Stadtwald-Pflege kostet Geld und bringt Gewinn
Den Forst als Wirtschaftsfaktor gibt es nicht mehr. Das "Ökosystem Wald" erfüllt soziale, ökologische und ökonomische Funktionen.

Heilbronn. (bfk) Würde die Stadt Heilbronn ihre Gemeinderatsdrucksachen noch als "Drucksachen" behandeln, hätte für diese mit der Nummer 134/2023 auf der Tagesordnung der jüngsten Sitzung – vom Umfang her gesehen – wohl ein ganzer Baum sterben müssen. Es ging darin um den Zustand und die Entwicklung des Heilbronner Stadtwaldes.
Eine Prognose sollte man darin freilich nicht sehen, hieß es beim Vortrag von Immanuel Schmutz, Abteilungsleiter Forst, lediglich eine Zustandsbeschreibung, unter anderem mit diesen Feststellungen: "Wir haben einen Überhang an dicken, alten Eichen, einen Spitzenwert an Totholz – und was aussieht wie Kahlschlag, das ist Verjüngung."
Die Zeiten, in denen der Wald als Wirtschaftsfaktor betrachtet wurde, als solcher auch funktionierte und zu funktionieren hatte, sind endgültig vorbei. Der Wald wird nicht nur mit anderen Augen gesehen, er wird anders bewertet und hat andere Funktionen als nur Jagdrevier zu sein, Kulisse für den Sonntagsspaziergang und Brennholzlieferant.
"Der Stadtwald Heilbronn erfüllt auf seinen rund 1084 Hektar eine räumlich stark differenzierte Vielzahl sozialer, ökologischer und ökonomischer Funktionen", heißt es in der Drucksache. Und: "Die Inventur im Rahmen der Forsteinrichtungserneuerung hat ergeben, dass die forstliche Betriebsfläche durch den Wegfall der Deponie Vogelsang, (bisher noch befristet umgewandelter Wald) um rund 30 Hektar zurückging." Die Deponie befand sich auf der Rückseite des Wartbergs, war damit unsichtbar, oft aber nicht "unüberriechbar". Durch Zukäufe und Neuaufforstungen hat die Gesamtfläche aber wieder um 6,5 Hektar zugenommen.
Unter den fast 40 Baumarten im Stadtwald dominieren Eichenmischwälder mit fast der Hälfte, gefolgt von anderen Laubmischwäldern mit rund 30 Prozent. Die Anteile von Fichte (von acht auf vier Prozent zurückgegangen) und Esche (von elf auf sechs Prozent) haben sich als Folge der Trockenjahre und des Eschentriebsterbens im vergangenen Jahrzehnt jeweils halbiert. Zugelegt haben die Buche (von 15 auf 18 Prozent) und der Bergahorn (von sieben auf zehn Prozent). Nur noch auf zwölf Prozent der Waldfläche wachsen Nadelbäume, in der natürlichen Verjüngung fehlen sie fast vollständig.
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Heilbronn sei mit diesem Wald "privilegiert", sagte Grünen-Stadtrat Wolf Theilacker und ergänzte in Anspielung auf die "Kessellage" der Stadt: Im "Amphitheater Heilbronn" sei er Ventilator und Kühlaggregat, aber auch ein Patient, den man "mit Hingabe" schützen müsse und ihm nicht mehr, wie noch in den 1980er-Jahren, Ertrag abverlangen dürfe. Diese Einschätzung traf auf Einigkeit im Ratssaal, Lob und Anerkennung für die Forstarbeit gab es aus allen Fraktionen. Als es vor einigen Monaten darum ging, Jagdreviere neu zu gestalten, auch um Wildschäden besser zu kontrollieren, war dies so noch nicht der Fall.
Marion Rathgeber-Roth (UfHN) brachte es auf den Punkt: Man müsse einfach froh sein, dass man so etwas noch in Heilbronn habe. Das darf dann auch etwas kosten: "Im Durchschnitt ergab sich für die vergangenen zehn Jahre ein jährliches Defizit von 362 Euro pro Hektar, darin eingeschlossen sind sämtliche Aufwendungen in den Bereichen Erholung und Ökologie wie auch die Ausbildung unserer jungen Forstwirte", bilanzierte die Forstabteilung. Das Lob für deren Arbeit hätte auch anderen "jungen Forstwirten" gelten können.
4000 gesponserte, klimastabile Bäume haben die "Heilbronner Waldpaten" um Jugendgemeinderat Max von der Herberg in den zurückliegenden beiden Jahren im Stadtwald gepflanzt, immer abgestimmt mit dem Forstamt. In ihren Aktionen den Gegenentwurf zu den Klima-Aktivisten der "Letzten Generation" zu sehen und dies im Rahmen der Sitzung wenigstens einmal lobend zu erwähnen, wäre geboten gewesen, fand aber nicht statt. Die Waldpaten definieren ihre Anliegen unter dem Motto "Nächste Generation Heilbronn".
Im Stadtwald finden sich zahlreiche geschützte Amphibien-, Fledermaus-, Vogel- und Insektenarten. Auf diese wird nicht nur bei der Bewirtschaftung Rücksicht genommen, es wurden auch wiederholt Artenschutzmaßnahmen realisiert. Die Klimaschutzleistung des Stadtwaldes lässt sich unter Berücksichtigung der Substitutionsleistung des Holzes mit 9900 Tonnen CO2 jährlich beziffern.
Vor allem die östlich der Stadt gelegenen Waldflächen haben auch aus Sicht des Kleinklimas und der möglichen Folgen des globalen Klimawandels eine positive Wirkung. Ihre nächtliche Kühl- wie auch die Wasserrückhalte- und Wasserspeicherfunktionen zeigten ihre Effekte unmittelbar vor Ort, heißt es in dem Bericht weiter, während die Speicherung von Kohlenstoff in Holz, Totholz und Holzprodukten global wirksam sei.