Alles muss weg. Nach dem 5:3-Sieg gegen die FG Rohrbach und dem Aufstieg in die B-Klasse gab es für die Spieler des VfB Schönau kein Halten mehr. Präsident Wolfgang Gauweiler musste eine Wette einlösen und ließ sich eine Glatze scheren. Foto: privat
Von Wolfgang Brück
Heidelberg. Grenzenloser Jubel – abgrundtiefe Trauer: Relegationsspiele rufen große Emotionen hervor. Sie gehören zu den Modellen, wie es nach der Corona-Pause weiter gehen könnte im Fußball. Die Rhein-Neckar-Zeitung wirft einen Blick zurück auf Tragödien und Komödien und schaut gleichzeitig voraus auf denkbare Lösungen für die Zeit nach der Krise.
"Falls der Spielbetrieb noch länger ruht, könnten auch die kleinen Vereine in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen", fürchtet Uwe Hollmichel. Der Präsident der SG Heidelberg-Kirchheim und ehemalige Direktor der Deutschen Bank denkt nicht nur an fehlende Einnahmen, sondern befürchtet, dass auch Mitgliedsbeiträge nicht mehr bezahlt werden können.
Relegationsspiele würden zumindest für einige Vereine einen warmen Geldregen bedeuten. Staffelleiter Frank Wolf weiß: "Wenn es um was geht, kommen die Leute. Wir hatten selbst in den C-Klassen Spiele mit vierstelligen Zuschauer-Zahlen." Festtage wären genau das, was der Fußball nach der langen Dürrezeit braucht.
Was die Fortsetzung der Saison angeht, werden vor allem zwei Modelle diskutiert. Erstens, eine Annullierung aller Spiele und ein Neustart der Runde. Zweitens, ein Schnitt jetzt mit dem Aufstieg der Mannschaften, die oben stehen.
Relegationsspiele wären ein dritter Weg. Ein Mittelweg, den man auf die einzelnen Ligen zuschneiden könnte, in denen es eng zugeht und die Spitzenteams nur durch wenige Punkte getrennt sind oder mit Spielen im Hintertreffen sind. Spannung wäre auf jeden Fall garantiert, auch wenn der eine oder andere Verein nicht die besten Erfahrungen mit den "Alles oder Nichts"-Spielen gemacht hat.
Der SV Waldhof scheiterte dreimal in Folge in der Relegation zur Dritten Liga, die Randale der Fans und der Abbruch des letzten Spiels gegen Bayer Uerdingen stürzten den Verein in eine tiefe Krise. Doch der Traditionsverein hatte die Kraft, gestärkt daraus hervorzugehen. Jetzt kann der Waldhof sogar vom Durchmarsch in der Zweite Liga träumen.
Weniger robust war der Karlsruher SC. Beim Relegations-Rückspiel gegen den Hamburger SV vor fünf Jahren hatte Stadionsprecher Martin Wacker die Fans bereits aufgefordert: "Bleibt zum Feiern auf den Plätzen, die Spieler kommen zu euch." In der Nachspielzeit riss Marcello Diaz mit einem Freistoß nach einem umstrittenen Handspiel den KSC aus allen Träumen. Statt in der Ersten war Karlsruhe zwei Jahre später in der Dritten Liga. Auch die Relegationen gegen Jahn Regensburg (2012) und Erzgebirge Aue (2018) gingen verloren.
Relegation – das Wort verursacht auch bei einigen Klubs aus dem Fußballkreis Heidelberg grüne Pickel. Der FC Germania Meckesheim-Mönchzell scheiterte dreimal in der Relegation, zweimal sogar im Elfmeterschießen. Auch hinter der FG Rohrbach liegen drei misslungene Versuche. 2017 war die 3:5-Niederlage gegen den VfB Schönau Anlass, um eine spektakuläre Wette einzulösen. Der Schönauer Vorsitzende Wolfgang Gauweiler riskierte eine eheliche Auseinandersetzung mit seiner Frau Karin und ließ sich eine Glatze scheren.
Während vor drei Jahren in Mönchzell nur die Haare dran glauben mussten, brachten Entscheidungsspiele anderswo Fans aus der Fassung. In Berlin und Braunschweig stürmten nach Relegationsspielen Zuschauer den Platz, in Dresden, Karlsruhe und bei 1860 München eskalierte die Gewalt. Psychologen gaben zu bedenken, dass Spiele, in denen es um Wohl oder Wehe einer ganzen Spielzeit geht, Fußballfans emotional überfordern könnten.
"Relegation ist wie am Spielautomat", resümierte der Diplom-Psychologe Alexander Höme. Niko Kovac, damals Trainer von Eintracht Frankfurt, kündigte nach dem Relegationsspiel gegen Nürnberg an, einen Kardiologen aufsuchen zu müssen.
Noch steht in den Sternen, wann und wie es weitergeht. Doch ein Endspiel zwischen den führenden Landesligisten 1. FC Mühlhausen und FC Bammental – vielleicht nach dem Prinzip Best of drei mit dem ersten Heimvorteil für den Spitzenreiter – hätte was. In der Kreisliga könnten der VfB Leimen und der TSV Rettigheim ausspielen, wer hinter dem Tabellenführer SG Horrenberg Zweiter wird. In den A-, B- und C-Klassen, wo mehrere Vereine für mehrere Aufstiegsplätze in Frage kommen, böten sich Aufstiegsrunden an. So was gab es schon mal. In der 1. Amateurliga, als Mannschaften punktgleich die Saison beendeten.
Es sind Gedankenspiele. Aber vielleicht könnte – ein baldiges Ende der Corona-Pause vorausgesetzt – eine Relegation, wenn nicht der Weisheit letzter Schluss, eine salomonische Lösung sein. Ein versöhnlicher Abschluss einer Saison, die manche schon abgeschrieben haben.