"Wie die Eingeschlossenen von Zermatt"
Netzstörung beeinträchtigt Alltagsleben enorm - Aufwendige Reparatur - Am Dienstag soll es wieder läuten

Hier liegt das Netzproblem begraben: Bevor die rund 600 Kabeladern entwirrt werden können, müssen sie getrocknet werden. Dafür hat man einen Föhn. Foto: Günther Keller
Von Günther Keller
Waibstadt-Daisbach. Wer telefonisch ein Anliegen in der Verwaltungsstelle vorbringen will, sollte vielleicht die private Handy-Nummer von Sandra Seidel kennen. Die Verwaltungsangestellte gehört zu den Glücklichen, die in Daisbach fernmündlich zu erreichen sind: "Mit O2", erklärt sie. Andere fühlen sich eher "wie die Eingeschlossenen von Zermatt", formuliert es ein Bewohner der Dorfmitte.
Teilweise seit zehn Tagen ist die Telefonleitung im halben Ort tot, der Handy-Empfang funktioniert ohnehin nur sporadisch, und das Internet lahmt. Seit Dienstag ist auch die Schule vom Netz, und beim Ortsvorsteher heißt es: "Kein Anschluss unter dieser Nummer". Inzwischen arbeitet die Telekom am Problem und hat gleich mehrere Einsatztrupps geschickt - auch nach Druck aus der Politik.
Eine schnelle Problemlösung wird es aber wohl nicht geben. Die Arbeiten seien "sehr aufwendig", ganze Kabelstränge müssten ausgetauscht werden. Momentan gehe man davon aus, dass Daisbach am Dienstag wieder komplett erreichbar sei - vorausgesetzt, die benötigten Kabel gingen per Express rechtzeitig ein.
Wäre Uwe Frei nicht Daisbacher mit Leib und Seele, wäre er mit seinem Architekturbüro wahrscheinlich schon umgezogen: "Das Telefon ist zusammen mit dem Internet mein wichtigstes Arbeitsgerät", erklärt er. Am Freitag konnte er mal wieder telefonieren, tags davor ab und zu, einen weiteren Tag vorher hat’s im Hörer kräftig gerauscht. Frei: "In einem Hochtechnologieland darf so etwas eigentlich nicht sein".
Die fehlende Verbindung beeinträchtigt das Alltagsleben in vielfältiger Weise: Dass beim Friseur keine Termine vereinbart werden können, ist vielleicht noch das geringste Problem, aber ein Ehepaar, beide berufstätig, muss sich inzwischen überlegen, wie es mit der 92 Jahre alten Oma weitergeht. Die alte Frau braucht Fürsorge und ist per Notrufknopf mit dem Roten Kreuz verbunden. Da auch diese Verbindung abgerissen ist, ist die 92-Jährige in ihrer Wohnung isoliert. Jetzt überlegt die Familie, sie in einer Kurzzeitpflege unterzubringen.
Da investiere man viel Geld in Dorfsanierung und in die Schule, um die 1300-Einwohner-Gemeinde am Leben zu erhalten, aber gleichzeitig kranke es an "Selbstverständlichkeiten", beklagt sich Ortsvorsteher Winfried Glasbrenner. Sein geharnischter Hilferuf, adressiert an Politiker in Bund und Land, zeigte allerdings Wirkung. Bundestagsabgeordneter Stephan Harbarth wandte sich gleich an die Bonner Telekom-Zentrale und erbat Auskunft, "warum es immer wieder zu Ausfällen des Festnetzes kommt".
Landtagsabgeordneter Hermino Katzenstein blies ins gleiche Horn und forderte von der Telekom, deren größter Aktionär nach wie vor die Bundesrepublik ist, nicht nur das Kabel zu flicken, sondern in Daisbach ein "dauerhaft funktionstüchtiges Netz" vorzuhalten. Auch sein Landtagskollege Albrecht Schütte meldete sich bei der Telekom und bat eindringlich um eine schnelle Lösung.
Der Telekommunikations-Riese, ansonsten mit Erklärungen bei Kabel-Pannen eher zurückhaltend, gab diesmal prompt eine umfassende Erklärung ab. Man bedaure die Netzstörung und sei bei der Problembehebung. Schuld an der Malaise seien "die jüngsten Unwetter, insbesondere die massiven Regenfälle". Ein Wassereintritt an einem 600-paariges Hauptkabel habe die Verbindungen unterbrochen.
Lokalisiert wurde die Störstelle dann nach so genannten Durchmessungen am Hoffenheimer Ufer der Elsenz, an dem auch die Leitungen nach Daisbach abgehen. Weitere Leckagen des dicken Kabels, das eventuell bei Glasfaserverlegungen beschädigt wurde, konnte der Bautrupp gestern nicht ausschließen. Die Messungen liefen noch. Die Reparatur selbst ist knifflig: Das neue Kabel wird gespleißt, das heißt, dass an den Kabelenden mehrere hundert Kupferadern miteinander verknüpft werden. "Das macht keine Maschine, das ist echte Handarbeit", erläuterte Telekom-Sprecherin Alexia Sailer.