Von Nikolas Beck
Heidelberg. Die erste Überraschung gab’s beim Blick auf die Startformation. Niklas Würzner, Heidelbergs Spielmacher und somit praktisch der verlängerte Arm des Trainers auf dem Parkett, stand zwar im Aufgebot - musste zu Beginn aber erst einmal auf der Bank Platz nehmen. Ein Einsatz des 24-Jährigen war lange auf der Kippe gestanden, weil er bis einschließlich Freitag das Bett hatte hüten müssen. Würzner, naturgemäß nicht bei 100 Prozent, biss auf die Zähne, hielt 21 Minuten durch - und half entscheidend mit, dass die MLP Academics Heidelberg gegen die Tigers Tübingen gestern Abend einen souveränen 88:73 (39:36)-Erfolg feiern konnten.
Academics-Coach Branislav Ignjatovic sprach von einem "sehr, sehr souveränen Sieg". Der Serbe, dem an Spieltagen nicht unbedingt der Schalk im Nacken sitzt, war so zufrieden, dass er sich mit seinem jungen Playmaker sogar einen Spaß erlaubte. "Ich habe Niki eben schon gesagt", plauderte Ignjatovic bei der obligatorischen Pressekonferenz aus, "dass das vielleicht unser neues Erfolgsrezept ist: Unter der Woche nicht trainieren - und dann frisch und ausgeruht von der Bank kommen." Würzner verteidigte aufopferungsvoll, zog viele Fouls, markierte elf Zähler und setzte immer wieder seine Mitspieler geschickt in Szene. Ignjatovic, diesmal ernsthaft: "Er hat heute ein richtig gutes Spiel gemacht, entscheidende Impulse von der Bank gesetzt."
Worte, die der 52-jährige Basketballlehrer auch gut und gerne an Niklas Ney hätte richten können. Auch der 23-jährige Center zeigte von der Bank eine reife Leistung, blieb in seiner Viertelstunde auf dem Feld bei fünf Versuchen ohne Fehler und war einer von gleich sechs Heidelbergern, die zweistellig punkteten. Zwar wollte der bescheidene gebürtige Berliner anschließend lieber erst einmal über seine beiden verworfenen Freiwürfe reden, dann ließ er sich aber zumindest noch entlocken: "Ich konnte meine Zeit nutzen, um dem Team zu helfen, und das macht mich schon ein bisschen stolz."
Ney, Kapitän Phillipp Heyden und auch Dan Oppland, also die lange "Akademiker"-Garde, standen schnell im Fokus. Denn von Beginn an wurde vor allem Basketball gearbeitet. Wenn der Tabellenzwölfte, der eigentlich mal angetreten war, um aufzusteigen, bei einer Mannschaft zu Gast ist, die abermals nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte war und zuletzt eine überraschende Niederlage beim Schlusslicht kassiert hatte, dann sind Kunststücke und Zaubereien eben erst einmal nicht gefragt.
Immer wieder ging der Ball unter die Körbe. Dorthin, wo die großen, schweren Jungs ihre Arbeit verrichten. Offensiv machten Oppland, Heyden und Ney ihre Sache gut. Und weil mit der Schlusssirene des ersten Viertels Shy Ely auch endlich einen Wurf aus der Distanz für drei Punkte durch die Reuse jagte, lagen die Hausherren mit 24:15 in Front.
Dass die Arbeit an den Brettern allerdings nicht zwingend eine Kernkompetenz der Heidelberger ist, zeigte sich im zweiten Abschnitt. Tübingens Enosch Wolf, Sohn des ehemaligen USC-Spielers Horst "Horscheck" Wolf, punktete in der Zone nach Belieben, kam am Ende auf 23 Punkte. Und die Tigers, die sich am vergangenen Wochenende von Trainer Sasa Nadjfeji getrennt und "Schorsch" Kämpf zurückgeholt hatten, sicherten sich alleine vor der Pause sieben zweite Chancen, sodass es mit einem knappen 39:36 in die Kabine ging.
Näher kamen die Gäste aber nicht mehr heran. "Der Start der zweiten Halbzeit war der Schlüssel zum Erfolg", sagte Eric Palm, der erstmals seit 9. Dezember wieder knapp zehn Minuten mitwirken konnte. "Da haben wir in der Defensive eine Schippe draufgepackt, den Vorsprung ausgebaut und Tübingen nicht mehr zurück ins Spiel gelassen." Zwar verkürzte der Bundesligaabsteiger sechs Minuten vor Schluss noch einmal auf 63:70, doch nach einer Auszeit sorgten die Academics schnell dafür, dass sich bei keinem der 1045 Zuschauer im Olympiastützpunkt Angstschweiß-Perlen auf der Stirn bildeten.
Stenogramm: 10:12 (5.), 24:15 (1. Viertel), 31:21 (13.), 37:31 (18.), 39:36 (Halbzeit), 49:38 (24.), 65:50 (28.), 67:54 (3. Viertel), 70:63 (34.), 82:65 (38.), 88:73 (Endstand).
Heidelberg: Ely 17 (2 Dreier), Smith 16 (2), Oppland 16, Würzner 11 (1), Heyden 10, Ney 10, Schmitt 2, Liyanage 2, Palm 2, Schöpe 2.
Tübingen: Wolf 23 (1), Timmer 14 (2), Laser 12 (2), Grabauskas 10, Bekteshi 6 (2), Allen 5, Harper 3, Djurasovic, Nadjfeji. Brennan.