Von Daniel Hund
Kiel. Es waren Bilder, die eigentlich nicht zum Spiel passten. Kaum war die Schluss-Sirene in der Kieler Sparkassen Arena ertönt, stürmten auch schon die Spieler der Rhein-Neckar Löwen durch die dicke schwere Stahltür, die die Platte mit den Katakomben verbindet. Gedeon Guardiola, der Europameister der Gelben, stiefelte als Erster vorbei. Er flüchtete förmlich, fluchte und schimpfte wie ein Rohrspatz. Die 21:27 (15:13)-Pleite beim THW Kiel lag ihm schwer im Magen.
Warum? Weil sie den Spielverlauf nicht widerspiegelte, weil sie letztlich zu hoch ausfiel. Selbst Filip Jicha, Kiels Trainer, wollte da nicht widersprechen: "Gefühlt waren wir nicht sechs Tore besser", seufzte der Tscheche erleichtert, "wir sind einfach froh, dass wir dieses Spitzenspiel gewonnen haben."
Nach dieser ersten Halbzeit sowieso. Die war nämlich wenig meisterlich. Da hatten die Löwen das Kommando. Und das, obwohl die Vorzeichen nicht die besten waren. Alexander Petersson musste kurzfristig passen. Den Oldie aus dem rechten Rückraum bremste ein grippaler Infekt aus. Nach Uwe Gensheimer und Jesper Nielsen, den Langzeitverletzten, also der dritte Dämpfer.
Cool bleiben lautete deshalb die Devise, das Beste daraus machen. Und das taten die Gelben. Clever spielten sie ihre Angriffe aus, ließen die Uhr bei den eigenen Angriffen runter rattern, um dann auf den letzten Drücker eiskalt zu zuschlagen. Der Lohn des Geduldspiels: das 6:5 (10.), die erste Führung der Badener. Kiel war da längst im Grübel-Modus, haderte mit den Schiedsrichtern, verzweifelte.
In der 19. Minute zog THW-Trainer Filip Jicha dann die Notbremse: Auszeit, über das sprechen, was nicht klappte. Und das war eine Menge: Löwen 11, Kiel 8 – verkehrte Welt beim Spitzenreiter. Wenig später ging’s mit einer 15:13-Führung in die Pause.
Eigentlich schmeichelhaft für Kiel. Das fand auch Löwen-Rechtsaußen Patrick Groetzki: "Dem Spielverlauf entsprechend hätten wir da schon höher führen müssen. Tja, und danach ging dann alles viel zu schnell."
Stimmt: Kaum zurück, legte Kiel einen 5:0-Lauf hin. Vor allem Ex-Löwe Niklas Landin war nun kaum mehr zu bezwingen. Reihenweise krallte der dänische Hexer sich nun die Löwen-Geschosse. Die Gelben drohten komplett einzubrechen (16:20), kämpften sich aber wieder ran (19:20). "Kompliment an die Jungs, sie haben große Moral bewiesen", sagte Löwen-Trainer Martin Schwalb, "und ich hatte da echt das Gefühl, dass die Partie noch einmal hätte kippen können." Tat sie aber nicht mehr. Die Badener probierten alles, rasten mit sieben Feldspieler über die Platte und wurden bestraft.
Was bleibt, ist die Frage: Was nimmt man nun mit vom Gastspiel in Kiel? Stark gespielt, trotzdem hoch verloren, Herr Roggisch? "Die Enttäuschung ist jetzt natürlich erst einmal groß", zog der Sportliche Leiter der Löwen die Augenbrauen hoch, "andererseits haben wir hier viel Gutes gesehen: Diese Coolness, diese Körpersprache und dieses Selbstvertrauen aus der ersten Halbzeit müssen wir jetzt mit in die nächsten Spiele nehmen."
Schwalb wird dafür sorgen. Unter der Woche hat er einige Trainingseinheiten angesetzt, an denen alle teilnehmen werden, die nicht bei der Nationalmannschaft sind. Und das sind einige. Roggisch findet’s klasse. Der lange Blonde zur RNZ: "Ich muss Martin ein Riesen-Kompliment machen. Was er in dieser kurzen Zeit schon alles bewirkt hat, ist enorm." Und wie stellt er das so an? "Er ist natürlich eine absolute Persönlichkeit. Die Spieler schauen zu ihm auf. Seine Ansprache ist auf den Punkt."
Klingt nach einer heißen und erfolgreichen Saison-Schlussphase der Löwen.
Stenogramm: 4:4, 6:8, 8:11, 10:11, 12:12, 13:15 (Halbzeit), 18:15, 20:16, 20:19, 23:20, 27:21 (Endstand).
Kiel: Duvnjak 6, Reinkind 4, M. Landin 4, Wiencek 3, Ekberg 5/3, Zarabec 1, Bilyk 3, Nilsson 1.
Löwen: Schmid 6/4, Kirkelokke 6, Tollbring 2, Mensah Larsen 1, Groetzki 3, Guardiola 1, Kohlbacher 2.