Ein Haushalt, dem alle zustimmen konnten
Die Stadt steht finanziell immer noch sehr gut da: Die Pro-Kopf-Verschuldung soll 2024 von neun auf sechs Euro sinken.

Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Das letzte Wort hat immer der Gemeinderat, auch wenn es um den Haushalt der Stadt und dessen Verabschiedung geht – und das ist meistens auch gut so. Als nach neunstündiger Sitzung die mehr als 300 Anträge entweder genehmigt, abgelehnt, zurückgezogen, mit Sperrvermerk versehen oder zum Prüfantrag umgewandelt waren, ergriff CDU-Fraktionsvorsitzender Thomas Randecker für alle seine Mit-Stadträte nochmals das Wort, dankte der Verwaltung, vor allem aber der Kämmerei und ihrer Leiterin Heike Wechs, und fand dann auch die richtigen Worte, um das Jahr ausklingen zu lassen, auch indem er die Gemeinsamkeiten und nicht die Unterschiede betonte.
Diese waren im Verlauf der Sitzung einmal sehr heftig zu Tage getreten, als Rainer Hinderer, Fraktionsvorsitzender der SPD, und auch Herbert Burkardt für die Freien Wähler klar artikulierten, dass es im Geimenderat demokratische und nicht-demokratische Parteien beziehungsweise Gruppen gebe. Vorweihnachtlich-milde gestimmt, in der Sache aber nicht unbedingt ganz auf der "richtigen" Seite, hatte Oberbürgermeister Harry Mergel auch für die sich angegriffen Fühlenden gesprochen.

Mit der Auffassung, dass nicht alle Stadträte "lupenreine Demokraten" sein sollen, sind Hinderer und Burkhardt jedoch nicht alleine. Dennoch: Auch Randeckers Ausführungen trugen dazu bei, dass bei dem im Anschluss an die Sitzung stattfindenden und wohlverdienten Weihnachtsessen im Ratskeller alle wieder einträchtig an einem Tisch saßen.
Mehr als 300 Anträge auf 16 eng bedruckten Seiten hatte das Gremium nach den Vorberatungen nun zur Abstimmung vor sich. Im Juni ist Gemeinderatswahl, die Fraktionen und Gruppen hatten sich dafür schon bei ihren Sommerpressekonferenzen warm gelaufen und dann auch, soweit sie erfolgt sind, bei den Kandidatenaufstellungen. Die Fülle der Anträge, gerade auch zum sozialen Bereich, bei Klimaschutz und Mobilität, den Kernthemen des nächsten Jahres, zeigt schon, dass Kommunalpolitik nicht einfach mit Sachpolitik gleichzusetzen ist. Von "ambitioniert" über "ehrgeizig" bis hin zu bewusst aufgetragener Bescheidenheit. So lässt sich zusammenfassen, was dank ihrer auf Heilbronn zukommen wird.
Selbst bei unterschiedlichster Schwerpunktsetzung war man sich aber in einem einig; die Bugwelle von 160 Millionen Euro Haushaltsresten aus dem vorigen, und auch dem vorvorigen Jahr, ärgert alle. Diese bereitgestellten, aber nicht abgerufenen Mittel für längst beschlossene Projekte sind stets auch eine Versuchung zur Zweckentfremdung. Und eine Pro-Kopf-Verschuldung von derzeit neun Euro verweist nicht nur auf Sparsamkeit, sie lässt sich auch als Investitionsstau lesen. Im Jahr 2024 wird diese Pro-Kopf-Verschuldung sogar noch auf sechs Euro sinken.
Der OB und sein Finanzdezernent Martin Diepgen sehen weder Grund zum Jubeln, noch zum Jammern. Auch wenn Diepgen wie gewohnt den Warner gibt.
Die Prognosen für die auf 2024 folgenden Jahre zeigen ein deutlich eingetrübtes Bild. Man erinnere sich, 2023 hielt noch eine besondere Überraschung bereit: 60 Millionen mehr an Gewerbesteuer als einkalkuliert. Zum Vergleich: Für 2024 stehen 140 Millionen Einnahmen aus Gewerbesteuer plus 32 Millionen an Grundsteuer auf der Einnahmen-Seite. Solches ist für 2024 und die folgenden Jahre nicht unbedingt erwartbar, wenngleich OB Mergel doch noch eine solche wie der Nikolaus aus dem Sack holte:
Die gerade abgeschlossene Rathaussanierung war weitaus preisgünstiger als geplant. Hinzukommt noch, dass man auch 2024, anders als einkalkuliert, wohl auch wieder auf eine Kreditaufnahme verzichten kann. Bei dem Schuldenstand von 825.000 Euro sind die Eigenbetriebe der Stadt, die Entsorgung und das Theater, nicht berücksichtigt.
Letzteres erhielt gerade erst wieder eine Budgeterhöhung, ihr stimmten einige Stadträte in der Sitzung zuvor nur noch mit der Faust in der Tasche, aber ohne große Debatte zu. Ganz im Gegensatz zur vorherigen Sitzung, als es beispielsweise um Anträge aus dem sozialen Bereich ging.
Eine lange Debatte entwickelte sich zum Stellenplan. Die Personalkosten stellen mit 186,1 Millionen Euro den "größten Batzen" im Haushalt dar (2023: 175,9 Millionen Euro). Wie sich dieser Posten weiterentwickelt, wird auch von kommenden Tarifabschlüssen abhängen. Dass man hier gerade die Anträge, sie kamen aus mehreren Fraktionen, ablehnte, die mittels "Planer-Stellen" eine effizientere und auch bürgerfreundlichere Verwaltung und Exekutive zum Ziel hatten, das bietet sicher noch Wahlkampf-Munition.
Hintergrund
Die umfangreiche Sanierung des Heilbronner Rathauses von 2015 bis 2022 ist deutlich günstiger ausgefallen als erwartet. In die Brandschutzmaßnahmen und die Erneuerung der EDV-Infrastruktur wurden knapp 6,1 Millionen Euro investiert. Das bedeutet, dass die tatsächlichen Kosten
Die umfangreiche Sanierung des Heilbronner Rathauses von 2015 bis 2022 ist deutlich günstiger ausgefallen als erwartet. In die Brandschutzmaßnahmen und die Erneuerung der EDV-Infrastruktur wurden knapp 6,1 Millionen Euro investiert. Das bedeutet, dass die tatsächlichen Kosten exakt 804.942,72 Euro und damit fast zwölf Prozent unter der ursprünglichen Berechnung liegen. Grund für die Einsparungen waren teils günstigere Angebote als zunächst berechnet. Und es wurden weniger Mittel für unvorhergesehene Maßnahmen benötigt als einkalkuliert. Im Zuge der Sanierung wurden unter anderem neue Brandabschnitte angelegt, sichere Fluchtwege durch Brandschutztüren geschaffen und die Lüftungstechnik im Dach des historischen Rathauses brandschutztechnisch ertüchtigt. Vor dem Großen Ratssaal wurde ein Rauch- und Wärmeabzug sowie ein Brandschutzvorhang installiert. Mit neuen EDV-Installation wurden auch die Fensterbrüstungen von innen wärmegedämmt und die Heizkörper erneuert. (bfk)
Schwerpunkte des Haushalts, dessen Gesamtvolumen 1,2 Milliarden Euro beträgt, sind bei den 77 Investitionsmillionen der Klimaschutz (zehn Millionen Euro), Mobilität (21 Millionen Euro), Bildung (16 Millionen Euro, unter anderem für neue Schulen). In die Stadtteile fließen 31, in die Kernstadt 23 Millionen Euro. Unterm Strich steht – auf dem Papier – nicht nur ein ausgeglichener Haushalt, sondern ein Plus von 6,4 Millionen, wie Mergel betonte. Angesichts dessen könnten die prognostizierten Defizite für die nächsten Jahre ihren Schrecken fast verlieren.
Wie wenig Konfliktstoff – unterm Strich – der Haushalt dann doch bietet, zeigten die Redebeiträge der Sprecher der Fraktionen und Gruppen. Alle fanden den Haushalt so "annehmbar", dass es kein "nein" dazu gab.
Dass zu den Sachargumenten immer wieder auch Ausflüge in die Berliner Politik stattfanden, kommentierte Malte Höch (Unabhängige für Heilbronn) mit spitzem Nachhaken, ob es denn jetzt schon um die Wahl gehe. Randeckers Schlusswort zum Haushalt blieb nicht kritiklos, war mal sachorientiert, mal staatstragend und immer auf Sparsamkeit sowie den Führungsanspruch seiner Fraktion ausgerichtet.
Holger Kimmerle (Grüne) sah im Zahlenwerk durchaus Spielraum, diesen allerdings auch bei der Zinsentwicklung und zog als Fazit für seine Fraktion: "Dieser Haushalt lässt sich sehen", um dann doch den CDU-Vorwurf einer "Links-Grünen" Mehrheit zurückzuweisen. Hinderer hatte damit kein Problem. Er stellte fest, dieser Haushalt zeige, dass "Teilhabe keine Floskel ist" und der Gemeinderat seiner Verantwortung für die Stadtgesellschaft nachkomme.
Nico Weinmann (FDP) fand, es habe sich schon bei den Haushaltsberatungen gezeigt, dass man mit diesem den Herausforderungen begegne und dafür ein solides Fundament habe, man könne ihm überzeugt zustimmen. Burkhardt wollte dann die Einigkeit nicht übertrieben sehen, er erinnerte an viele liegen gebliebene Projekte und betonte "kein Wurmfortsatz der CDU" zu sein.