Niklas Gierse nahm die Arbeit erst gut 20 Minuten vor dem Ende auf. Dann half er seinen Vorderleuten aber mit schönen Paraden. Foto: vaf
Von Tillmann Bauer
Heidelberg. Mait Patrail hat jetzt Instagram. Ungewöhnlich für einen Mann, der am liebsten zurückgezogen auf dem Land mit Frau, Kind und Kegel wohnt, in seiner Freizeit große Gassi-Runden mit seinem Hund geht, um den Kopf freizubekommen und auch sonst eher der ruhige Typ ist, der lieber ein Wort zu wenig sagt als eines zu viel.
Und trotzdem ist Patrail, 32, Profisportler, also eine Person, die in der Öffentlichkeit steht, die man kennt, zumindest wenn man sich mit dem Handballsport auseinandersetzt.
Ob der estnische Rückraumspieler der Rhein-Neckar Löwen also in den vergangenen zwei Tagen, an denen er circa zwölf Stunden mit seinen Kollegen im Reisebus – zweimal in das Schweizer Schaffhausen, zweimal zurück – verbrachte, selbst die Initiative für einen Account im Internet ergriffen hat, oder von den Instagram-Königen Uwe Gensheimer (231 Tausend Abonnenten) und Jannik Kohlbacher (75 Tausend) überredet wurde, ist noch nicht bekannt. Nun ja, er ist jetzt online, so wie alle anderen seiner Teamkollegen.
Und die durften sich auch offline über den ersten Sieg im zweiten Pflichtspiel des Jahres freuen. Nach dem enttäuschenden Unentschieden am Dienstag konnten die Löwen das zweite Duell gegen die Kadetten Schaffhausen in der EHF European League am Mittwoch mit 34:27 (15:15) für sich entscheiden. Mit nun neun Punkten steht das Team von Trainer Martin Schwalb international hervorragend da und wird höchstwahrscheinlich auch in die Runde der letzten 16 Mannschaften einziehen – Patrail musste dafür nicht viel tun, er spielte nur wenig. Dass Coach "Schwalbe" fast die gesamten 60 Minuten die gleichen Jungs durchackern ließ, zeigte, dass er keine Lust darauf hatte, nochmal ohne Sieg im Gepäck in den Mannschaftsbus zu steigen.
"Wir haben sehr stabil gespielt", sagte Schwalb: "Das ist das, was ich immer sage. Wir müssen stabil sein. Abwehr, Angriff, Gegenstoß." Klingt logisch. Besonders gut setzte das Niclas Kirkelokke um. Auf ein extrem schwaches Spiel am Dienstag ließ er einen starken Auftritt (7 Tore) am Mittwoch folgen. Manchmal hängt im Sport eben vieles von der Tagesform ab.
Apropos Tagesform – die Löwen traten zunächst gefühlt ohne Torhüter an. Die beiden Nachwuchskeeper David Späth und Niklas Gierse, waren zwar physisch anwesend, hielten im ersten Abschnitt aber nicht einen einzigen Ball – erst 20 Minuten vor Schluss bekam Gierse mal die Hand an das Spielgerät. Und mit seinen Paraden besserte sich auch der Spielstand: Die Löwen zogen auf drei, vier, fünf Tore weg und entschieden die bis dahin enge Partie. Wie wichtig im Handball der Torwart doch ist.
"Das war ein kleines Abenteuer", sagte Andy Schmid: "Aber jetzt sind wir wieder im Rhythmus." Dieses Wochenende ist spielfrei, das Bundesliga-Duell bei der MT Melsungen wurde verschoben. So kann man die Zeit nutzen und beispielsweise eine Runde mit dem Hund gehen – vielleicht gibt’s ja schon bald davon ein Foto in den Sozialen Netzwerken zu sehen …
Schaffhausen: Bartok 4, Csaszar 8/1, Maros 4, Frimmel 4, Zehnder 1, Schopper 1, Herburger 2, Sesum 1, Gerbl 2.
Löwen: Nilsson 1, Kirkelokke 7, Schmid 6, Groetzki 4, Patrail 1, Gensheimer 9/3, Kohlbacher 5, Gislason 1.
Strafminuten: Schmidt 2 – Schmid 2.
Stenogramm: 2:2 (5.), 5:4 (10.), 8:8 (15.), 11:12 (20.), 14:15 (25.), 15:15 (Halbzeit), 19:17 (35.), 20:21 (40.), 22:25 (45.), 23:28 (50.), 24:31 (55.), 27:34 (Ende).