Von Eric Schmidt
Sinsheim-Ehrstädt. Er braucht dann doch ein Taschentuch. Verstohlen wischt sich Josef Pitz die Tränen aus den Augen. Kaum hat er seine letzte Rede gehalten und sich wieder auf seinen Platz gesetzt, stehen alle im Saal auf. Applaus. Lange klatschen die Frauen und Männer in der Seewiesenhalle Beifall. Sie geht ihm nahe, diese Ehrerbietung. "Ich hätte nie gedacht, dass mir die Tränen kommen. Aber es sind die Emotionen. Es kommt von innen. Ich konnte es nicht aufhalten", sagt Pitz hinterher.
Eine Ära ist zu Ende. Josef Pitz ist nicht mehr Vorsitzender des Sportkreises Sinsheim. Beim Sportkreistag am Montagabend in Sinsheim-Ehrstädt hat das Sportoberhaut sein Amt niedergelegt. 21 Jahre lang hat er den Kreis geführt, 21 Jahre lang hat er sich für die Vereine stark gemacht und sich für sie eingesetzt. Nun sollen sich jüngere Kräfte um die Angelegenheiten kümmern.
BSB-Präsident Martin Lenz würdigt seine Arbeit. Foto: Lörz
Wer mit dem Mann aus Angelbachtal zusammengearbeitet hat, weiß: Es ist ein tiefer Einschnitt - nicht nur für ihn, sondern für den ganzen Sportkreis. "Es gibt nicht so viele, die in den vergangenen Jahrzehnten kommunale Politik so gut konnten. Josef Pitz ist ein Urgestein der sportpolitischen Kompetenz", sagt Martin Lenz, der Präsident des Badischen Sportbunds (BSB), in seinem Grußwort. "Er hat das Amt ausgeführt wie kein Zweiter. Sein Name war und ist ein Begriff", erklärt Willi Ernst, sein langjähriger Stellvertreter, und würdigt Pitz‘ "Kompetenz, Erfahrung, Weitblick", sein "ausgleichendes Wesen" und seine Fähigkeit, "selbst in schwierigsten Situationen einen Konsens zu finden".
Pitz, 76, kann guten Gewissens gehen. Das Feld ist bestellt. Finanziell geht’s dem Sportkreis Sinsheim gut, auch sportlich läuft es rund. Es gibt Bundesliga-Fußball und Bundesliga-Bogenschießen, es gibt Bundesliga-Faustball und Bundesliga-Gewichtheben, dazu Zweitliga-Schach und Drittliga-Volleyball. Unter der Regie von Josef Pitz hat sich der Sportkreis weiter geöffnet und als Dienstleister für die Vereine etabliert.
Er hat Projekte wie "Neue im Wege im Sport" und "Sport für alle" angestoßen sowie den Jahresempfang und die publikumswirksame "Sportlerwahl des Jahres" in Zusammenarbeit mit der RNZ ins Leben gerufen. "Wir sind stolz, dass bei dieser Sportlerehrung Weltmeister, Europameister, deutsche Meister und Olympioniken aus unserer Region kommen", sagt Pitz.
Was ihn ebenfalls freut: die immer größer werdende Zahl an Mitgliedern. Im Vergleich zu 2016 konnte der Sportkreis Sinsheim ein Plus von 2669 Personen verzeichnen "Wir sind damit der einzige Sportkreis mit einer Zuwachsrate von 4,9 Prozent. Die acht anderen Sportkreise im BSB haben Zuwachsraten unter zwei Prozent", sagt Pitz. Wenn er sich jetzt zurückziehe, dann im Bewusstsein, "alles zu seiner Zeit Machbare im Interesse der Vereine und des Sports in unserer Region" erreicht zu haben. "Ich merke aber sehr wohl, dass neue Überlegungen und Ideen notwendig sind, um den Generationen-Wandel für die Zukunft positiv und mit Erfolg zu gestalten."
Ebenfalls verabschiedet werden die stellvertretenden Vorsitzenden Bernhard Wieland und Roland Dworschak. Foto: Lörz
Um diesen Generationen-Wandel zu meistern, unterzieht sich der Sportkreis-Vorstand einem Umbruch. Für Josef Pitz kommt Willi Ernst, für die jahrzehntelangen Stellvertreter Bernhard Wieland und Roland Dworschak rücken Johann Schramm (TSC Rot-Gold Sinsheim) und Anke Kaiser (TV Waibstadt) nach. Zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit und die Neuen Medien ist Salome Hermann (Anpfiff Hoffenheim), die Sönke Brenner ablöst. Josef Pitz ist sich sicher: "Wir haben weiter ein gutes Team."
Er selbst wird dem Sportkreis Sinsheim und den Verantwortlichen verbunden bleiben. Muss er auch. In einer seiner ersten Amtshandlungen am Montagabend ernennt ihn der neue Sportkreis-Chef Willi Ernst zum Ehrensportkreis-Vorsitzenden. Den sportpolitischen Ruhestand kann Pitz mit einigen guten Tropfen genießen. Landtagsabgeordneter Hermino Katzenstein überreicht Pitz zum Abschied eine Flasche Wein, gleich zwei Flaschen steuert BSB-Präsident Martin Lenz bei. Dazu kommen Geschenkkörbe und Gutscheine und von Sinsheims Oberbürgermeister Jörg Albrecht eine Einladung zum gemeinsamen Mittagessen. Es könnte ein XXL-Mittagsmenü werden. "Mit Jörg Albrecht konnte ich immer schon gut reden", sagt Pitz. "Da freu’ ich mich drauf."
Die Rote Karte bekommt Willi Ernst nicht gezeigt. Als die Wahlen stattfinden in der Seewiesenhalle in Sinsheim-Ehrstädt, gehen nur grüne Stimmzettel in die Höhe - grün für Ja. Einstimmig wird Ernst zum neuen Sportkreis-Vorsitzenden gewählt. "Mir ist bewusst, in welch große Fußstapfen ich trete", sagt der 63-Jährige, nachdem er auf die Bühne vors Mikrofon geeilt ist: "Aber ich verspreche, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um das Vertrauen zu rechtfertigen."
Willi Ernst ist die neue Nummer eins. Der Bankkaufmann aus Waibstadt tritt die Nachfolge von Josef Pitz an, der 21 Jahre lang der Sinsheimer Sportkreis-Chef war. Die letzten sechs dieser 21 Jahre hat Ernst als stellvertretender Vorsitzender Finanzen bekleidet. Er sei froh, dass er diese gemeinsame Zeit mit Pitz erlebt habe. "Ich habe davon profitiert."
Ernst will die erfolgreiche Arbeit seines Vorgängers fortsetzen und den Sportkreis fit machen für die Zukunft. Eines seiner Hauptanliegen: die "Neuen Wege im Sport", das Projekt, mit dem der Sportkreis außergewöhnliche Ideen der Vereine unterstützt und honoriert. Vereinsdialoge, Impulsvorträge - das neue Sportoberhaupt kann sich viele Dinge vorstellen, um die Zusammenarbeit mit den Klubs zu vertiefen. "Vielleicht bringen wir auch einen Wissenspool zusammen nach der Art: Best practice: Wo läuft was schon besonders gut? Das schauen wir uns dann an." Was die Vereine bewegt, weiß Ernst aus eigener Erfahrung - jahrelang hat er die SG Waibstadt als Vorsitzender geführt. "Vereinsmeier" nennt er sich gerne. "Ich glaube an die Funktion der Verein", so Ernst.
Nach seiner letzten Rede erhält Pitz viel Beifall. Foto: Lörz
Warum er die Aufgabe übernimmt? Weil er den Sport mag. Weil er sich gerne Herausforderungen stellt und Ideen entwickelt. "Hier kann ich an verantwortlicher Stelle etwas bewegen", sagt Ernst. Ab Mitte des Jahres hat der Hobbyradfahrer und leidenschaftliche Fußballfan dann richtig viel Zeit. Der "Noch-Bankkaufmann" geht in den Ruhestand.
Es gibt viel zu tun im Sportkreis, Ernst muss einen Umbruch moderieren, der auch vor der Sportkreis-Führung nicht Halt macht. Nicht mehr zur Verfügung stehen die stellvertretenden Vorsitzenden Roland Dworschak und Bernhard Wieland, die sich nach vier Jahrzehnten Vorstandsarbeit zurückzuziehen und am Montag zu Sportkreis-Ehrenmitgliedern ernannt wurden. Dafür setzt Herwig Werschak seine Amtsgeschäfte fort, genauso wie Schriftführer Hans-Ingo Appenzeller. "Es ist wichtig, dass Hans-Ingo weitermacht. Wir ticken ähnlich", sagt Ernst und ergänzt: "Ich freu’ mich."
Ob er genauso lange im Amt sein wird wie Josef Pitz? 21 Jahre? Willi Ernst lacht, als er diese Frage hört. "Neee", antwortet er dann. "Neee."