Jetzt ist der längst erwartete Unfall passiert
Eltern machen sich Sorgen wegen der Risiken für ihre Kinder bei der Überquerung der Landesstraße

In Höhe dieses Verkehrsschilds ereignete sich am Dienstagnachmittag der Unfall, bei dem ein Achtjähriger von einem Auto erfasst worden war. Foto: Günther Keller
Neckarbischofsheim. (kel) Dem Achtjährigen, der am Dienstag beim Überqueren der Von-Hindenburg-Straße von einem Auto erfasst wurde, geht es besser: Die Blessuren werden aller Wahrscheinlichkeit keine bleibenden Schäden hinterlassen. "Der Junge hätte aber auch tot sein können", sagt eine Mutter aus dem benachbarten Neubaugebiet. Der Unfall entfacht die Diskussion über die Sicherheit an der Landesstraße L549 neu. Eltern fordern nicht zum ersten Mal, nun aber vehement, Nachbesserungen: Zebrastreifen, Ampel, vielleicht eine Querungshilfe und Tempo 30.
Die Vorschläge sind hinlänglich bekannt, kommen seit Jahren immer wieder auf den Tisch, aber ihre Umsetzung scheiterte bislang an rechtlichen Vorgaben, genauer: an den Richtlinien für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen. Der "Personenverkehr" sei zu gering, hieß es nach einer Zählung durch das Straßenverkehrsamt vor fünf Jahren. Notwendig seien mindestens 50 Fußgängerquerungen in der "Spitzenstunde", für eine Ampel sogar mehr als 100 - Zahlen, die "bei Weitem nicht erreicht wurden", wie es in einer Antwort des Rhein-Neckar-Kreises auf Nachfrage der RNZ hieß. Alternativ käme eventuell eine Querungshilfe, also eine Mittelinsel, in Betracht; allerdings sei hierfür die Fahrbahn nicht breit genug.
Die Eltern rechnen anders als das Landratsamt: Allein im Eichertstal lebten aktuell etwa 30 Kinder, die auf dem Weg zu Kindergarten oder Schule die Straße passieren müssten. So kämen 20.000 Straßenquerungen pro Jahr zusammen, haben sie hochgerechnet.
Ein Alterskamerad des verunglückten Zweitklässlers kennt die eiserne Regel für Kinder im Straßenverkehr aus dem Effeff: links, rechts, links. So muss man schauen, bevor man losläuft. Das hat er monatelang mit seinen Eltern trainiert. Und er weiß aber auch: "Wenn Stau auf der Autobahn ist, dann muss man etwas mutiger sein." Denn immer dann, wenn die A6 nach einem Unfall blockiert ist, weichen Autos und Lastwagen Stoßstange an Stoßstange auf die Landesstraße aus. Nicht zuletzt deshalb heißt es im städtischen Schulwegplan: "Besonders die Querung der Von Hindenburg-Straße birgt einige Gefahrensituationen."
Gefahr erkannt, Gefahr bekannt? Eher nicht. Der RNZ wurde am Mittwoch von einer Reihe von Beinahe-Unfällen in diesem Straßenabschnitt berichtet. Ein vierjähriges Mädchen soll Mitte dieses Monats fast unter die Räder eines Autos gekommen sein, ein etwas älterer Junge entging dem Zusammenprall mit einem Fahrzeug nur dank einer Vollbremsung. "Das Unfallrisiko steigt, weil der Verkehr immer mehr wird", befürchtet eine Anwohnerin. Und kaum eine andere Straße im Stadtgebiet hat mehr Fußgänger: Hier laufen nicht nur die Wege zu Schule und Kindergarten zusammen, sondern über die L549 geht es auch zum Supermarkt, zum Friedhof, zum Altersheim und zu Geschäften.
"Wahrscheinlich muss wirklich immer etwas passieren, bevor sich was ändert", bedauert Bürgermeisterin Tanja Grether. Die Stadt kämpfe für einen Zebrastreifen, habe aber bisher lediglich die aktuelle Beschilderung "Schulweg kreuzt" plus der Fußgänger-Darstellung auf der Fahrbahn erreichen können. Sie verlange eine umgehende Problembehandlung - und zwar vor der am 24. Juli regulär anstehenden Verkehrstagefahrt. Die Entscheidung, so die Rathauschefin, liege allerdings nicht in der Hand der Kommune.
Zuständig ist hingegen der Kreis im Zusammenspiel mit dem Regierungspräsidium, in dessen Trägerschaft die Landstraße liegt. Im Landratsamt wartet man zunächst auf die Zahlen aus einer Verkehrszählung, die erst vor wenigen Wochen in der Von-Hindenburg-Straße durchgeführt wurde. Bei dieser Gelegenheit wurde offenbar beobachtet, dass manche Kinder trotz aller Belehrungen sich nicht an den Ratschlag halten, in Höhe des Netto-Markts über die Straße zu gehen, sondern die breite Abzweigung in Richtung Flinsbach nutzen - eine besonders risikobehaftete Abkürzung.