Bahnkunden fehlt Zuverlässigkeit der S-Bahn in der Region
Die Experten im Verkehrsforum 2000 informierten auch über das Deutschland-Ticket.

Von Berthold Jürriens
Waibstadt. Unpünktliche Züge, fehlende Wagen oder umgekehrte Reihung. Bahnfahrt bedeutet oft Stress. Dass diese Mängel mit der Einführung des Deutschland-Tickets weniger werden – sei dahingestellt. Dabei sollen viele weg vom Auto und hin zum öffentlichen Nahverkehr. Werbung dafür machte nun die Veranstaltung im Rathaus, bei der die Expertenrunde fast so groß wie die Anzahl der interessierten Gäste war.
Hier gab es Informationen über das Deutschland-Ticket und den regionalen Schienen- und Busverkehr. Vor allem aber hatten die Bahnfahrer einige Anregungen und Kritikpunkte für die anwesenden Referenten parat. Und diese ein offenes Ohr für die Zugausfälle, falschen Gleisansagen, fehlenden Displayanzeigen und Verspätungen. Sehr lebendig vorgetragene und teilweise skurrile Bahnerlebnisse gab es von den Pendlern und den jahrzehntelangen Bahnfahrern zu hören.
Aber es gab auch Lob, zum Beispiel für die direkten S-Bahnfahrten ohne Umstieg aus der Brunnenregion nach Heidelberg oder Mannheim. "Ein guter und wichtiger Austausch", so bewerteten am Ende alle Beteiligten die rund 90 Minuten, in denen vor allem die Erfahrungen mit der S-Bahn im Schwarzbachtal im Vordergrund standen.
Auf Einladung der Stadt und des Verkehrsforums 2000 in Person von Jürgen Heß und Jörg Engelhardt waren Jens-Jochen Roth (Eisenbahnfreunde Kraichgau), Christoph Rothfuß (DB Regio Mitte AG), Markus Kempf (Verkehrsplaner bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg/NVBW für die S 51), Dirk Nitzschke (Palatina Bus), Thomas Schweizer (Abteilungsleiter Kommunikation und Tarif beim Verkehrsverbund Rhein-Neckar/VRN) und Dominik Schaadt (Teamleiter Schienenpersonennahverkehr beim VRN) zu Gast.
Auch interessant
Zunächst informierte Schweizer über das Deutschland-Ticket für 49 Euro, das auch der VRN als deutschlandweit gültiges ÖPNV-Ticket im Abonnement anbietet und das monatlich kündbar ist. Neben Informationen über den Kauf des Tickets, das es digital, als Selbstausdruck oder Plastikkarte und später auch als Chipkarte gibt, erläuterte er unter anderem die Tarifbestimmungen. Es ging aber auch um Zuschläge sowie den möglichen Austausch des Job-Tickets mit dem Deutschland-Ticket, das der Arbeitgeber mit mindestens 25 Prozent bezuschussen muss.
Fünf Prozent und somit 2,45 Euro gibt es immer als Förderung vom Bund, sodass dann nur 34,30 Euro vom Arbeitnehmer zu zahlen seien. Bei 50 Prozent Arbeitgeberzuschuss wären es 22,05 Euro für ein Ticket. "Wir können aufgrund der Bundesregelung den Arbeitgebern das Deutschland-Ticket oder den bisherigen VRN-Tarif für das Job-Ticket anbieten", sagte Schweizer. Der VRN hätte bereits neue Abonnenten des Job-Tickets dazugewinnen können, aber habe auch schon Kündigungen erfahren müssen.
Für einen Pendler unter den Gästen sei das neue "D-Ticket" absolut nachteilig. "Am Wochenende konnte ich immer bis zu vier Personen mit dem Job-Ticket mitnehmen. Das fällt jetzt einfach weg und wurde mir genommen." Für ihn sei das bisherige Job-Ticket "günstiger" gewesen, auch weil er hauptsächlich im VRN-Gebiet mit dem ÖPNV unterwegs sei und eben nicht deutschlandweit. Er bedauerte, dass der "Konsument" nicht gefragt werde. Das "D-Ticket" war auch für einen "Karte ab 60-Besitzer" nicht attraktiv genug.
Kempf und Rothfuß warben dann kräftig für die Nutzung der 31 Züge, die als "Mireo" mit W-Lan ausgestattet und barrierefrei auf der S-Bahnlinie im Rhein-Neckar-Kreis unterwegs sind. "90 Prozent der Auslastung vor Corona haben wir erreicht", sagte Rothfuß, der sich wie Kempf einen noch größeren Zuspruch wünscht. Auch aufgrund des guten Taktangebots, denn die S-Bahn im Schwarzbachtal fährt bis Mitternacht mindestens im Stundentakt, unter der Woche morgens und nachmittags sogar halbstündlich. "Auch Fahrten direkt nach Heidelberg und Mannheim sind dabei ohne Umstiege in Meckesheim", erklärte Kempf.
Ein Bahnfahrer brachte es anschließend auf den Punkt: "Wenn Sie möchten, dass die S-Bahn mehr genutzt wird, dann müssen Sie an der Zuverlässigkeit arbeiten." Nicht umsonst weist die S-Bahn Rhein-Neckar in einem bundesweiten Vergleich, der im Februar veröffentlicht worden war, die schlechtesten Pünktlichkeitswerte auf. Das Nahverkehrsangebot in der Region landet dabei im Kreis der größten deutschen Netze auf dem neunten und damit letzten Platz.
Nur 88 Prozent der Züge erreichen demnach ihr Ziel pünktlich. Und so folgte eine reger Austausch über den Zusammenhang von der Waibstadter Ampelanlage und den Bahnschranken, langsam und schnell fahrende Zugführer, das Warten auf unangekündigte ausgefallene Züge, schlechte Kommunikation an Bahngleisen und mangelnde Servicequalität.
"Die Realität sieht nun mal leider so aus, anders als auf dem Blatt Papier beziehungsweise dem Fahrplan", sagte Roth und fand auch keine Entschuldigung, notierte aber die zahlreichen "Mängel". Für ihn gehöre zum Service auch der Erhalt der "Mobilitätszentrale" im Sinsheimer Bahnhof, die letzte ihrer Art in der Umgebung. Zum Abschluss gab es trotz der Kritik Beifall von den Besuchern, die einfach froh waren, "dass sich endlich mal jemand die Probleme mit der Bahn anhört. Denn sonst erreicht man ja niemanden", wie ein Teilnehmer sagte.