Heilbronn

Initiative lässt rechte Szene nicht locker

"Wehret den Anfängen" zu den rechten Umtrieben rund um das "Soldatengrab in Herbolzheim".

21.08.2022 UPDATE: 21.08.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 27 Sekunden
Auch auf einem Heilbronner Hauptfriedhof findet sich ein Grab mit einer Inschrift, die die Bundeswehr in ihrem dienstlichen Einflussbereich verboten hat, weil sie an eine Nazi-Parole erinnert. Foto: Fritz-Kador

Von Brigitte Fritz-Kador

Heilbronn. Der junge Mann, der bei der letzten Veranstaltung von "Wehret den Anfängen" im Heilbronner Kaffeehaus Hagen neben Gunter Haug sitzt, ist Timo. Tatsächlich heiße er anders und er solle auch nicht fotografiert werden, sagt Veranstalter Haug. Timo gehört zu denen, die rechte Umtriebe so umtreiben, dass er ihnen konsequent nachgeht und deshalb gefährlich lebt.

Was Timo berichtet, ist eine einzige Bestätigung dafür, wie lebendig und gut vernetzt die rechte Szene ist – auch hierzulande –, und wie sie sich immer mehr ausbreitet. Dazu zählen auch jene, für die das "Soldatengrab in Herbolzheim" immer noch ein Wallfahrtsort ist. Sie müssen sich nicht verstecken – im Gegenteil. Viele ihrer Aktivitäten geschehen offen und berufen sich auf eine Tradition, die gerade im nahen Hohenlohe unausrottbar präsent zu sein scheint. Schon Fürst Ernst II. von Hohenlohe-Langenburg (1863–1950) hielt Hitler für "ein Geschenk Gottes", seine in der NS-Frauenschaft aktiven Töchter teilten seine Gesinnung.

Derzeit sieht es so aus, dass man zwar von offizieller Seite diese Aktivitäten kennt; wenn es um Konsequenzen dazu geht, aber lieber nach dem Motto "Wer hängt der Katz die Schelle um?" verfährt und vor allem auf Zeit spielt. Das erlebt unter anderem Manfred Oschwald – auch er ist als in dieser Sache Engagierter bekannt und Gast beim Kaffeehausgespräch –, und teilweise dauerte es auch, bis RNZ-Nachfragen beantwortet wurden.

Hintergrund

> HIAG: 1959 entstand der als gemeinnützig anerkannte "Bundesverband der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS" mit rund 20.000 Mitgliedern – Abkürzung dafür ist "HIAG". Ziel war die Sorge für Hinterbliebene und Kriegsgräber sowie eine andere gesellschaftliche und juristische

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> HIAG: 1959 entstand der als gemeinnützig anerkannte "Bundesverband der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS" mit rund 20.000 Mitgliedern – Abkürzung dafür ist "HIAG". Ziel war die Sorge für Hinterbliebene und Kriegsgräber sowie eine andere gesellschaftliche und juristische Wahrnehmung von Angehörigen der Waffen-SS. Gründer, Funktionäre und Redner waren deren Offiziere, 1992 löste sich der Bundesverband auf, regionale Ableger existieren bis heute. Zeitweilig wurde er vom Verfassungsschutz beobachtet. Im Jahr 1958 wurde am Soldatengrab von Neudenau eine Tafel mit der Aufschrift "Treue um Treue den Opfern der Kriege" angebracht. Auch auf einem inzwischen aufgelassenen Grab auf dem Heilbronner Hauptfriedhof stand die Aufschrift noch im Jahr 2020, worüber die RNZ berichtet hat. (bfk)

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Weder beim Landratsamt, noch beim Regierungspräsidium, das wiederum auf die Zuständigkeit des Landratsamts verweist, noch im Innenministerium, sieht man konkreten Handlungsbedarf, beziehungsweise -möglichkeiten. Veranstalter, die die rechten Umtriebe vor Ort thematisieren wollen, finden keinen Saal oder sonstige Unterstützung; im Gegensatz zur rechten Szene, die manchenorts mehr als nur geduldet ist. Bei der letzten Demo am 8. Mai vor dem Soldatengrab – mit der Forderung "Friedensmahnmal statt SS-Pilgerstätte!" und gegen den Kult darum – ließ eine versammelte Schar von Sympathisanten keine Zweifel daran, von welcher Gesinnung sie sind und zu was sie bereit sind.

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Aus seinem Protokoll dazu informierte auch Oschwald die Zuhörer des Kaffeehausgesprächs, unter ihnen Rezzo Schlauch: "Circa 50 Teilnehmer versammelten sich am Soldatengrab. Bemerkenswert war das Verhalten einiger Herbolzheimer, darunter auch einige Männer, die sich demonstrativ vor uns aufbauten und die Veranstaltung, insbesondere meine Rede, mit ihren Handys filmten." Er berichtet von energischen Zwischenrufen wie "Das ist alles nicht wahr" und "Das sind unsere Soldaten" und stellte fest: "Tatsächlich waren wir froh, dass die Polizei bei der Veranstaltung präsent war."

Hintergrund

> Die Erläuterung des Innenministeriums zu den "konkreten Umständen und zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Versammlungsbeschränkungen": "Das Verbot einer Versammlung rechtsextremistischer Gruppierungen kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

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> Die Erläuterung des Innenministeriums zu den "konkreten Umständen und zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Versammlungsbeschränkungen": "Das Verbot einer Versammlung rechtsextremistischer Gruppierungen kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn sich ein Aufzug durch sein Gesamtgepräge mit den Riten und Symbolen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft identifiziert und durch Wachrufen der Schrecken des vergangenen totalitären und unmenschlichen Regimes andere Bürger einschüchtert oder wenn Rechtsextremisten einen Aufzug an einem speziell der Erinnerung an das Unrecht des Nationalsozialismus und den Holocaust dienenden Feiertag so durchführen, dass von seiner Art und Weise Provokationen ausgehen, die das sittliche Empfinden der Bürgerinnen und Bürger erheblich beeinträchtigen." (bfk)

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In der Antwort des Innenministeriums steht dagegen dies: "Das Soldatengrab in Neudenau-Herbolzheim ist dem Polizeipräsidium Heilbronn bekannt. Es liegen derzeit keine polizeilichen Erkenntnisse vor, wonach sich die Gedenkstätte zu einem Treffpunkt für Extremisten entwickelt hat. Zur Hilfsgemeinschaft HIAG Mosbach liegen keine polizeilichen Erkenntnisse vor."

Es nehmen nicht alle Herbolzheimer hin, dass die vermutlich 1958 von der HIAG Mosbach installierte Gedenkstätte nach wie vor Anhänger der Waffen-SS und Gesinnungsgleiche anzieht. Auf der Homepage der Stadt und offenbar auch im Gemeinderat – laut Sitzungsprotokollen – wird das Problem aber völlig umgangen. Dafür hat Oschwald die Vorgänge zum Grab breit und belegbar nachgeforscht: Alle im Grab bestatteten Soldaten der 17. Panzergrenadierdivision Götz von Berlichingen seien demnach nicht, wie immer betont werde, zu jung gewesen, um für das Gedankengut der Waffen-SS und deren Taten verantwortlich gemacht zu werden, und die "Traditionspflege" von SS-Anhängern am Grab sei durch "Zeugenaussagen und Fotos der niedergelegten Kränze und Grabbinden" gut belegt. Sein Fazit: Es könne keine Rede davon sein, dass das Soldatengrab nicht Gegenstand der Traditionspflege von rechten Gruppen ist.

Immer wieder gerät auch das Regierungspräsidium als Kommunalaufsicht dabei in den Fokus. Auf die RNZ-Anfrage kam die Antwort rasch, stellte einiges an Verantwortlichkeiten klar, wenn auch nicht bis in die letzte Konsequenz und erklärte auch die viel kritisierte Grabpflege und deren Finanzierung: "Wie bereits dargelegt, liegt in erster Linie die Zuständigkeit für diese Gräber vor Ort bei der Kommune Neudenau.

Die Zuständigkeit des RP Stuttgart bezieht sich lediglich auf die Förderung nach dem Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Gräbergesetz). Demnach können Kommunen nach dem zuvor genannten Gesetz Förderbeträge für Kriegsgräber aus Bundesmitteln erhalten." Die Stadt Neudenau erhalte "jährlich insgesamt 563,77 Euro aus Bundesmitteln als allgemeine Pauschale für Pflege und Instandhaltung, davon für Neudenau selbst 203,97 Euro und für den Friedhof in Herbolzheim für 14 Einzelgräber 359,80 Euro".

Es folgt noch der Hinweis "dass die oben genannte Förderung lediglich das Grab selbst, nicht aber den Gedenkstein der HIAG umfasst". Und weiter: Der besagte Gedenkstein der HIAG sei offenbar 1958 auf die Grabstelle gelegt worden, für seine mögliche Entfernung sei das RP nicht der richtige Ansprechpartner, hierfür müsse man sich an Neudenau wenden, es handele sich "um eine kommunale Selbstverwaltungsangelegenheit".

Und was sagt das Landratsamt Heilbronn dazu als Rechtsaufsichtsbehörde für Neudenau? Es kann "keinen Verstoß gegen kommunalrechtliche Vorschriften feststellen". Oschwalds Berichte von seinen Kontakten zum Landratsamt ("Denkmalpflege") sind eher frustrierend. Weitere Nachfragen ergaben, dass man dort inhaltlich im Abstand zum Grab steht, aber für sich keine Handhabe sieht, tätig zu werden.

Ein Schlüssel zur Lösung liegt in der Erklärung des Innenministeriums, wann das Grundrecht der Versammlungsfreiheit seine Grenzen findet. Dafür aber gibt es, entgegen dessen Ausführungen – siehe "Stichwort" – genügend Augenzeugen, die diese genannten Grenzüberschreitungen bestätigen können. Es fehlt also nur noch der, der der "Katz die Schelle" umhängt und Verantwortung übernimmt. Bei "Wehret den Anfängen" wird man jedenfalls nicht locker lassen: Bei der nächsten Veranstaltung geht es um "Rechtsextremismus international und seine Verbreitung in Deutschland".

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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