Von Nikolas Beck
Heidelberg. Eine Online-Partnerbörse wirbt mit dem Slogan, alle elf Minuten verliebe sich ein Single auf ihrer Seite. Die Vermittlungsquote einer Tageszeitung dagegen ist unbekannt. Zumindest zur Liebe von Heidelbergs bestem Basketballer Shy Ely und seiner Frau Anna hat die RNZ aber entscheidend beigetragen.
Doch der Reihe nach: Im Spätsommer 2013 ist Anna Mohtaschemi gerade fürs Studium nach Heidelberg gezogen und versucht sich mit ihrem Vater im Neuenheimer Feld zurechtzufinden. Auf der Suche nach dem Weg soll der junge Mann auf der anderen Straßenseite helfen. Findet zumindest der Herr Papa: "Er hat mich überredet, ich wollte ihn eigentlich gar nicht ansprechen", erinnert sich die heute 27-Jährige an die erste Begegnung mit Shy Ely, ihrem späteren Ehemann.
Der ist damals selbst erst wenige Wochen in Heidelberg, bereitet sich mit seinem neuen Klub, den MLP Academics, auf die Saison vor – "und ich war keine große Hilfe", gibt Shy zu. "Er kannte den Weg nicht und dann ist mir auch noch das passende englische Wort nicht eingefallen", muss Anna schmunzeln. Wenn Funken sprühen, sieht das jedenfalls anders aus.
Und hier kommt die RNZ ins Spiel: Als der Vater am selben Tag den Sportteil durchblättert, entdeckt er einen Artikel über Ely und erkennt ihn wieder. Anna findet den US-Amerikaner in einem Sozialen Netzwerk, schickt ihm den Bericht – und heute, sechseinhalb Jahre später, sind die Elys zu dritt. Sohn Henri Imari kam am 26. Januar auf die Welt.
Es war der glücklichste Tag im Leben des 32-jährigen Flügelspielers. Aber auch der Tag, an dem Shy Ely sein großes Vorbild verlor. Von Kobe Bryants Helikopter-Absturz erfuhr er im Krankenhaus, kurz vor der Geburt. "Kobe Bryant ist tot? Ich konnte es nicht laut aussprechen", berichtet er von der emotionalen Achterbahnfahrt an jenem Sonntag: "Einerseits war ich geschockt und fassungslos, andererseits war ich so unfassbar stolz auf meine Frau und diesen wunderschönen kleinen Jungen, der ein Teil von mir ist."
Als Spieler habe er früher eigentlich LeBron James favorisiert, sagt Ely im Gespräch mit der RNZ – kurz bevor er seine Sporttasche öffnet und grinsend ein Shirt mit Bryant-Aufdruck und "Kobes", die berühmten Basketballstiefel, hervorholt.
Elys Bewunderung für die Lakers-Legende hat auch viel mit einer schweren Verletzung zu tun. Nach einer erfolgreichen Debüt-Saison in Heidelberg zog es Ely nach Frankreich, zum Erstligisten Le Mans. Ein zweites Engagement 2015 bei den Academics dauerte nur wenige Wochen, weil er in Crailsheim die Chance bekam, Bundesliga zu spielen. Im darauffolgenden Sommer dann der Schock: Riss der Achillessehne. Kurz vor dem 29. Geburtstag: "Ich saß zu Hause in Indiana und habe natürlich über ein mögliches Karriereende nachgedacht." Kobe Bryant hatte sich drei Jahre zuvor die gleiche Verletzung zugezogen. Aus einer Dokumentation über dessen Weg zurück auf den Court zog Ely Kraft.
So kann er heute auch mit einem Lächeln davon berichten, wie er mal wegen dem Superstar aus einer Umkleide geworfen wurde. Seine ersten Körbe als Profi warf Ely für das D-League Team Iowa Energy. "Wir hatten ein Auswärtsspiel bei den LA Defenders, die in derselben Halle wie die Lakers spielten", erinnert sich Ely an den hektischen Security-Mitarbeiter, der die Kabine räumen ließ. "Alle raus, alle raus", habe er gerufen: "Kobe bekommt hier gleichen einen Haarschnitt." Welch ein "Boss-Move" von Kobe, habe er damals gedacht. Heute sagt Ely, Bryants unbändiger Wille, dessen Arbeitseinstellung und Siegermentalität seien eine Inspiration.
In Heidelberg angekommen: Seit 2017 trägt Shy Ely erneut das Academics-Trikot. Foto: Thomas DisquéNicht weniger wichtig für die weitere Laufbahn war 2016 ein Anruf aus Deutschland: Academics-Manager Matthias Lautenschläger bot dem Verletzten an, seine Reha beim Zweitligisten fortzusetzen. Ely: "Dafür bin ich ihm ewig dankbar." Wohlwissend, dass er eine "herausragende medizinische Betreuung" durch Mannschaftsarzt Dr. Markus Weber und dessen Team von der Sportopaedie sowie Physiotherapeut Christos Karavassilis erhalten würde, konnte Heidelbergs Nummer fünf nicht ablehnen.
Der Plan ging auf: Ely zahlte das in ihn gesetzte Vertrauen zurück, wurde fit und hat seither das Academics-Trikot nicht mehr eingetauscht. "Ein enges Vertrauensverhältnis" habe sich entwickelt, sagt Lautenschläger, der daher auch nicht lange zögerte, als Ely mit einem ungewöhnlichen Wunsch auf seinen Vorgesetzten zukam: Im Oktober traten Shy und Anna vor den Altar – mit Lautenschläger als Trauzeugen.
Die Stadt am Neckar ist längst zur zweiten Heimat – und Ely zum Gesicht der Academics geworden. Wer an der Baustelle des SNP Domes an der Speyerer Straße vorbeifährt, sieht den "Swingman" überlebensgroß auf einem Banner an der Fassade. Er träumte davon, dort in der kommenden Saison in der Bundesliga zu spielen. Der Aufstiegstraum platzte im Dezember auf schmerzvolle Art und Weise: Wegen eines Ermüdungsbruchs der Kniescheibe war die Saison für Ely schon vor dem Corona-K.o. beendet.
Bei Dr. Markus Weber und seinem Team – hier bei einer Kontrolle in dieser Woche – fühlt er sich bestens aufgehoben. Foto: privat"Das ist eine ungewöhnliche und schwere Verletzung", weiß Dr. Weber, der im Januar die Operation durchführte. Inzwischen sei Ely aber "auf einem sehr guten Weg", so Weber, der bereits seit 2004 Heidelbergs Korbjäger betreut. "Er ist ein Ausnahmespieler, ein konsequenter und fokussierter Profi, der auch während der Reha zu 100 seine Arbeit macht – und dazu noch ein super Typ."
Und so kann auch der Doktor nur unterschreiben, was Lautenschläger und Trainer Branislav Ignjatovic prognostizieren: Wenn einer es erneut schafft, nach einer schweren Verletzung zurückzukommen, dann Shyron Quonell Ely.