Die fetten Jahre sind noch nicht vorbei
Stadt legt Doppelhaushalt für 2025 und 2026 vor. Das soll "ein gutes Sprungbrett in die Zukunft" sein.

Von Brigitte Fritz-Kador
Die Einbringung des Haushaltes ist die Stunde des Finanzdezernenten, der Gemeinderat muss dazu noch schweigen. Seine Stunde schlägt, wenn er seine Anträge einbringt, stets kurz vor Weihnachten. Ein wenig "schöne Bescherung" gab es schon jetzt. Eine Metapher wie "wunderbares Sprungbrett" hatte Finanzdezernent und Erster Bürgermeister Martin Diepgen so noch nie, nun aber bewusst, gewählt, als er zusammen mit Heike Wechs und Claus Ehmann seinen Entwurf für den Doppelhaushalt 2025/2026 dem Gemeinderat in der jüngsten Sitzung erläuterte. Man sei dabei "immer auf Sicht" gefahren. Diepgens Fazit: "Für die Weiterentwicklung der Stadt ist gut gesorgt, es gibt aber auch erheblichen Handlungsbedarf."
Diepgen wäre nicht Diepgen, würde er nicht wieder seine "Lieblingsvokabel" bemühen, die vom "strukturellen Defizit". Vereinfacht gesagt: Es entsteht, wenn sich die Schere nach dem Schnittpunkt der Linien von Einnahmen und Ausgaben öffnet. Im Ergebnishaushalt, daraus werden die laufenden Kosten bestritten, gibt es keine Deckung zwischen den Aufwendungen von 689 Millionen Euro und den Erträgen von 670 Millionen.
Das kennt man aber schon aus den vergangenen Jahren. Zu den Verursachern gehören, so listet es Diepgen auf, die Unternehmen der Stadt, die sie alleine trägt: Beispielsweise die Heilbronn Marketing GmbH und andere, mit hohem Finanzbedarf, wie die Stadtwerke. Als Fehlbetrag im Ergebnishaushalt, also im offenen "Scherenschnitt", stehen für 2025 17,2 Millionen Euro, davon werden dem Theater Heilbronn 10,6 Millionen zugerechnet, für 2026 sogar 11,2 Millionen Euro.
Hintergrund
Laut Statistischem Landesamt waren Ende 2023 von den 1101 Gemeinden Baden-Württembergs 101 schuldenfrei. Dabei handelt es sich aber um kleinere Gemeinden. Bei der Verschuldung der Gemeinden und ihrer Eigenbetriebe von 16,6 Milliarden Euro insgesamt liegt die durchschnittliche
Laut Statistischem Landesamt waren Ende 2023 von den 1101 Gemeinden Baden-Württembergs 101 schuldenfrei. Dabei handelt es sich aber um kleinere Gemeinden. Bei der Verschuldung der Gemeinden und ihrer Eigenbetriebe von 16,6 Milliarden Euro insgesamt liegt die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung in Baden-Württemberg bei 1469 Euro. Die meisten Stadtkreise liegen hier aber deutlich darüber. (bfk)
Diskussionen und entsprechende Anträge wird es mit Sicherheit dazu geben, die unwilligen Äußerungen aus mehreren Fraktionen gelten diesen hohen Finanzbedarf, stets unter Verweis auf die Schaffung der vierten Spielstätte im K3 (40.000 Euro Eigenmittel) und der dafür noch so plötzlich aufgeschienenen Mietnachforderung von 94.000 Euro. Das geht dann auch an die Rücklagen. "Es treten Zuschuss-Bedarfe auf, wie wir sie bisher nicht kannten", kommentiert Diepgen den aktuellen Finanzbedarf.
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Zuletzt kam die Stadt ohne Kreditaufnahme aus. Um die Pro-Kopf-Verschuldung von neun Euro in einer Großstadt wird man Heilbronn weithin beneiden. Dankbar ist auch Diepgen dafür, "dass wir trotz der multiplen Krisen gut dastehen". Solches spiegeln auch die "seriös ermittelten" Eckdaten und Prognosen wider, auch im Blick auf die gesamtwirtschaftlichen Lage. Das Gewerbesteueraufkommen von 150 Millionen Euro ist gleich hoch angesetzt wie 2024, die Rücklagen betragen 220 Millionen, die Bugwelle der 200 Millionen Haushaltsreste für beschlossene Projekte ist nicht abgeflacht. Was sind da schon 59 Million Euro für Baumaßnahmen, von denen 33 Millionen in die Schulen fließen sollen, für einen Neubau, Erweiterungen, Sanierungen? Fast ebenso so viel ist für Straßen, Brücken und Wege vorgesehen.
Es ist nicht der Ehrgeiz, Heilbronn als "European Green Capital 2026" zu sehen, die Entscheidung fällt Ende November – die 15 beziehungsweise 14 Millionen Euro entsprechen den Konzepten zu Klimaschutz und Verkehrswende. Weiterhin sind angesetzt fünf Millionen für die "Sportstadt", vier für die Digitalisierung der "KI-Stadt".
In der Pressekonferenz stellte Diepgen auch die rhetorische Frage danach, "ob unsere Standards noch die richtigen sind". Er regte an, "alle Posten in großer Offenheit durchzuchecken", zu fragen "wohin fließt das Geld" und mahnte: "Wir leben eindeutig über unsere Verhältnisse." Ein angestoßener Konsolidierungsprozess habe nur wenig Wirkung gezeigt, nun fordert er ein neues Konzept für den Ergebnishaushalt, verbunden mit Aufgabenkritik, eine genereller Sparstrategie und Zeitplan. Zum Schluss gab es noch ein Zitat von Lothar Späth, dem früheren Ministerpräsidenten: "Sie glauben gar nicht, wie leicht Sparen fällt, wenn man kein Geld mehr hat."
Ein "wunder Punkt" in dem Machwerk sind die Zahlen und Prognosen, die der Haushaltsentwurf für die gesetzlich festgelegten Sozialleistungen (beispielsweise Grundsicherung), zu Flüchtlings- und Eingliederungshilfen nennt. 2023 waren dafür noch 68 Millionen Euro angesetzt, bis Jahr 2029 könnten es 82 Millionen Euro werden. Als Zuweisungen an Freie Träger und Hilfen für junge Menschen werden 91 Millionen Euro für 2023 genannt, bis 2029 bereits rund 110 Millionen Euro. Ein weiterer "wunder Punkt" sind die laufenden Kosten von 288 Millionen Euro (41 Prozent des Haushaltes) und hier die Personalkosten – 2023 lagen sie bei 165 Millionen, bis 2029 rechnet man mit 212 Millionen, wobei Tarifabschlüsse noch etwas ändern können.
Im Jahr 2008 war die Abschaffung der Kitagebühren eine politische Großtat mit großem Echo in ganz Deutschland, sie gilt bis heute als gutes Argument für den Zuzug junger Familien. Doch immer wieder gibt es auch Gemurre über den jährlichen Einnahmeverzicht von 9,5 Millionen. Auch Diepgen sprach ihn an, ohne genauer zu werden, aber zu prophezeien, er könne auf Dauer nicht gewährleistet werden. Umstritten ist schon länger, warum nicht wenigstens Besserverdienende für die Kita zur Kasse gebeten werden und bisher davon profitieren.