Heilbronn

Ambivalente Aussichten für die Finanzen im Jahr 2024

Pro-Kopf-Verschuldung soll vom Rekordtief neun Euro auf über 200 Euro steigen. Hohe Rücklagen bieten Sicherheit.

09.10.2023 UPDATE: 09.10.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 54 Sekunden
Dem Heilbronner Rathaus geht die Arbeit nicht aus. Jetzt wurde im Gemeinderat der Haushalt für das Jahr 2024 vorgestellt. Foto: Dezort

Von Brigitte Fritz-Kador

Heilbronn. "Spare in der Zeit, so hast Du in der Not" - dass sich diese alte Küchenweisheit auch heute nicht überholt hat, zeigte sich wieder einmal mehr bei der Einbringung des Haushaltsentwurfs für das Jahr 2024 in den Gemeinderat der Stadt Heilbronn – ein umfangreiches Werk, in vielen Farben, das Erster Bürgermeister und Finanzdezernent Martin Diepgen zusammen mit Heike Wechs, Amtsleiterin Finanzverwaltung, und Claus Ehmann, ihrem Stellvertreter, dem Gemeinderat vorlegte.

Eine "Not" ist nicht da, aber kaum einen Zweifel ließ er daran, dass sie kommen kann. Angesichts der gegenwärtigen Pro-Kopf-Verschuldung von neun Euro ist das schwer vorstellbar. Die Prognose, dass es damit schon im kommenden Jahr vorbei sein kann, ist vorerst auch nur eine solche: Vorausgesetzt es bleibt bei der geplanten Kreditaufnahme, kann sie auf 211 Euro steigen. In der Vergangenheit zeigte es sich allerdings immer wieder, dass genehmigte, bereitgestellte Finanzmittel in größerem Umfang gar nicht abgerufen wurden. Sie wurden nicht gebraucht, weil die Projekte verzögert oder gar nicht erst angegangen wurden.

Hintergrund

Die größten Investitionen fließen in Baumaßnahmen, allem voran in den Hochwasserschutz, den Neubau und die Sanierung von Schulen. Hochwasserschutz Neckar (Planung und Bau), 26,3 Millionen Euro; Neubau Neckartalschule, 19,5 Millionen Euro; Sanierungsgebiet Innenstadt, 18,1

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Die größten Investitionen fließen in Baumaßnahmen, allem voran in den Hochwasserschutz, den Neubau und die Sanierung von Schulen. Hochwasserschutz Neckar (Planung und Bau), 26,3 Millionen Euro; Neubau Neckartalschule, 19,5 Millionen Euro; Sanierungsgebiet Innenstadt, 18,1 Millionen Euro; Nordumfahrung Frankenbach (Planung und Bau 1. Bauabschnitt), 18 Millionen Euro; Neue Grundschule Innenstadt, 4,5 Millionen Euro; Erweiterung Grundschule Alt-Böckingen, 11,5 Millionen Euro; Investitionszuschüsse an freie Träger für Kindertageseinrichtungen, 11,5 Millionen Euro; Eigenkapitalerhöhung der Stadtwerke Heilbronn für die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte und Infrastrukturmaßnahmen, neun Millionen Euro; Verbreiterung der Neckartalstraße (von Neckargartacher Brücke bis Autobahnanschluss), sechs Millionen Euro; Planungsraten Grünzug Steinäcker (IPAI Zukunftspark), sechs Millionen Euro. (bfk)

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Allerdings hat Diepgen mit der vorgelegten aktuellen Prioritätenliste, wie vom Gemeinderat vorgegeben, noch weitere Zweifel angemeldet und vorsorglich gewarnt, dass auch daraus nicht alles umsetzbar sein könnte. Ob auch in diesem Haushaltsjahr die personellen Kräfte und die materiellen Voraussetzungen für die Abarbeitung beschlossener Investitionen gegeben sind, wird sich zeigen – die Erfahrung spricht dagegen.

Zum gewohnten Bild der Haushaltseinbringungen gehört schon seit Jahren eine Bugwelle von Haushaltsresten, eben aufgrund dieser und der genannten Faktoren. Zuletzt handelte es sich hierbei um Beträge in zweistelliger Millionenhöhe. Das weckte immer wieder Begehrlichkeiten für "Umfinanzierungen" und neue Anträge, auch gegenwärtig. Ein Hauch von Gelassenheit, vermischt mit Vorsicht, auch im Hinblick darauf, wo man bremsen will, zeigte sich dennoch in der Aussprache im Gemeinderat, in den zuversichtlichen und beruhigenden Worten von Oberbürgermeister Harry Mergel, weniger in den Kommentaren der Fraktionsspitzen.

Diepgen sprach in seiner Haushaltsrede von einem schwierigen Ausblick auf das Jahr 2024. "Es ist ein Ausblick voller Ambivalenz", kündigte er an. So werde man auch den Verzicht üben müssen. Stichworte dazu sind die Energieversorgung, der demografische Wandel, Fachkräftemangel, die anstehende Transformation in der die Region prägenden Automobilindustrie, dies im Hinblick auf höhere Ausgabe und möglicherweise geringerer Einnahmen bei der Gewerbesteuer: "Mit seiner wichtigsten Ertragsart, der Gewerbesteuer, ist unser Haushalt abhängig von diesen Zusammenhängen", sagte er dazu, um dann im gleichen Atemzug auch die bisherige "sehr vorsichtige Ausgabenpolitik"’ zu loben.

Die Rückstellungen von 202 Millionen Euro, so die Zahlenangabe schon vor einigen Monaten und eine freie Liquidität zum Jahresende von 62,8 Millionen, erklärt dann auch das Motto, unter das Diepgen den Haushalt 2024 stellte: "Solide Grundlagen für herausfordernde Zeiten." Die Ergebnisrücklagen betragen zum Jahresende 183,9 Millionen Euro, der Schuldenstand (Kernhaushalt) liegt bei 1,1 Millionen Euro. Die "Problemzonen" sind, auch dann, wenn der Haushaltsausgleich durch Rücklagen gewährleistet ist, einerseits die steigenden Personalkosten, die mit 186 Millionen Euro fast ein Drittel der Mittel binden, und die Sachaufwendungen und Dienstleistungen, deren Umfang von Faktoren abhängt, die außerhalb liegen – beispielsweise die Energiekosten. Sie liegen bei 86 Millionen Euro (14 Prozent).

Die geplanten hohen Investitionen für die "Zukunftsfelder" gehen vor allem in die Digitalisierung, in Aufwendungen für die Bildungs- und Wissensstadt (unter anderem Schulneubauten) und in eine "zukunftsfähige Mobilität", satte 76 Millionen Euro sind für Baumaßnahmen eingestellt. Sichtbar macht die Folgen dieser Planung eine Grafik zum Ergebnishaushalt. Dafür genügen zwei Linien, die der "ordentlichen Erträge" wie auch die der "ordentlichen Aufwendungen". Beide steigen seit 2017 nahezu parallel und kontinuierlich. Im Jahr 2024 aber liegt ihr Schnittpunkt, und bis 2027 geht die Schere immer weiter auf, dann liegen die Erträge immer deutlicher unter den Aufwendungen. Diepgens Lieblingsvokabel zu dieser Entwicklung ist "strukturelles Defizit", sie wird jedes Jahr bemüht.

Der Tag der Einbringung des Haushaltes ist nicht der Tag der Haushaltsreden, die kommen noch. Die aktuellen, kurzen Stellungnahmen der Fraktionsspitzen aber waren schon geprägt von mitunter sehr unterschiedlicher Betrachtung. Die Gewerbesteuereinnahmen, die "große Unbekannte", werden sich wohl auch 2024 nicht sehr von den eingeplanten 140 Millionen entfernen, auch die weiteren Prognosen dazu liegen auf etwa gleicher Höhe. Dabei muss es aber nicht bleiben. In der Vergangenheit zeigte sich immer wieder, dass diese Einnahmen zu niedrig angesetzt waren, bis hin zu hohen zweistelligen Millionenbeträgen. Wäre es umgekehrt gewesen, wäre die Kritik sicher härter ausgefallen, aber Diepgens Flirt mit dem "worst case" kennt man ja inzwischen. Zu 2024 sagt er: "Durch die Anhebung des Hebesatzes für die Grundsteuer B um 50 auf 500 Punkte werden Mehrerträge von etwa drei Millionen Euro erwartet." Im Jahr 2018 hatte die damalige Grünen-Stadträtin Susanne Bay von "erschrecken hohen Haushaltsresten gesprochen". Jetzt, als Regierungspräsidentin in Stuttgart, dürfte ihrer Behörde die Genehmigung des Haushaltes leichter fallen.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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