Siebenjährige Autistin aus Eppelheim

Sophias steiniger Weg zur Schule

Sophias Eltern kämpften über Monate mit den zuständigen Stellen - Der Ausgang ist noch immer ungewiss

05.09.2017 UPDATE: 06.09.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 47 Sekunden

Artur Hanukaev und Anastasia Kutschma wollen ihrer Tochter Sophia eine gute Zukunft ermöglichen. Foto: Geschwill

Von Anja Hammer

Eppelheim. In wenigen Tagen naht der Moment, für den Artur Hanukaev und seine Frau Anastasia Kutschma über ein Jahr gekämpft haben. Dann geht ihre siebenjährige Tochter Sophia zur Schule. Bis dahin war es ein schwerer Weg für die Eppelheimer Familie. Sophia ist nämlich Autistin. Doch spezielle Schulen für Autisten gibt es in der Region nicht. Entscheidend ist jeweils, welcher Bereich von der Entwicklungsstörung besonders betroffen ist. Während das Schulamt überzeugt war, dass das Mädchen auf eine Sonderschule für Geistigbehinderte gehört, wollten die Eltern dies verhindern. Über ein Jahr kämpften sie gegen ein System, von dem sie inzwischen glauben, dass es nur die Sonderschulen füllen soll. Und nun wissen sie wenige Tage vor Schulbeginn immer noch nicht, auf welche Schule ihre Tochter geht.

Sophia liegt seelenruhig auf dem Sofa in der Eppelheimer Wohnung und schaut Fernsehen. Auf den ersten Blick, merkt man nicht, dass sie anders ist als andere Mädchen in ihrem Alter. Als Sophia eineinhalb war, merkten ihre Eltern zum ersten Mal, dass mit ihr etwas nicht stimmt. "Sie hat nicht gesprochen und hatte einfach kein Interesse an Kommunikation", erinnert sich Anastasia Kutschma. Als bei ihrer Tochter frühkindlicher Autismus diagnostiziert wird, setzt sich Kutschma als studierte Pädagogin mit dem Thema auseinander. "Ich habe viel getan, um meine Tochter zu entwickeln", sagt die 39-Jährige. "Sie konnte mit drei Jahren schon lesen." Auch zwischen Deutsch und Russisch - Letzteres wird bei der Spätsaussiedlerfamilie zu Hause gesprochen - könne sie übersetzen. Die Eltern sind also überzeugt: "Sophia ist geistig fit."

Vor den Problemen verschließen sie dabei nicht die Augen: "Neue Situationen sind schwierig für sie", erklärt Anastasia Kutschma die Entwicklungsstörung ihrer Tochter. "Dann schreit sie und wirft sich auf den Boden." Daher beschäftigten sich die Eltern frühzeitig mit dem Thema Schule. Und spätestens seit ihre Tochter in den integrativen Kindergarten "Pusteblume" in Heidelberg-Rohrbach geht und sie sehen, wie sehr die Siebenjährige "von normalen Kindern profitiert", steht für sie fest: Sophia soll mit Begleiter auf eine normale Schule.

Und diese Entscheidung brachte der Familie in den letzten Monaten viel Ärger, Frust und Enttäuschung. So hätten sie erst viel später davon erfahren, dass sich die Autismus-Beauftragte des Staatlichen Schulamts wöchentlich mit Sophia im Kindergarten zusammensetzte. "Wir wurden nie gefragt", so ihr Vater. "Es wäre schön zu wissen, wer mit unserer Tochter arbeitet", fügt Anastasia Kutschma hinzu. Doch das ist nur eine Episode von vielen. Wenn Hanukaev und Kutschma über das letzte Jahr reden, sind sie kaum zu bremsen. Vor ihnen liegt ein Aktenstapel. Inzwischen dokumentieren sie alles ganz genau. Zu viel hat sich ereignet, zu viele Gespräche mit Schulen, Behörden und Spezialisten gab es, zu oft wurden Zusagen nicht eingehalten.

Denn am Ende steht ein Bescheid, der Sophia als geistig behindert einstuft und bestimmt, dass sie auf die Comeniusschule nach Schwetzingen soll. Für die Eltern ein Unding: "Sophia ist nicht geistig behindert!" Sie wollen nicht, dass ihre Tochter "nur malt". Sie wollen ihrer Tochter eine Zukunft ermöglichen. Das Argument einer Autismus-Beauftragten, dass ihre Tochter an einer anderen Schule keine Freunde finde, lassen sie nicht gelten: "Sophia ist Autistin - sie wird niemals Freunde haben."

Die zuständige Mitarbeiterin im Staatlichen Schulamt war übrigens für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Der Leiter des Schulamts, Hartwig Weik, betonte auf RNZ-Anfrage: "Es geht um das Kind." Dieses wolle seine Behörde so optimal wie möglich fördern. Und wenn das Kind einen Anspruch auf sonderpädagogische Bildung habe, dann hätten die Eltern ein Wahlrecht.

Doch für dieses Wahlrecht müssen Sophias Eltern kämpfen: Sie engagieren eine Kinderpsychiaterin für ein externes Gutachten, nehmen sich eine Anwältin. Nicht, weil sie nicht einsehen, dass ihre Tochter behindert ist. Sondern, weil sie nicht wollen, dass ihre Tochter als geistig behindert gilt. Die Kinderpsychiaterin gibt ihnen Recht - und am Ende ändert auch das Schulamt seinen Bescheid. Darin wird Sophia nun Autismus mit Schwerpunkt körperlicher Behinderung bescheinigt.

Damit ist Sophias steiniger Weg zur Schule aber noch nicht zu Ende. Denn noch immer warten ihre Eltern auf Nachricht vom Schulamt, auf welche Schule ihre Tochter geht: Klappt es mit der Stephen-Hawking-Schule in Neckargemünd, mit der die Eltern Kontakt aufgenommen hatten? Oder wird es doch die Martinsschule in Ladenburg, die das Schulamt vorgeschlagen hatte? Zwar gibt es mündliche Zusagen für die Neckargemünder Privatschule, doch Hanukaev und Kutschma haben in den letzten Monaten eines gelernt: Darauf ist kein Verlass.

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