Kaum ein Durchkommen: Hanna Baumann (links) wird von drei Spielerinnen des BSP MTV Stuttgart geblockt. Foto: Lörz
Von Eric Schmidt
Sinsheim. Jörg Binder wollte sich nicht zum Affen machen. Also saß der Trainer des SV Sinsheim als Großkatze auf der Bank. Er trug eine rosarote Hose und einen rosaroten Pullover - als Kopfbedeckung diente eine rosarote Riesenmaske mit gelb-schwarzen Augen und schwarzem Schnurrbart. Abteilungsleiter Ralph Lange, der am Samstagabend den Hallensprecher gab, half in seiner Begrüßung bei der Identifizierung: "Unser Trainer heute Abend ist Paulchen Panther, auch bekannt als Jörg Binder."
Trainer Jörg Binder tigert als rosaroter Panther umher. Foto: LörzDer SVS-Coach hatte tatsächlich Wort gehalten: Wie angekündigt, trat der 39-Jährige im Heimspiel gegen den BSP MTV Stuttgart im Faschingskostüm auf. Das Outfit, es war zum Schießen - das Ergebnis allerdings nicht: Mit 1:3 (19:25, 19:25, 25:18, 25:27) verlor der Tabellenzweite der 3. Volleyball-Liga Süd gegen die Nachwuchsauswahl aus der Landeshauptstadt und ging erstmals in dieser Saison leer aus vor eigenem Publikum. Jörg Binder - so ist das halt als rosaroter Panther - kam sich vor wie im falschen Film.
"Ich versteh’s nicht, die Mädels wollen doch auch Meister werden. Mich macht es ein bisschen fassungslos. Ich kann nicht so richtig sagen, was los war", sagte der SVS-Coach und ergänzte: "Vielleicht hätte ich nicht als rosaroter Panther kommen sollen. Vielleicht haben die Mädels gedacht, sie müssen das hier nicht Ernst nehmen." Nein, es habe nicht an der Verkleidung gelegen. "Die war grandios", erklärte Mittelblockerin Franziska Kälberer. "Wir wollten richtig anpacken heute. Aber wir sind einfach nicht in Fahrt gekommen. Keine von uns hat das gespielt, was sie kann."
Die Mannschaft glich ihrem Trainer: Sie war nicht wiederzuerkennen beim Faschingsball in der Realschulhalle. Immer wieder schlichen sich Fehler ins Spiel, vor allem die Annahme hatte Schwierigkeiten. Wie ein Spitzenteam trat der SVS nicht in Erscheinung. Im ersten Satz geriet er nach ausgeglichenem Beginn über 11:12 mit 11:14 und über 15:18 mit 15:22 ins Hintertreffen, im zweiten Durchgang handelte er sich nach einer 1:0-Führung einen 1:9-Rückstand ein. Ein kapitaler Fehlstart.
Jörg Binder lud einen Teil der Schuld auf sich. Er hatte seine Starting-Six auf drei Positionen geändert und aufgrund der guten Trainingseindrücke jungen Spielerinnen eine Chance gegeben. "Ich habe gedacht, dass sie bereit sind. Aber vielleicht war es ein bisschen zu viel. Den ersten Satz nehm‘ ich auf meine Kappe." Der SVS-Trainer griff korrigierend ein und stellte um. Kim Kretzler kam für Kalyn El Berins, Angelina Schatz für Vanessa Rühl. Binder nahm auch bei sich selbst Änderungen vor. Nach und nach entledigte er sich seines Faschingskostüms. Erst zog er seine Narrenkappe vom Kopf und ersetzte sie durch sein gewohntes "Bix"-Käppi, dann griff er zu seinem roten Trainingsshirt und seiner schwarzen Sporthose, um wenigstens am Spielfeldrand für Normalität zu sorgen.
Zufall oder nicht: Auch sein Team machte nun eine Verwandlung durch. Im zweiten Satz kämpfte sich der SVS von 10:18 auf 19:20 heran, um im dritten Satz dann endgültig sein wahres Gesicht zu zeigen. Von 5:4 eilten die Kraichgauerinnen dank guter Aufschläge von Hanna Baumann im Sauseschritt auf 13:4 davon, Schnellangriffe von Franziska Kälberer und Schmetterbälle von Angelina Schatz und Chrissi Werner sorgten für Punkte. Erfrischend auch der Auftritt von Luca Schnabel, die ein gutes Spiel zeigte. Tää täää, tää tääa, tää täää - der dreifache Faschingstusch, den die Hallenregie so gerne einspielte, war nun immer öfter zu hören.
Allerdings: Zu Sicherheit und Stabilität verhalf der Satzgewinn nicht. Im vierten Durchgang ging es hin und her. Der MTV schlug gut auf, der SVS verspielte eine 20:16- und 23:20-Führung, auch der Satzball beim Stand von 24:23 konnte er nicht nutzen - und verlor. "Es war wie gegen Beiertheim. Wir haben den Sack nicht zugemacht", ärgerte sich Kapitänin Anika Schwager und fand: "Wir haben zu lange gebraucht, bis wir Lösungen gefunden haben." Zu einer ähnlichen Schlussfolgerung kam Abwehrchefin Nadine Himmelhan: "Stuttgart spielt gerade aus und fest. Dieses Spiel kann man gut lesen. Wenn man es aber nicht lesen kann, hat man ein Problem."
Die gute Nachricht für den SV Sinsheim: Trotz der zweiten Niederlage in Folge kann er nach wie vor aus eigener Kraft Meister werden. Tabellenführer SV KA Beiertheim verlor gestern Abend völlig überraschend mit 1:3 bei der TGM Mainz-Gonsenheim und verpasste die große Chance, sich abzusetzen. Was für ein närrisches Wochenende. Sebastian Schmitz, der Coach des MTV Stuttgart, ist gespannt, wie das Titelrennen ausgeht. "Der SV Sinsheim hat eine gute Mannschaft. Ich denke, dass er uns am Anfang auf die leichte Schulter genommen hat", sagte Schmitz. Wie er die Verkleidung des Trainerkollegen Jörg Binder fand? "Starkes Kostüm. In der B-Note zehn von zehn Punkten. Dann hat er sich aber mehr und mehr vom Pink Panther zum Trainer zurückverwandelt."
Es stimmt: Viel blieb nicht übrig vom rosaroten Panther. Er verflüchtigte sich quasi am Samstagabend und machte sich aus dem Staub. "Er verschwindet jetzt für ein Jahr", sagte Jörg Binder.