Waibstadt

Initiative bereitet Ankunft von Ukraine-Flüchtlingen vor

Die Erfahrungen von 2014/15 helfen. Derzeit werden vor allem Fahrräder, Dolmetscher und Paten gesucht.

11.03.2022 UPDATE: 12.03.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 31 Sekunden
Was genau die ehrenamtlichen Helfer der Waibstadter Initiative für Flüchtlinge in den kommenden Tagen erwartet, wissen sie noch nicht. Der Verein kann aber auf Erfahrungen aus vergangenen Jahren und ein finanzielles Polster zurückgreifen. Foto: Orths

Von Friedemann Orths

Waibstadt. "Wir wissen noch gar nicht, was auf uns zukommt", sagt Maria Daub-Verhoeven. Sie ist als Mitglied im Vorstandsteam der Waibstadter Initiative für Flüchtlinge gerade dabei, zu überlegen, wie sich der Verein auf die geflüchteten Menschen aus der Ukraine vorbereiten kann. Eine außerordentliche Vereinssitzung hat sie schon einberufen, dabei wollen sich die Mitglieder abstimmen, was man tun kann, um den Ukrainern die Ankunft in der Stadt so einfach wie möglich zu machen.

Ganz unvorbereitet ist der Verein natürlich nicht, denn im Gegensatz zum Jahr 2014, als zahlreiche Syrer oder auch Afghanen nach Deutschland kamen, haben die Vereinsmitglieder jetzt viel Erfahrung, was die Betreuung Geflüchteter angeht. Damals, als die Waibstadter quasi aus der RNZ erfuhren, dass Geflüchtete kommen würden, sei das schon "ein Schock" für die Stadt gewesen. Aber jetzt warte man eigentlich darauf, dass Menschen aus der Ukraine in der Stadt eintreffen werden – und noch sind sie ja auch noch nicht da. Da bleibt genug Zeit, sich vorzubereiten und zu überlegen, was die Menschen wohl am dringendsten brauchen könnten und wie man sich organisiert.

Anders als Hilfsaktionen in anderen Gemeinden will sich die Initiative für Flüchtlinge allerdings nur um Hilfe direkt in Waibstadt kümmern: "Die Hilfe springt erst an, wenn die Menschen hier sind", erklärt Daub-Verhoeven. Das habe man bei der Vereinsgründung 2014 auch klar in der Satzung verankert.

Allen im Verein ist bewusst, dass es wohl wieder nicht einfach werden wird – für die Einheimischen, die freiwilligen Helfer und natürlich auch für die Menschen, die aus einem Kriegsgebiet in ein fremdes Land kommen, die Sprache nicht sprechen und möglicherweise auch traumatisiert sind von den furchtbaren Geschehnissen in ihrer Heimat.

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Auch jetzt ist die Hilfsbereitschaft in der Stadt wieder groß. "Es ist näher dran", sagt Daub-Verhoeven und meint damit nicht nur die geografischen Gegebenheiten. Jeder merke die Auswirkungen des Krieges direkt, beispielsweise an der Tankstelle. So erklärt sie sich, warum so viele Menschen helfen möchten oder sogar selbst an die ukrainische Grenze fahren um Hilfsgüter abzugeben oder Geflüchtete nach Deutschland bringen.

Doch die große Hilfsbereitschaft sei auch nicht unproblematisch, sagt Daub-Verhoeven. Aus der Vergangenheit hat der Verein beispielsweise gelernt, dass es nicht gut ist, den Geflüchteten zu viel zu schenken. Das wecke Erwartungen, die niemand erfülle könne, manche dachten, sie würden in Deutschland alles umsonst bekommen. Viel besser sei es, den Menschen für einen symbolischen Betrag Dinge zu "verkaufen", so könnten sie sich ja auch Sachen aussuchen, beispielsweise Kleidung oder Möbel. Außerdem habe das auch etwas mit Würde zu tun, findet Daub-Verhoeven. Aber sie stellt auch klar: "Wer in Not ist, dem wird geholfen."

Ganz wichtig bei der Arbeit mit Geflüchteten sei auch, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. Denn vor ihrer Flucht hatten die ein ganz normales Leben, wie die Deutschen eben auch. Daub-Verhoeven erinnert sich an eine Anekdote mit einem Syrer, dem sie erklären wollte, wie er ihren Kofferraum öffnet. Da habe er sie angeschaut und nur gesagt: "Maria, ich weiß wie das geht, ich hatte auch ein Auto."

Viele Helfer seien in den vergangenen Jahren wegen der ehrenamtlichen Arbeit auch einfach ausgebrannt. Es habe sich eine große Erschöpfung breitgemacht, weshalb der Verein sich Hilfe durch Supervision geholt hatte. All das möchte man jetzt vermeiden.

Konkret nennt Daub-Verhoeven drei Dinge, die sie schon jetzt für besonders wichtig hält: Fahrräder, Dolmetscher und Paten. Mobilität sei essenziell, Übersetzer seien es sowieso, und mithilfe von Paten könnten die "neuen" Waibstadter schneller Anschluss finden und Kontakte knüpfen. Sprache sei schon 2014/15 eine große Herausforderung gewesen, denn die meisten Syrer konnten nur Arabisch. Ob die Ukrainer auch Englisch sprechen, weiß Daub-Verhoeven, wie so vieles, einfach noch nicht. Ein finanzielles Polster hat man sich aufgebaut, so könne man schnell und unbürokratisch helfen. In der Vergangenheit konnte man so zum Beispiel schnell Geld verleihen, wenn jemand die Kaution für seine Wohnung zahlen musste, oder Laptops an Familien verleihen, damit deren Kinder während der Corona-Pandemie am Homeschooling teilnehmen konnten. Jetzt gelte es zunächst, die Bedürfnisse der Geflüchteten zu erkennen, um sie so schnell wie möglich "abdecken" zu können. "Was ist möglich, was ist machbar, wo muss man Lösungen erarbeiten?" verdeutlicht Daub-Verhoeven die anstehenden Fragen, die es zu klären gelte.

Ein Vorteil sei jetzt auch, dass es mittlerweile überall Integrationsmanager gibt. So müssten sich die Ehrenamtlichen nicht mehr mit komplizierten Formularen und Behördengängen herumschlagen, da das jetzt die Profis übernehmen könnten. Daub-Verhoeven vermutet aber, dass man die Stellen durchaus aufstocken könnte. "Kapazitätsprobleme" für ihren Verein sieht sie auch keine. Die "alten" Geflüchteten stünden mittlerweile auf eigenen Beinen: "Die gehören schon mit dazu", sagt Daub-Verhoeven.

Für besonders wichtig hält Daub-Verhoeven, dass die Geflüchteten gleichmäßig auf alle Gemeinden verteilt werden. Das sei 2015 nicht der Fall gewesen, und erst in der Anschlussunterbringung hätten alle Orte Geflüchtete aufgenommen. So hätten Waibstadt und später auch Neckarbischofsheim Probleme bekommen, beispielsweise bei der Kinderbetreuung. Außerdem sei es wichtig, dass sich alle Helfenden in der Stadt absprechen, damit man keine doppelte Arbeit hat: "Wir koordinieren gerne."

Sind die Menschen dann da, müsse man sie schnell integrieren: Man sollte präsent sein und den Leuten die Möglichkeit geben, Kontakte zu knüpfen. Das nehme allen die Angst. Diese sei zwar normal, dürfe aber nicht in Hass übergehen.

Info: Wer Fahrräder spenden möchte, Ukrainisch und Deutsch spricht oder eine Patenschaft übernehmen möchte, kann sich per E-Mail an maria.e.daub-verhoeven@t-online.de wenden. An die Hilfe ist keine Mitgliedschaft im Verein gebunden.

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