"Manchmal sind wir rigoros"
"Sam International"-Geschäftsführer Michael Fink und Andreas Banse über ihre Arbeit am neuen Standort

Andreas Banse Michael Fink (rechts) im "Sam international". Foto: Tim Kegel
Sinsheim. Das neue Café "Sam International" am Burgplatz ist nun auch offiziell eröffnet. Vorab traf RNZ-Redaktionsmitglied Tim Kegel die "Sam"-Geschäftsführer Michael Fink und Andreas Banse zum ausführlichen Gespräch. Hier einige Auszüge.
Die Arbeit von "Sam" ist für viele Sinsheimer hauptsächlich das Café als Anlaufstelle und Ihre Arbeit in den Flüchtlingsunterkünften. Was tut "Sam" noch?
Michael Fink: Das sind viele ganz individuelle Sachen: Hausaufgabengruppen, Unterstützung bei behördlichen Verfahren, bei Ärzten. Über unseren Heizungsbauer im Burgplatzcafé vermittelten wir einem jungen Flüchtling beispielsweise eine Ausbildung. Ganz typisch für unsere Arbeit sind auch die Wohngemeinschaften in Sinsheim-Ost, die wir initiiert haben. Dort leben sechs verschiedene Nationalitäten. Keiner spricht die Sprache des anderen. Folge ist: Die haben keine andere Möglichkeit als sich mit dem Deutsch zu unterhalten, das sie in den Kursen lernen. Ein Ziel für die Zukunft ist eine Traumaberatungsstelle, wir suchen hierzu einen Therapeuten.
Wie lief das bislang?
Andreas Banse: Ehrenamtliche können das nicht leisten: Etliche Flüchtlinge sind traumatisiert, wurden vergewaltigt, sind die einzigen Überlebenden einer ganzen Familie oder von einer Fahrt übers Mittelmeer. Die Geschichten kamen immer wieder hoch - und am Ende saßen alle im Café und haben nur noch geheult. Da müssen wir auch unsere Leute schützen. Allerdings ist der Markt leer. Traumaberatung gibt es vielleicht in Stuttgart, wenn man lange warten kann. Und den Übersetzer muss man mitbringen.
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Welche Rolle spielt Religion bei "Sam"?
Andreas Banse: Wir legen Wert darauf, dass derjenige, der hier leben will, mit Gleichberichtigung und Religionsfreiheit klarkommen muss. Davon rückt keiner ab. Als Christen haben wir die Erfahrung gemacht, dass es nicht verkehrt und manchmal hilfreich ist, wenn gläubige Leute in Unterhaltungen auf gläubige Leute treffen.
Sie haben seit 13 Jahren mit Menschen unterschiedlichster Herkunft zu tun. Erleben Sie Radikalismus?
Andreas Banse: Es ist schon so, dass diejenigen, die zu uns kommen, eher Menschen sind, die willens sind, mitzumachen und sich zu integrieren. Die Chaoten suchen uns eher nicht auf. Es gab Hinweise auf Islamismus, aber die kamen oft von Flüchtlingen selbst. Das geschah dann im Sinne von: ,Da schaut sich jemand etwas Verdächtiges auf dem Handy an.’
Was tun Sie dann?
Andreas Banse: Wir sprechen das an. Manchmal sind wir auch rigoros und scheuen uns nicht, Dinge der Polizei zu melden oder Druck zu machen, dass wir das tun. Etwa wenn es mit häuslicher Gewalt zu tun hat. Wir machen unseren Standpunkt klar. Es heißt dann: ,Hey, wenn Du dieses oder jenes tust, wenn Du zum Beispiel Deine Frau verprügelst, dann bist Du hier nicht richtig.’
Es gibt im "Sam" einen Frauentag. Passt das in die hiesige Kultur?
Michael Fink: Jedenfalls haben wir gemerkt, dass das Angebot nötig ist. Überwiegend sind die Flüchtlinge nun einmal Männer. Manchen Frauen war es unangenehm, sich zu unterhalten oder sich zu öffnen, wenn viele Männer im Café sind. Und manche Männer mussten erst lernen, dass ihre Frau zum Frauentreff geht. Und dass sie das hier darf, wenn sie es machen möchte.
Was können Sinsheimer tun, die Flüchtlingen helfen möchten?
Michael Fink: Wir brauchen natürlich Helfer. Zur Zeit arbeiten wir mit einer Mannschaft, 80 bis 100 Leuten. Jeder davon macht so viel, wie es für ihn persönlich passt. Die meisten unserer festen Helfer waren schon vor der Flüchtlingswelle im Jahr 2015 dabei. Flüchtlingsarbeit ist nicht einfach. Wer persönlich nichts zurückbekommt, dadurch, dass er diese Arbeit leiste, kann sie auf Dauer nicht machen.
Vermeintliche Lappalie: Entgegen Ihres früheren Konzepts bieten Sie im neuen "Sam" alkoholische Getränke an. Wie kommt’s?
Andreas Banse: Es spricht nichts dagegen und gehört zu einem vollwertigen gastronomischen Angebot, dass man ein Glas Wein oder Bier trinken kann. Viele Flüchtlinge trinken Alkohol - sie würden das ohnehin tun. Dann macht es zudem wenig Sinn, es hier nicht zu können.



