Von Tillmann Bauer
Heidelberg. Wer den Handballern der Rhein-Neckar Löwen im Netz folgt – das tun allein bei Instagram über 120 Tausend Menschen – wurde am vergangenen Donnerstag darüber informiert, was sich im Kronauer Trainingszentrum so abgespielt hat. So konnte man die muskelbepackten Sportler dabei bewundern, wie sie Hanteln stemmen, dabei schwitzen und dennoch – mehr oder weniger – verschmitzt in die Kamera lächeln.
Auch Patrick Groetzki war zu sehen. Der Rechtsaußen, der zugegebenermaßen nicht zu den kräftigsten, dafür aber vielmehr zu den dynamischsten Spielern der Löwen gehört, hatte eine Langhantel auf den Schultern liegen und schaute dabei fast meditativ zu Boden. Auch wenn er in diesem Moment mehr als 40 Kilogramm stemmte, den schwersten Brocken hatte der Publikumsliebling bereits am Morgen vor dem Training aus dem Weg geräumt.
Als wir ihn am Telefon erreichen, lacht er: "Ich war in der Uni, drei Stunden Prüfung, das schlaucht schon." Groetzki ist in den Endzügen seines Dualen Studiums, das er an der DHBW in Mannheim absolviert – es war die vorletzte Prüfung für den Vater zweier Zwillinge. Und – wie war’s? "Ja, ganz okay", sagt er: "Hauptsache durchkommen." Dieses Motto, in dem sich sicherlich viele Studierende auch wiederfinden, trifft eigentlich auch ganz gut auf die Leistung der Löwen am vergangenen Wochenende zu. Zum Auftakt des BGV Handball-Cups, bei dem die Erst- und Zweitligisten aus Baden-Württemberg in zwei Gruppen gegeneinander antreten, besiegten Groetzki und Co. zwar den Ligakonkurrenten aus Stuttgart, so richtig überzeugen konnte man im ersten Test nach der langen Corona-Abstinenz aber noch nicht. Groetzki sagt: "Das war alles noch ziemlich durcheinander, aber wir haben schon gute Ansätze gezeigt."
Was er damit meinte, war die Erkenntnis, dass auch Romain Lagarde, der im vergangenen Jahr weit unter seinen Möglichkeiten gespielt hat, auch eine Option als Ersatz für Andy Schmid auf der Mitte sein kann; oder dass auch Uwe Gensheimer die Rolle als Spielgestalter einnehmen kann, sollten dort die Alternativen ausgehen. Schließlich war – und ist auch immer noch – das Spiel zu abhängig von Schmid allein. Spielte der Schweizer überragend, und das tat er oft, lief im Angriff alles nach Plan, hatte Schmid einen schlechten Tag, waren die Löwen leicht zu berechnen. Das weiß auch Groetzki: "Das war immer unsere Schwäche, deswegen versuchen wir nun, Alternativen zu finden."
An neue Wege müssen sich die Handballer wohl auch in Sachen Hygiene gewöhnen. Laut Groetzki war das Einhalten der Verhaltensregeln zwar "kein großer Act", manche Dinge – wie auch im normalen Leben – waren für ihn aber unverständlich. Er erklärt: "Wir durften uns vor dem Spiel nicht mit den gegnerischen Spielern unterhalten und sollten auf den Handschlag nach Abpfiff verzichten. Da ringt man 60 Minuten mit vollem Körpereinsatz miteinander, kämpft um jeden Zentimeter und soll danach wieder Abstand halten? Das finde ich lächerlich."
Und dennoch weiß er natürlich, dass es nur sinnvoll ist, sich an alle Vorgaben zu halten, schließlich hofft die Handball-Bundesliga weiterhin, so schnell wie möglich vor Zuschauern spielen zu können.
Publikum wird es am Sonntag wieder geben, wenn die Löwen um 15 Uhr in der Göppinger EWS Arena auf die SG BBM Bietigheim treffen. Das sei laut Groetzki eine gute Zweitliga-Mannschaft, die sich in der vergangenen Saison etwas unter Wert verkauft habe. Er sagt: "Dass es unser Anspruch sein muss, dieses Spiel zu gewinnen, ist aber auch klar."
Wie schon gegen Stuttgart. Vielleicht wird diesmal nur die Art und Weise eine andere. Der Prüfungsstress ist zumindest erstmal aus dem Kopf.
Update: Freitag, 4. September 2020, 16.14 Uhr
Von Tillmann Bauer
Heidelberg. Handball findet in der Halle statt. Das ist von Nachteil, wenn es in Zeiten von Corona um Zulassungen von Zuschauern geht. Sportarten, die an der frischen Luft ausgeübt werden, haben bessere Karten. Doch stickige Hallen haben auch Vorteile; sie haben kein Problem mit dem Wetter. Als die Rhein-Neckar Löwen beim BGV Handball Cup gegen den TVB Stuttgart mit 27:25 gewannen, regnete es im Schwabenland in Strömen. Es war, als wolle der Himmel die handballfreie Zeit beenden und die Hallensaison einläuten. Wir klären die wichtigsten Fragen, die sich bei diesem Testturnier ergeben haben.
Albin Lagergren fügte sich gut ein. Sein Debüt verfolgten 450 Zuschauer in der Halle. F: vafWas haben die Löwen sportlich geboten? Es war noch nicht das Gelbe vom Ei. Das hat Löwen-Trainer Martin Schwalb nach Abpfiff treffend formuliert, auch wenn nach der Zwangspause wirklich kein Feuerwerk zu erwarten war. "Wenn man sieht, wer alles noch gefehlt hat, muss ich sagen, wir haben trotzdem gewonnen", lachte Schwalb: "Da bin ich nicht so unglücklich." Zwar war deutlich zu spüren, dass die Stuttgarter schon einige Testspiele hinter sich hatten, dennoch behielten die Löwen in den Schlussminuten die Nerven und sicherten den Sieg. Erfreulich: Romain Lagarde übernahm in der entscheidenden Phase Verantwortung und avancierte zum Matchwinner. Schwalb drückte es so aus: "Am Ende habe ich auf ihn gesetzt und er hat die Dinger gemacht. Das tut ihm sehr, sehr gut."
Wie haben sich die Neuen geschlagen? Albin Lagergren machte einen positiven Eindruck. Der Schwede, der aus Magdeburg gekommen war, glänzte zwar nicht als Vollstrecker, dafür aber als cleverer Vorbereiter. "Albin macht einfach Spaß", sagte Schwalb: "Er macht das sehr, sehr schlau." Auch sein schwedischer Landsmann Lukas Nilsson feierte sein Debüt im Löwen-Trikot – und drosch den Ball nach einer Viertelstunde zu seinem Premieren-Treffer in die Maschen. Dass er aber leicht angeschlagen war, merkte man – Schwalb nahm ihn nach 20 Minuten vom Feld. Während Mait Patrail ebenfalls verletzt gar nicht erst auf dem Spielberichtsbogen stand, ergab sich die Chance für den jungen Philipp Ahouansou. Beim Nachwuchsmann lief natürlich noch nicht alles rund, aber er brachte sich im Rückraum gut ein und deutete sein Potenzial an.
Wie hygienisch lief es ab? Sehr hygienisch. Der BGV Handball Cup soll quasi ein Testlauf sein, wie Handball vor Zuschauern während der Corona-Pandemie aussehen könnte. 450 Zuschauer durften in die 2200 Personen fassende Scharrena – das Ticket-Kontingent war erwartungsgemäß schnell erschöpft. Jeder Fan musste eine Selbstauskunft ausfüllen, bis zu seinem Platz Maske tragen, bestimmte Laufwege innerhalb der Arena einhalten und die Hände desinfizieren. Positiv: Die Handball-Fans durften nach 175 Tagen mal wieder ihre Idole sehen, außerdem war die Stimmung vergleichsweise gut.
Durch die Enge der Halle und das Trommeln, Gesinge und Gerufe der Menschen war nur bedingt zu merken, dass die Arena halbleer war. Kapitän Uwe Gensheimer sagte: "Es war schon gut was los. Für uns war es einfach ein Segen, mal wieder mit Zuschauern zu spielen." Negativ: Auf die im Handball so beliebte Fan-Nähe mit Selfies und Autogrammstunde wird man wohl noch eine Weile verzichten müssen.
Wie geht es weiter? Nächsten Sonntag (15 Uhr) steht in Göppingen das nächste Spiel gegen die SG BBM Bietigheim an.