Von Heiko Schattauer
Region Mosbach. Fußballer sind ja ein bisschen eigen, das ist nichts Neues. Der eine muss immer erst den linken Kickschuh anziehen, der andere kann nicht ohne seine alte Radlerhose auflaufen, wieder andere müssen sich bekreuzigen, wenn sie den heiligen Rasen betreten. Und wenn bei all den mehr oder weniger eigenen Fußballern – so wie aktuell wegen Corona und allem, was an diesem fiesen Virus so dran hängt – kein Fußball ist, dann muss ein Ersatz her. Fußball von früher zum Beispiel. Beim Streamingdienst "DAZN" hat man in der Corona-Zwangspause blitzschnell reagiert, kontert mit Klassikern wie der "Mutter aller Niederlagen" gegen aufkommende Entzugserscheinungen.
RNZ-Serie "SPIELE DES LEBENS"
Volltreffer! Denn das Trauma des FC Bayern im Champions-League-Finale 1999 ist für viele Fußballfans eines der Spiele, die man eigentlich nie vergisst. In der RNZ wollen wir solche Spiele noch einmal individuell beleuchten. Denn auch wenn es sicher immer wieder Schnittmengen – wie etwa das Weltmeisterschaftsfinale 2014 – gibt, dürften die ganz persönlichen "Spiele des Lebens" von (ehemaligen) Fußballern, Trainern und Funktionären auch jeweils eine eigene Note tragen, eigene Beteiligungen inklusive. Die erste Steilvorlage wird ganz eigennützig selbst verwertet, das sind meine fünf Spiele des Lebens:
1 Champions-League-Finale 2005 – AC Milan - FC Liverpool 5:6 n.E.: Dieses Endspiel hatte einfach alles – Klasse, Rasse, tragische Momente, große Helden und eine unfassbare Dramaturgie. 3:0 führte ein spielerisch und personell überlegener AC Mailand im Atatürk-Stadion von Instanbul gegen den FC Liverpool zur Halbzeit. Das Ding war durch. Was dann in der zweiten Hälfte, in Verlängerung und Elfmeterschießen folgte, ist Fußballgeschichte, wie man sie besser nicht schreiben kann. Und die am Ende eine Mannschaft als strahlenden Sieger hinterließ, die bewies, was der schiere Wille im Fußball bewegen kann.
2 Weltmeisterschaft 2014 Finale – Deutschland - Argentinien 1:0 n.V.: Wie oft darf man in seinem Leben einen WM-Titel mitbejubeln? Eben! Schon wegen seiner Exklusivität muss das Endspiel von Rio de Janeiro in die Top-Five, für das WM-Finale 1974 war ich leider zu spät dran und 1990 haben mir irgendwie Glanz und persönlicher Zugang gefehlt. Der Triumph von Schweini und Co. war dagegen so verdient, dass man vor Fußballglück fast geplatzt ist, als Götze in der 113. Minute die Aufforderung von TV-Kommentator Tom Bartels – "Mach’ ihn, Mach’ ihn" – mit dem besten Moment seiner Fußballkarriere umsetzte. Ganz großes Gefühls-Kino, auch Jahre später noch ...
3 Champions-League-Finale 1999 - FC Bayern München - Manchester United 1:2: Komisch, oder? Dass einem als Bayern-Sympathisant diese Fußball-Tragödie mehr hängen bleibt als der Gewinn der Königsklasse ein paar Jahre später. Fluchend verabschiedete sich damals beim gemeinsamen "Finalwatching" ein guter Freund auf die Toilette, nachdem Teddy Sheringham unmittelbar vor Ende der regulären Spielzeit zum 1:1 für ManU ausgeglichen hatte. In der sicheren Annahme weiterer 30 Verlängerungsminuten. Als er zurück kam, war er zwar erleichtert, aber eben auch alles vorbei – und der Name Ole-Gunnar Solskjær für immer ins Fußballgedächtnis gebrannt.
4 Verbandsliga-Saison 2004/05: SV Schollbrunn - 1. FC Pforzheim 4:3: So, jetzt geht’s weit runter, bis in die Niederungen der Verbandsliga Nordbaden. Oder besser: Bis in die Höhenlagen – denn dorthin musste der prominent aufgerüstete 1. FC Pforzheim am 31. Spieltag reisen. "Scheiße, wo bin ich denn hier hin geraten", schwante Kurzzeit-FC-Trainer Uwe Reinders schon beim ersten Anblick der für einen Ex-Profi eher rustikal wirkenden Spielstätte im Schollbrunner Wald Böses. Nach 90 sensationell unterhaltsamen Spielminuten hatte der Underdog aus dem Odenwald die Promitruppe aus der Goldstadt mit 4:3 niedergespielt – der Starcoach war endgültig bedient und ein unvergessliches Spiel gewonnen.
5 F-Junioren-Spieltag in Haßmersheim, Juli 2017:Ja, zugegeben, das ist nur ein geborgtes Spiel des Lebens. Aber für einen Fußballer ist es eben was Besonderes, wenn der eigene Sohn sein erstes echtes Match bestreitet – und dann auch gleich noch trifft. Das beste daran: Ein Freund hat das erste Tor gefilmt, der Moment kann in der fußballlosen Zeit immer wieder aufs Neue belebt und bejubelt werden – ganz ohne Streamingdienst.
> Im nächsten Teil der RNZ-Reihe berichtet Ex-Bundesliga-Profi Stefan Strerath über seine "Spiele des Lebens".