Erste Kundgebung gegen den Hamas-Terror
Nie wieder - ohne wenn und "ja, aber": Die Initiative für die Demo kam von der Parteijugend von CDU, SPD, Grüne und FDP.

Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Entgegen der preußischen Maxime und einer üblichen medialen "Aufregungsbewirtschaftung" (eine Wortschöpfung von Bundespräsident Steinmeier), ist in diesen Tagen Ruhe nicht die erste Bürgerpflicht. Der Notwendigkeit nach einer angemessenen Unruhe ist man in Heilbronn eher zögerlich nachgekommen.
Zur Ehrenrettung, dass man den Geschehnissen in Israel nicht eher distanziert gegenübersteht, haben die Jugendorganisationen der Parteien beigetragen. Junge Union, Jungsozialisten, Grüne Jugend und Junge Liberale organisierten die erste Demo für Israel auf dem Kiliansplatz – einig darin, dass man sich bei allen sonstigen Unterschieden in der politischen Auffassung, hier doch einig ist.
Etwa 150 bis 200 Menschen folgten dem Aufruf, unter ihnen Oberbürgermeister Harry Mergel, SPD-Bundestagsabgeordneter Josip Juratovic und die Landtagsabgeordneten Michael Preusch (CDU), Georg Heitlinger (FDP) und Erwin Köhler (Grüne). Als Vertreter der Kirchen kamen Prälat Albrecht und Bernd Sommer für die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG).
Hintergrund
Die blauen und weißen Luftballons, die nach der Kundgebung in den Himmel stiegen, waren Erinnerung an die Opfer und vor allem auch an die Geiseln, die in der Gewalt der Hamas sind. Zuvor hatten die Jugendorganisationen schon kleine Plakate verteilt. Jedes erinnerte mit einem
Die blauen und weißen Luftballons, die nach der Kundgebung in den Himmel stiegen, waren Erinnerung an die Opfer und vor allem auch an die Geiseln, die in der Gewalt der Hamas sind. Zuvor hatten die Jugendorganisationen schon kleine Plakate verteilt. Jedes erinnerte mit einem Namen und einem Bild an diese Menschen. Auch wenn es nach offizieller Lesart keine nennenswerten Vorfälle gab: Rund um die Versammlung lief das Leben nicht ruhig, sondern laut und beobachtet von wohl nicht zufällig anwesenden Gruppen Jugendlicher ab. Der Versammlungsbereich war nicht abgesperrt. (bfk)
Der Zeitpunkt für die Demo, Freitagabend, 18 Uhr, war bewusst gewählt: Es ist der Beginn des Schabbat. Daran erinnerte Prälat Albrecht eindringlich in seiner Schlussrede, die er mit dem Ruf "Schabbat Shalom" beschloss". Es wehten einige israelische Flaggen, Mergel hatte als Redner das erste Wort, dazu gab es den Zwischenruf, warum diese Fahne nicht mehr vor dem Rathaus hänge. Mergel überhörte ihn.
Unüberhörbar waren dagegen sein Worte: Er erinnerte daran, dass in der NS-Zeit auch viele jüdische Bürger deportiert wurden, von denen 234 in Vernichtungslagern starben. "Dass wir uns als Stadt zu unserer Schuld bekennen, verpflichtet uns auch zu einer besonderen Fürsorgepflicht und Solidarität. Keine jüdische Mitbürgerin, kein jüdischer Mitbürger soll in unserer Stadt Angst haben müssen. Es ist notwendig, dass wir zusammenstehen – in Heilbronn, in unserem Land, in Israel und auf der ganzen Welt."
Mergel sah sich medialer Kritik ausgesetzt, er habe Muslime, die unter anderem den rechtsextremisten "Grauen Wölfen" nahestünden besucht, und mit ihnen gesprochen. Tatsächlich waren er, Mitglieder des Gemeinderates und Vertreter der Religionsgemeinschaften der Einladung zu einem gemeinsamen Fastenbrechen gefolgt.
In seiner Rede wandte er sich nun auch an diese Heilbronner, bat die "muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die aus unserer Geschichte resultierende besondere Verantwortung zu verstehen – und unsere Werte wie Toleranz, Nächstenliebe und einen friedlichen Dialog zu unterstützen". Zugleich forderte er deren Vereine und Verbände auf, keinen Zweifel an ihrer Verurteilung von Terrorismus und Antisemitismus zu lassen.
Die folgenden Redner taten dies – erst die Vertreter der Jugendorganisationen, dann die Politiker – so wie Michael Preusch: unterschiedlich in der Diktion, weitgehend gemeinsam im Bemühen, jegliche Relativierung oder Verharmlosung des Terrors und seiner politischen Hintergründe zu vermeiden. Die Formulierung und Forderung, es dürfte kein "ja aber" geben, war so durchgängig wie die Furcht davor, sich nicht unmissverständlich auszudrücken.
Fast alle Redner sprachen "vom Blatt". Nicht so Juratovic. Er nannte die Hamas "politische Verbrecher" und sagte, auch vor dem Hintergrund eigener Erlebnisse aus den Balkan-Konflikten: "Die Hamas will keinen Frieden und keine Zwei-Staaten-Lösung, sie will Israel auslöschen."
"Wohin sollen sie gehen?", fragte dann auch Sommer angesichts der langen Vertreibungsgeschichte der Juden, erinnerte daran, dass diese schon im ersten nachchristlichen Jahrhundert begann, der Staat Israels heute der erste für sie sei, dabei gerade mal so groß wie das Bundesland Hessen. Was immer Juden tun oder lassen, es werde kritisiert, sie werden dafür gehasst und verfolgt. Sommer, der einen besonders kritischen Blick auf alle antisemitischen Ansätze hat, dankte dafür, dass an diesem Abend in Heilbronn "klare Kante" gezeigt werde.
Die beiden Vertreter der Kirchen sprachen die Schlussworte. Michael Dieterle, Dekanatsreferent der katholischen Kirche Heilbronn, setzte an dem Punkt an, der auch schon zuvor angesprochen worden war: Antisemitismus und Hass fangen mit der Sprache und im Alltag an.
Das von ihm vorgetragene Gedicht "Das Phänomen" von Hanns Dieter Hüsch thematisiert es und es zeigte sich, dass man auch auf der Straße mit Lyrik beeindrucken kann. Wie sehr gegenwärtig auch die Kirchen gefordert sind, machte auch Prälat Albrecht deutlich, bevor er die Teilnehmenden mit dem Segen für alle und dem Ruf nach Frieden verabschiedete.