Die Hände zum Himmel (v.l.): Das deutsche Team um Rob Muffels, Sören Meißner, Sarah Köhler und Lea Boy bejubeln auf dem Podium den Gewinn der Goldmedaille. Foto: dpa
Von Andreas Morbach
Gwangju/Köln. Sarah Köhlers persönlicher Strategiewechsel liegt mittlerweile zehn Monate zurück - und die erste Zwischenbilanz fällt positiv aus. "Ich wollte noch einmal einen neuen Reiz setzen. Und ich glaube, das ist mir mit diesem Trainerwechsel ganz gut gelungen", sagt die 25-jährige Langstreckenschwimmerin im Gespräch mit dieser Zeitung.
Im September 2018 wechselte Köhler vom Olympiastützpunkt Heidelberg in die Hauptstadt von Sachsen-Anhalt. Zu ihrem Freund Florian Wellbrock, der damals bereits seit vier Jahren in Magdeburg lebte.
"Das ist ein schöner Nebeneffekt. Aber mehr auch nicht", erwähnt die gebürtige Hanauerin, die am Donnerstag mit der Freiwasser-Staffel des DSV überraschend WM-Gold gewann - und die beim ihrem Umzug im vergangenen Herbst bereits der lange Schatten von Tokio begleitete. Wegen der Wohnungsfrage, die das erfolgreiche Schwimmerpaar klären musste.
"Von 500 Kilometer Entfernung direkt auf einen Haushalt umzuwechseln - und wenn es dann doch schiefgeht? Man weiß ja nie, was vor Olympia 2020 passiert. Im Zweifelsfall müsste man einen gemeinsamen Haushalt auflösen, und das wollte eigentlich keiner von uns beiden", erklärt Köhler und erwähnt: "Wir wohnen tatsächlich getrennt. So hat jeder noch seinen Freiraum, das haben wir beide gerne. Und es kommt selten vor, dass wir die Abende getrennt verbringen."
Als Weltmeister - auf der olympischen Zehn-Kilometer-Strecke - reiste unter der Woche auch Florian Wellbrock von der Küstenstadt Yeosu ins Landesinnere. Zu den Wettkämpfen der Beckenschwimmer in Gwangju - wo der 21-Jährige über 800 und 1500 Meter Freistil als DSV-Kandidat mit den größten Medaillenchancen antritt. Am Edelmetall kratzen oder womöglich auch danach greifen dürften neben seiner Lebensgefährtin am ehesten Philip Heintz (200 Meter Lagen), Franziska Hentke (200 Meter Schmetterling) und Marco Koch (200 Meter Brust).
Die Rennen im WM-Pool überwacht Wellbrocks und Köhlers Heimtrainer Bernd Berkhahn ab Sonntag erstmals als Teamchef. Wobei der 48-Jährige in der neuen Doppelrolle aus dem Werk seines Vorgängers, dem kurz vor Weihnachten zurückgetretenen Chefbundestrainer Henning Lambertz, als erstes die strengen Normen einkassierte. Zudem räumte Berkhahn den Heimtrainern mehr Freiheiten ein.
Lambertz monierte zuletzt, momentan dürfe im nationalen Schwimmsport jeder trainieren, wie er wolle. In der Süddeutschen Zeitung platzierte Thomas Kurschilgen, Leistungsportdirektor beim DSV, daraufhin einen scharfen Konter: Er bemängelte, unter Lambertz habe es "eine extreme Polarisierung im Trainerteam" gegeben - und "eine gnadenlose Konzeptdoktrin, an der sich nur wenige orientieren wollten". Woraufhin Lambertz retournierte, Kurschilgen mache sich die Welt in "Pippi-Langstrumpf-Manier" wie sie ihm gefalle - und sei "ausschlaggebend" für seinen Rückzug gewesen.
Mit der Doppelspitze aus Teamchef Berkhahn und Teamcoach Hannes Vitense, der in Südkorea aus gesundheitlichen Gründen fehlt und vom früheren Biedermann-Erfolgstrainer Frank Embacher vom Stützpunkt Leipzig vertreten wird, soll es im deutschen Schwimmsport nun wieder gnädiger zugehen. Medaillenprognosen für die WM gibt Berkhahn keine ab. Lieber erwähnt er, dass Deutschland im internationalen Vergleich - etwa mit den USA - trotz gemilderter Normen weiterhin eine höhere Messlatte anlege. Und nennt als positives Beispiel Brustschwimmer Marco Koch.
"Er konnte in diesem Jahr sehr früh die WM-Norm unterbieten. Damit hatten er und seine Trainerin Shila Sheth in Frankfurt die Möglichkeit, eine langfristige Vorbereitung für die Weltmeisterschaft zu gestalten - auch eine Art von Freiheit", argumentiert Berkhahn. Ganz im Sinne seiner Magdeburgerin Schülerin Sarah Köhler.
Nach den kurz aufeinander folgenden Rücktritten von Präsidentin Gabi Dörries und Chefcoach Lambertz im Dezember habe es "natürlich erst mal ein bisschen Unruhe" unter den Sportlern gegeben. "Viele Athleten", erzählt Köhler, "fragten sich: Wie geht es jetzt weiter?" Mittlerweile sei aber wieder Ruhe eingekehrt, erwähnt die EM-Zweite über 1500 Meter Freistil von 2018 und betont: "Ich glaube, mit den jetzigen Maßnahmen sind wir auf einem guten Weg."