollangriffe der massiven Stürmer, die zweimal erst im deutschen Malfeld zu Ende waren.
Russland hatte das erfahrenere Team, und nach dem Spiel wurde Zweite-Reihe-Hüne Andrei Garbuzov für sein 90. und Schlussmann Artemyev für sein 80. Länderspiel geehrt. Der Sieg des Tabellenzweiten ist verdient, nur deren Einbruch nach vielen Auswechslungen in der Schlussphase muss Lyn Jones zu denken geben. Sebastian Ferreira (25) ärgerte sich über die Niederlage, "denn wir waren ganz knapp dran, wieder einmal. Wir müssen uns weiter reinwerfen, dann schaffen wir es."
Er meinte den Klassenverbleib.