Formel 1 auf dem Hockenheimring

Vettel fliegt, Hamilton siegt

Das Heimspiel am Hockenheimring wird für Sebastian Vettel zum Debakel - Herber Rückschlag im Titelkampf - "Ich habe es vermasselt"

22.07.2018 UPDATE: 23.07.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 43 Sekunden

Aus der Traum: Die vielen deutschen Fans, die zuvor noch das Motodrom in ein schwarz-rot-goldenes Farbenmeer verwandelt hatten (r.o.), können es nicht fassen - Lokalmatador Sebastian Vettel crasht in Führung liegend (links) und macht damit den Weg frei für einen Doppelsieg der Silberpfeile Lewis Hamilton und Valtteri Bottas. Fotos: vaf (2) / dpa

Von Christoph Ziemer

Hockenheim. Erst hämmerte er mit beiden Händen auf sein Lenkrad. Als Sebastian Vettel nach dem Malheur aus seinem gestrandeten Ferrari geklettert war, trat er gegen die Steinchen im Kiesbett. Doch es half alles nichts: Der Titelaspirant setzte seinen Traum vom ersten Hockenheim-Sieg in die Mauer. Es waren dramatische Szenen, die sich gestern im Motodrom abspielten.

Zunächst hatte alles auf eine Triumphfahrt des Lokalmatadors hingedeutet. Nach dem Start konnte sich Vettel sofort absetzen und seinen Vorsprung auf Mercedes-Fahrer Valtteri Bottas verwalten. Kimi Raikkönen, der zwischenzeitlich aufgrund eines vorgezogenen Boxenstopps in Runde 15 und deutlich frischeren Reifen geführt hatte, musste Vettel in Runde 39 wieder passieren lassen. Lewis Hamilton hatte sich in der Zwischenzeit von Startplatz 14 bis auf Rang fünf vorgearbeitet. Und wäre dort wohl auch geblieben, wenn nicht plötzlich der Regen eingesetzt hätte.

Trotzdem fuhren die meisten Piloten einfach auf Trockenreifen weiter. Als das Schlimmste bereits vorbei zu sein schien, beging der Ferrari-Fahrer den verhängnisvollen Fehler, der ihn den bereits sicher geglaubten Sieg kostete. In der Sachskurve vertat sich Vettel kurz nach der Einfahrt ins Motodrom und buchte einen Abflug ins Kiesbett. "Ich habe es vermasselt", zitterte die Stimme des Deutschen, bevor er fassungslos aus dem Auto stieg. Die holländischen Fans sprangen jubelnd von ihren Sitzen auf, während sich die Ferraristi völlig konsterniert an den Kopf fassten.

Sehr rutschig sei die Fahrbahn gewesen, versuchte sich der Heppenheimer im Anschluss zu erklären: "Ein kleines bisschen zu spät gebremst, die Hinterräder haben blockiert und dann war es einfach die falsche Stelle. Es war mein Fehler. Ich muss mich beim Team entschuldigen, sie haben alles richtig gemacht." Es war ein Fehler, der Vettel besonders teuer zu stehen kommt. Statt eines zweistelligen Vorsprungs in der WM und kräftig Rückenwind im Gepäck muss er nun mit 17 Punkten Rückstand auf Lewis Hamilton nach Ungarn reisen.

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Durch die Safety-Car-Phase nach dem Vettel-Crash gingen alle Autos vor Hamilton an die Box - der Brite hatte erst kurz davor seine Pneus gewechselt und erbte die Führung, die er nicht mehr abgeben sollte. Denn ebenso wenig wie es Raikkönen zuvor konnte, durfte Valtteri Bottas im zweiten Mercedes nach der Safety-Car-Phase seinen Chef attackieren.

Vettel versuchte, dem Heimdrama noch etwas Positives abzugewinnen. "Ich glaube, ich habe schon schlimmere Fehler gemacht", sprach der geknickte Deutsche. "Es ist bitter in dem Moment, aber es ist halt so. Mich tröstet, dass wir ein gutes Auto haben. Man darf nicht zu hart mit sich ins Gericht gehen."

Ob man das aber auch in Italien so sieht? Nach dem Startunfall in Frankreich hat Vettel nun auch in Deutschland in einem siegfähigen Auto einen möglichen Erfolg verspielt - die Geduld der Leid gewohnten Ferraristi dürfte auch jenseits der Alpen irgendwann an ihre Grenzen geraten.

RTL-Kommentator Nico Rosberg zeigte Mitgefühl mit seinem langjährigen Rivalen - kritisierte ihn jedoch auch: "Es waren extrem harte Bedingungen für alle da draußen. Trotzdem hatte er keinen Druck von hinten. Er hätte auch Gas rausnehmen können. So etwas darf eigentlich nicht passieren." Pünktlich zur Siegerehrung ging ein heftiges Gewitter über dem Hockenheimring herunter - die Fans auf den nicht überdachten Tribünen traten die Flucht nach vorne an, während auf dem Podium alle Fahrer und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer eine unfreiwillige Dusche nahmen.

Hamilton siegt, Vettel fliegt - im Titelkampf war das Heimspiel für Sebastian Vettel ein herber Rückschlag. Dabei hätte es für die deutschen Fans das perfekte Wochenende werden können. 165.000 Fans am gesamten Rennwochenende, 71.000 Zuschauer allein am Sonntag, eine fantastische Atmosphäre im Motodrom - Erinnerungen an längst vergangene Schumacher-Zeiten wurden wieder wach, als die Fans kurz vor dem Start im gesamten Motodrom eine riesige Deutschland-Fahne als Choreografie bildeten.

Trotz eines im Vorfeld nicht für möglich gehaltenen Zuschaueransturms gab es in Hockenheim nicht nur positive Nachrichten. Am Samstag nach dem Qualifying hatten die Veranstalter offenbar nicht mit so vielen Fans gerechnet - zwischen Süd- und Haupttribüne blockierten sich Hunderte von Zuschauern in beide Richtungen fast eine halbe Stunde lang. Zu einer durchaus möglichen Panik kam es nur deshalb nicht, weil die Fans die Ruhe behielten.

Die Rückkehr der Formel 1 nach Deutschland kann dennoch als Erfolg verbucht werden. Gute Stimmung, volles Haus, ein starker fünfter Rang von Nico Hülkenberg im Renault - nur mit dem Sieg in Hockenheim muss sich Sebastian Vettel weiter gedulden.

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