Sinsheim

Antragsteller zur Streichung von Parkplätzen am Karlsplatz müssen liefern

20 Parkplätze sollen weg - Wie das gehen soll, wie es aussehen kann und was es kostet soll jetzt in einer Vorlage festgehalten werden

24.02.2021 UPDATE: 25.02.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 2 Sekunden
Präsenz zeigten die Fahrrad- und Elektroroller-Nutzer im Gemeinderat nicht nur am Abend der Antragstellung. Foto: Tim Kegel

Von Tim Kegel

Sinsheim. Das heitere Landstädtchen windet sich arg bei seiner Abkehr vom Jahrzehnte alten Credo der "autofreundlichen Stadt". Ergebnis einer über einstündigen Argumente-Schlacht, wie man sie in öffentlichen Gemeinderatssitzungen der vergangenen 15 Jahre kaum erlebt hat, ist, dass die Antragssteller zur Streichung von 20 Parkplätzen am Karlsplatz jetzt liefern müssen.

Und zwar Vorschläge zur Gestaltung, Finanzierung und Umsetzung der Maßnahme, die ein Provisorium bleiben muss und kein Geld kosten darf. Die Planer im Rathaus unterstützen allenfalls dabei und geben dem Ergebnis das Gewand einer Ratsvorlage, über die das Gremium dann abstimmt. Nur so ließ sich die Idee, die "der Sicherheit und dem Aufenthaltswert" der Innenstadt dienen soll, einer ge- und wildentschlossen dagegen gehenden CDU-Fraktion und einigen Skeptikern bei den Freien Wählern überhaupt verkaufen. Aus der von Grünen, Freien Wählern, Aktiv für Sinsheim und SPD beantragten Schließung und Umnutzung der Fläche am Karlsplatz – links-, teilweise auch rechtsseitig zwischen Zwinger- und Rosengasse gelegen – wird jetzt nur etwas werden, wenn das gesamte Gremium der Vorlage dann zustimmt. 26 Für- und 17 Gegenstimmen zu diesem Vorgehen sind das Fundament, an dem sich auch künftig nicht mehr allzu viel ändern dürfte.

Gegen die Planung spricht laut Stadtplaner Sebastian Falke und Stadtwerke-Leiter Andreas Uhler die Zahl von rund 340 Parkplätzen im Planungsgebiet, der Großteil davon unabänderlich, etwa weil Anwohner, Firmen, Arztpraxen und Einkäufer sie nutzen. Deren Erschließung müsse "gewährleistet bleiben" und führe zu "einer ganzen Reihe diffuser Fahrt- und Abbiege-Beziehungen". 20 Buchten hin oder her – es werde wohl weiterhin Such-, Liefer- und Warteverkehr geben. Uhler hält es für möglich, dass sich "beim Nicht-Finden" eines Parkplatzes der "Parkdruck sogar erhöht". Nicht zu vernachlässigen sei auch das Geld: Rund 1100 Euro nehme man je Parkplatz und Jahr in dem Gebiet ein, sagt Uhler. Am liebsten, sagt Oberbürgermeister Jörg Albrecht, würde die Stadt auf die Änderung verzichten, die Parkgebühr in dem Gebiet deutlich anheben und den Karlsplatz "mittelfristig autofrei umgestalten" – bestenfalls im Zuge eines Sanierungsgebiets "Innenstadt-West". Dann allerdings könne die Zwischenlösung "nur ein Provisorium sein"; würden jetzt schon Mittel beantragt – etwa für Fahrrad-Stellplätze – laufe man Gefahr, dass sich Zuschüsse und Bedingungen einer künftigen Planung zum Nachteil verändern könnten. "Fünf Jahre", schätzt Stadtplaner Falke, dürften ins Land ziehen, bis eine Karlsplatz-Überplanung angegangen werden kann. Lege man jetzt mit Provisorien los, glaubt man im Rathaus, werde "eine Erwartungshaltung erzeugt" von einer großen, dauerhaften Lösung. Aber auch wie ein Provisorium gehen könnte, zeigte Falke und warf Bilder ähnlicher Flächen an die Wand, auf denen riesige Blumenkübel und Teppichböden mit erweiterten Gastronomieflächen zu sehen waren.

Der Horror von CDU-Sprecher Friedhelm Zoller ist jedoch, dass man sich am Ende mit "Sperrschildern und Flatterband" behelfen könnte. Keine Probleme für Fußgänger sieht indessen sein Fraktionskollege Georg Trunk: Gehwege seien in dem Gebiet sinnvoll angeordnet, und wenn jemand mitten auf der Straße laufe, könne man wenig tun: "Wir kriegen dumme Menschen nicht weg", sagte Trunk. Und auch bei den Freien Wählern hadert mancher mit dem Provisorium: Manfred Wiedl, Polizist von Beruf, befürchtet, dass das auch hinterher "zweifellos nicht gut" aussehende Areal – auch wegen mehrerer Kneipen, Imbisse und Lokale in dem Gebiet – "eine Szene anziehen könnte, die wir momentan am Bahnhof haben".

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Eine ganz andere Szene mit der Maßnahme ausbremsen will Harald Gmelin: Autoposer, die vom Karlsplatz aus gerne die Wettbüros ansteuern. "Selbst der schönste tiefergelegte schwarze Mercedes ist nicht schöner als der Blumentopf", sinnierte der Sohn des verstorbenen Helmut Gmelin, der als Sinsheims erster Oberbürgermeister einst die "autogerechte Stadt" ausgerufen hatte. 40 Jahre später forderte Harald Gmelin nun "eine Abkehr von diesem Prinzip". Es gebe "beste Parkmöglichkeiten in allen Himmelsrichtungen" – und ein sechs Millionen Euro teures, quasi nicht genutztes Parkhaus an der Dr.-Sieber-Halle, das die Verwaltung "aktiv bewerben" müsse. Etwa mit 14 Tage kostenlosem Parken, schlug Gmelin vor.

Volle Zustimmung bei Grünen-Rätin Anja Fürstenberger. Es mache "schon einen Unterschied, ob zigmal am Tag an- und wieder weggefahren" werde. Und wer am Karlsplatz nichts finde, gab sie zum Thema Finanzen zu bedenken, "der fährt ja nicht einfach aus Sinsheim davon". Sie spricht sich dafür aus, dass "nur wer liefert, wohnt oder behindert ist" mit Motorfahrzeugen ins Gebiet darf.

Zu viele von diesen zählt auch SPD- Verkehrsexperte Helmut Göschel, der sogar mitten im Viertel lebt: "Leute warten hier in Posermanier mit laufendem Motor", es gebe Parkplätze zur Genüge; Sinsheim könne durch die Maßnahme "nur freundlicher werden". Den Blick aufs große Ganze weitete "Aktiv"-Sprecher Alexander Hertel: die "autofreie Innenstadt". Als die Bahnhofstraße in den 1980er-Jahren Fußgängerzone wurde, sei dies aufgenommen worden wie "der Untergang des Abendlandes". Seither habe sich "quasi nichts getan". Die Streichung der Parkplätze ist für ihn "nur ein winziger Schritt".

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