"Wir werden eigentlich jetzt erst zur Stadt"
Ausblicke auf das Jahr 2020 und zukünftige Schwerpunkte in Sinsheim - Blick auf zahlreiche Projekte wird erstmals frei

Von Tim Kegel
Sinsheim. Das Jahr 2020 hat begonnen. Das Jahr "des Zuendebringens", wie es noch im Dezember bei den Haushaltsberatungen hieß; das Jahr der Landesheimattage in Sinsheim und des 1250. Stadtgeburtstags. 2020 wird aber auch das erste Jahr sein, in dem der Blick aufs "Urbane Sinsheim" frei wird, unverstellt von Gerüsten und Baugruben.
Die 25.000 Gäste, die im September zum Landesfestumzug erwartet werden, erleben das Motto "Tracht" dann, zumindest in Teilen, von Modernität umrahmt. Etwa am südwestlichen Stadteingang: Private Bauvorhaben in großer Zahl werden im neuen Jahr fertiggestellt, allen voran das riesige Wohnquartier Elsenz-Mitte in der Muthstraße. Die vier Blocks mit Penthäusern, Seniorentagesstätte und parkartigem Innenhof, die die Waibstadter Planer Günther und Daniela Kotlik und Rüdiger Bucher bauen, geben Sinsheims Tor zur Innenstadt ein neues Gesicht. Der Bau ist weiter gediehen als man von außen sieht, kurz nach dem Jahreswechsel stehen die ersten Bezüge von Wohnungen an.
Die Urbanität im Namen trägt das "UP1" mit dessen Wohn- und Geschäftsturm am Ilvesbach. Es baut die "Urbane Projekte" von Lothar Bauer, einem Sinsheimer. Bauer kooperiert mit dem Büro "O2R" um Martin Oszter, bekannt für einen modernistischen Stil, der manche an Bauhaus, manche an Le Corbusier erinnert. In der Kindertagesstätte im "UP1" ist kürzlich Leben eingezogen.
"Wir werden eigentlich jetzt erst zur Stadt", sagte Sinsheims Baudezernent Tobias Schutz am Neujahrstag im Gespräch mit der RNZ; diese Entwicklungen bedürften eines "gewissen Umdenkens", was sich an den Stadtzufahrten zeige und noch zeigen werde. Das Sinsheim im neuen Jahrzehnt muss nach Schutz’ Ansicht "wo es geht, maßvoll in die Höhe wachsen". Wie das aussieht, zeige sich an aktuellen städtischen und privaten Projekten. Mittelfristig sei geplant, die Eingangssituation von Dühren sowie von Hoffenheim kommend neu zu gestalten, sagte gestern auch Sinsheims Oberbürgermeister Jörg Albrecht. Die Rede ist von einer Zeit nach dem Umzug des Kaufland-Markts und der alten Feuerwehr-Wache in die Südstadt. Aufstellungsbeschlüsse von Bebauungsplanverfahren sollen dafür sorgen, dass Verwaltung und Gemeinderat bei der Gestaltung der Zufahrten künftig besser mitreden können.
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Das Ilvesbach-Viertel ist der Ort, an dem das moderne Sinsheim ab Jahresmitte besonders komprimiert in Erscheinung tritt: In der Dr.-Sieber-Halle, deren Planungs- und Sanierungsprozess dieses Jahr nach genau zehn Jahren zu Ende geht; in der Quartiers-Entwicklung des Sanierungsgebiets "Wiesental/Innenstadt-Ost" und im neuen Parkhaus, erstellt nach neuesten Gesichtspunkten und "ohne Pfosten", wie Stadtwerke-Chef Andreas Uhler kürzlich sagte. Rund 270 Fahrzeuge finden dort Platz, über 800 im gesamten Gebiet bei Höchstauslastung. In der Autostadt Sinsheim betrachten Albrecht und Schutz "die Verkehrsplanung als Zukunftsherausforderung Nummer eins". Man dürfe allerdings "nicht damit rechnen, dass wir 2020 die Verkehrsproblematik lösen", sagt Schutz, der für wesentliche Entlastungs-Projekte "in einem Zehnjahres-Zeitraum" denkt. Unters Verkehrsthema fällt für Albrecht auch die Umgestaltung des Busbahnhofs. Zwar warte man hier noch 2020 ab, weil man im Landesheimattagejahr "keine Baustelle im Herz der Stadt" eröffnen wolle. "Kosmetisch" werde sich der Busbahnhof aber bereits in diesem Jahr verschönern.
Gastronomisch ist Sinsheim 2020 um einige Lokalitäten reicher: Im Drei Könige ist ein Pächter gefunden – "im zweiten Quartal" soll es dort losgehen, sagt Schutz. Seit Ende 2019 ist mit Manfred Hütters Weinkeller "Krokodil" ein Traditionslokal nach längerem Leerstand wieder offen – als Trattoria mit süditalienischem Gepräge. Ein weiteres altes Speiselokal – ebenfalls seit längerem dicht – wird seit Jahren akribisch saniert: das "Lamm" in der Hauptstraße gegenüber des Alten Rathauses. Sein Macher, der Unternehmer Werner Fischer, der das Projekt mit viel Idealismus vorantreibt, will jedoch erst Fakten schaffen, bevor er über das Projekt berichtet. In der Rosengasse erweitert sich das "Roma" mit einer "2Go"-Variante und verjüngtem Konzept. Schon seit Herbst offen, aber ebenfalls eher im Frühling gefragt: das neue Postgarten-Café an der "alla Hopp!" -Anlage.
Man spiele "zusehends bei den Großen mit", sagte Albrecht gestern. Dies zeigten ihm Projekte "wie die Gebhardt-Erweiterung" auf über fünf Hektar Fläche im Industriegebiet "Hinter der Mühle". Wohnraum schaffen wolle man im "Michelsbild", einer Fläche zwischen Rohrbach und Sinsheim-Ost, die im Lauf der kommenden Jahre mehr und mehr zusammenwachsen werden.
Die zunehmende Verstädterung, sagt Albrecht, erfordere "ein hohes Maß an Qualität", auch im Bereich der Schulen. Ein Mammutprojekt wird die Sanierung der Kraichgau-Realschule, die nach Ende der Sommerferien mit dem Umzug von rund 900 Schülern beginnt. Auch die Theodor-Heuss-Schule – in den vergangenen Jahren aufwendig saniert – geht dieses Jahr erstmals seit langem ohne Baustelle in Betrieb. Auch in Reihen wird die Wingertsbergschule saniert. Als "einen großen Wunsch" bezeichnet Tobias Schutz die Umgestaltung des Hofs der Schule am Giebel in Steinsfurt "noch in diesem Jahr".
Touristisch stellt sich Sinsheim im Jahr 2020 mit einer Tourist-Information im Alten Rathaus besser auf – auch im Hinblick auf die Landesheimattage mit deren über 300 Veranstaltungen. Eröffnung ist am 10. Januar. Als eine Art inoffizieller Startschuss der Landesveranstaltung gilt die Einweihung der Dr.-Sieber-Halle beim Neujahrsempfang der Stadt Sinsheim am 18. Januar. Zwei Tage zuvor wollen Stadtverwaltung und Staatsministerium das genaue Veranstaltungsprogramm bei einer Auftakt-Pressekonferenz im Stift Sunnisheim bekanntgeben.
Eine Lösung – aller Voraussicht nach im Jahr 2020 – zeichnet sich auch in einem von vielen Sinsheimern sowie von Stadträten als lästig empfundenen Sachverhalt ab: dem einsturzgefährdeten Haus in der Hauptstraße. Sowohl Albrecht als auch Schutz sprechen "von einer Annäherung der beiden Eigentümer".



