Resolution statt Flagge

Wie Heilbronn mit dem Hamas-Angriff auf Israel umgeht

Der Gemeinderat äußert sich erst nach Wochen zur Situation und lässt die Hamas unerwähnt.

28.11.2023 UPDATE: 28.11.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 55 Sekunden
Einen einzigen Tag hing die Flagge Israels als Zeichen der Solidarität vor dem Heilbronner Rathaus. Nun hat der Gemeinderat eine Resolution verabschiedet. Foto: Brigitte Fritz-Kador

Von Brigitte Fritz-Kador

Heilbronn. Spät, aber doch: Der Heilbronner Gemeinderat hat jetzt – auf Antrag der CDU-Fraktion – mit einer gemeinsamen Resolution auf den Hamas-Angriff auf Israel reagiert. Die Fahne mit dem Davidstern hing nur einen Tag vorm Rathaus, bevor sie heruntergerissen und zerfetzt wurde und nun nicht mehr gehisst wird: Die Symbolkraft von Bildern aber schlägt immer die der Worte. Die Fahne wieder aufzuhängen, würde Mut, sie zu bewachen auch Geld kosten; eine Resolution kostet nichts. Sie wurde zu Beginn der Sitzung am 23. November verabschiedet, der Überfall der Hamas fand am 7. Oktober statt.

Ausdrücklich wird darauf hingewiesen: "Mit der aktuellen Resolution reagiert der Gemeinderat auf die gegenwärtigen Ereignisse. Er greift dabei seine am 23. März 2018 verabschiedete und am 24. Oktober 2019 erneuerte Resolution gegen Antisemitismus auf. 2019 war es der Anschlag auf die Synagoge in Halle (Saale) gewesen, die den Gemeinderat zu diesem Schritt veranlasste."

Am 25. Oktober riefen, angeregt von Hendrik von Olnhausen (Junge Union und Gemeinderatskandidat) dann alle vier Jugendorganisationen der demokratischen Parteien zu einer Demonstration für Israel auf, nachdem es wenige Tage zuvor dort schon eine Friedenskundgebung gegeben hatte. Dem Aufruf schloss sich auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) an, es kamen rund 250 Menschen zum Kiliansplatz. Auch die Verwaltungsspitze ergriff das Wort, die sich dann rar macht, wenn bei vergleichbaren Terminen der Veranstalter das "Netzwerk gegen rechts" ist.

Am 29. Oktober gab es eine pro-palästinensische Demo mit mehr als 600 Teilnehmern, bei friedlichem Verlauf. Die Polizei konfiszierte einzelne Plakate, inzwischen prüft die Staatsanwaltschaft, ob einer der Beiträge – die Reden wurden vorwiegend in Türkisch gehalten – den Tatbestand der "Volksverhetzung" erfüllt.

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Die Vorgabe des Ditib-Verbandes für die jüngste Freitagspredigt in ihren Moscheen stand unter dem Motto: "Ist unser Bewusstsein für Gerechtigkeit und Fairness ausreichend?" Darin ist viel von Barmherzigkeit die Rede, während zeitgleich dessen Geldgeber und mächtiger Hintermann, Präsident Erdogan, die Hamas als "Befreierin" und Israel als "Kriegsverbrecher" bezeichnete.

Die Aufforderung von Oberbürgermeister Harry Mergel an die muslimischen Organisationen, sich vom Terror und Antisemitismus klar zu distanzieren, blieb lange unbeantwortet.

Schweigen und "raushalten", das ist auch sonst für Heilbronn zu konstatieren. Während in vielen Kommunen, ob groß oder klein, die dortigen subventionierten wie freien Kulturträger, Institutionen, Organisationen und Vereine zahlreiche Veranstaltungen, Lesungen, Vorträge oder Demos organisieren, die das Thema Antisemitismus unüberseh- und unüberhörbar machen, herrscht in Heilbronn Ruhe. Lediglich die Volkshochschule reagierte mit einem Vortrag des Israel-Kenners und "Spiegel"-Autors Richard C. Schneider auf die Situation.

Es gibt auch in Heilbronn Menschen, die etwas dazu zu sagen hätten, und solche, die etwas dazu hören wollen. An vielen Theatern in Deutschland wird derzeit, meist sind sie dann übervoll, der Text "Nie wieder" von Michel Friedmann gelesen oder szenisch interpretiert, am Berliner Ensemble mit der Heilbronnerin Sibel Kekilli. Am Theater Heilbronn macht man anhaltend in Komödie, auch am 9. November.

In der Resolution stehen Sätze wie diese: "Heilbronn ist eine tolerante und weltoffene Stadt, in der sich jede hier lebende Person frei entfalten können soll. Der Gemeinderat der Stadt Heilbronn verurteilt deshalb jede Form von Antisemitismus, Rassismus, Hass, Gewalt, Terror und Krieg." Beim Namen genannt werden weder Angreifer noch dessen Unterstützer.

Das Gedenken zum 9. November, an dem sich in diesem Jahr nicht nur die Bilder der brennenden Synagoge von 1938 aufdrängten, sondern auch die der brennenden Situation in Israel und Gaza, erstarrte in der üblichen Routine. Dass sich jüdische Mitbürger in Heilbronn öffentlich zurückhalten, ist nicht neu, auch weil sich die Öffentlichkeit ihnen gegenüber so zurückhält. Jüdische Einrichtungen stehen derzeit unter besonderem Polizeischutz, es herrscht Ausnahmezustand.

Ein Normalfall in Heilbronn sind hunderte von Wein- und Wanderführungen durch die Stadt. Wer Spuren der mehr als tausendjährigen jüdischen Geschichte in Heilbronn sucht, bleibt allein und orientierungslos. Sichtbar ist nur das Mahnmal für die Synagoge an der Allee; der Jüdische Friedhof ist verschlossen und wird nur wenige Male im Jahr, anlassbezogen, für eine Führung geöffnet.

Die vielen Stolpersteine, Nachweis eines starken jüdischen Lebens, kann sich die Stadt nicht zugute rechnen lassen. Der "Jüdische Kulturweg", in diesem Sommer für und vom Landkreis eröffnet, macht einen Bogen um Heilbronn, während man an 30 Orten des Kreises auf Spuren jüdischen Lebens hingewiesen wird – und das unübersehbar.

Am Ende der Resolution heißt es: "Wir fordern alle hier lebenden Menschen auf, sich in ihrem privaten Umfeld und auch in der öffentlichen Diskussion klar und deutlich gegen Antisemitismus, Rassismus, Hass, Gewalt, Terror und Krieg verherrlichende und menschenunwürdige Aussagen und Handlungen zu stellen. Schließlich bestärken wir (also der Gemeinderat) ausdrücklich die Stadtverwaltung, nicht nachzulassen in ihrem ständigen Bemühen um Dialog, Zusammenwirken und Verständnis untereinander und miteinander." Jetzt müssen den Worten nur noch Taten folgen.

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