Motivator und Mahner zugleich: Oliver Roggisch, der Sportliche Leiter der Löwen, sieht sein Personal auf einem guten Weg. Foto: vaf
Von Daniel Hund
Heidelberg. Das "Ufo" war kurz davor abzuheben. Erlebt hat man als Handball-Fan in der Mannheimer SAP Arena ja schon viel, doch das, was sich letzte Woche nach dem 26:25-Coup der Rhein-Neckar Löwen gegen den THW Kiel im High-Tech-Tempel abspielte, war Ekstase pur. Wildfremde Menschen lagen sich in den Armen, hüpften die Arena-Stufen hoch und runter. "Das", schmunzelt Oliver Roggisch im RNZ-Gespräch mit ein paar Tagen Abstand, "das war brutal, einfach unglaublich." Selbst der Sportliche Leiter der Löwen ist noch ein wenig überwältig von all dem Jubel, der Heiterkeit. Von einem gelben Feiertag, den niemand so schnell vergessen wird.
Doch es hilft alles nichts, es muss weitergehen. Der Liga-Alltag kennt kein Erbarmen. Nach Kiel ist vor Leipzig. Am Donnerstag ab 19 Uhr müssen die Löwen dort die Krallen ausfahren. Ein Gegner, der derzeit richtig gut drauf ist, der am Samstagabend beide Punkte in Melsungen abstaubte. "Genau dieses Spiel habe ich mir natürlich ganz genau angeschaut", wird Roggisch leicht nachdenklich: "Sie spielen eine kompakte Abwehr, machen kaum Fehler und können auf eine gute Torhüterleistung bauen."
Oder anders: In Leipzig besteht erhöhte Stolpergefahr. Roggisch sagt es so: "Für uns wäre es gut, wenn wir die ganzen Emotionen aus dem Kiel-Spiel in diese Partie mitnehmen könnten."
Stichwort Emotionen: Wer gegen den THW Kiel ein bereits verloren geglaubtes Spiel so spektakulär dreht, der muss einfach mit Rückenwind in den "Wilden Osten" reisen. "Wir alle haben uns so ein Wendepunkt-Spiel wie gegen Kiel erhofft, ob es jetzt aber tatsächlich in die andere Richtung geht, weiß man immer erst im nächsten Spiel."
Wenngleich Roggisch auch nicht nur gute Erinnerungen an das Kiel-Spiel hat. Vor allem die Anfangsphase bereitet dem einstigen Abwehr-Koloss noch immer Bauchweh: "Da müssen wir ehrlich zu uns selbst sein, die ersten 20 Minuten waren gar nichts. Und Kiel hat uns danach auch ein wenig selbst in die Partie zurückgeholt."
Dem restlichen Saisonverlauf blickt der Weltmeister von 2007 optimistisch entgegen, leicht entspannt sogar. Kiel wird aus seiner Sicht am Ende das Meisterrennen machen, dahinter sei aber alles relativ offen. "Auch für uns ist noch sehr viel möglich", stellt er klar, "wir haben noch reichlich Luft nach oben."
Dass das so ist, liegt laut Roggisch an den veränderten Vorzeichen: Neuer Trainer, zwei neue Rückraumspieler – bis da ein Rädchen ins nächste greift, vergehen Wochen, manchmal sogar mehrere Monate. "Wichtig ist, dass das Umfeld ruhig bleibt, was bei uns bislang der Fall war, das ist toll zusehen", lobt Roggisch seine Mitstreiter abseits des Spielfelds.
Die ab und an aufflammende Kritik an Romain Lagarde, 22, und Niclas Kirkelokke, 25, den beiden neuen Halben im Rückraum, lässt er nicht gelten. Roggisch legt schützend die Hand über sie: "Romain und Niclas müssen sich in dieser Liga erst einmal zurecht finden, selbst bei einem Andy Schmid ging das damals nicht von heute auf morgen."