Gemeinderat Neckarbischofsheim

Kontroverse Debatten zu Geldknappheit und schwerem Unfall

Unterkühlte Stimmung im Gemeinderat – Räte und Eltern machten ihrem Unmut Luft

03.07.2018 UPDATE: 04.07.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 29 Sekunden

Wohin fließt das Geld, das Steuern, Gebühren und Zuweisungen einbringen? Dass wegen der leeren Stadtkasse immer weniger Projekte umgesetzt werden können, nervt Stadträte zunehmend. Foto: Günther Keller/RNZ-Grafik

Neckarbischofsheim. (ts) Nein, in die Kategorie "schnellste Sitzung der Geschichte" wird die jüngste, fast zweistündige Versammlung des Gemeinderats nicht eingehen - dafür aber dürfte sie in der Rangliste der hitzigen Debatten eine Top-Position einnehmen.

Für Zündstoff sorgte die kommunale Geldknappheit, aber auch der Unfall mit einem achtjährigen Jungen in der Von-Hindenburg-Straße sowie eventuell notwendige Präventionsmaßnahmen. Die Folge waren heftige Wortwechsel.

Die erste Missstimmung kam auf, als Bürgermeisterin Tanja Grether berichtete, dass die Stadt vom Wasserrechtsamt aufgefordert worden sei, "Messeinrichtungen zur Dokumentation des Einstau- und Überlaufverhaltens" an Hochwasserbecken einzubauen. Kostenpunkt: etwa 41.500 Euro. Murren im Stadtrat, das sei doch "zum Ko….", das Landratsamt beschließe, die Kommune müsse zahlen.

Auch der Hinweis, dass die Kosten nicht an der Stadtkasse hängen blieben, sondern in die Globalrechnung eingingen, beschwichtigte die Räte kaum. Bauamtsleiter Jürgen Böhm sprang seiner Chefin zur Seite und gab zu Protokoll, dass die Verwaltung ja nur ausführe, was der Gesetzgeber fordere.

Der Abend wurde später, die Themen dauerten länger als gedacht, das Abendspiel der Fußball-WM hatte begonnen, die Nerven lagen offenbar etwas blank. Als der Tagesordnungspunkt "Anfragen des Gemeinderats" an der Reihe war, machten Stadträte ihrem Unmut Luft.

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Sinn und Unsinn der Elektroladesäule am Schwimmbad wurden diskutiert, das Baumsterben im Eichertstal durch den offenbar nicht ganz geglückten Sonnenbrand-Schutzanstrich bemängelt, der Zustand einiger Verkehrsinseln, Pflanzentröge und Büsche im Gemeindegebiet kritisiert.

Für Norbert Benz war damit der Kulminationspunkt erreicht, er ließ seinem Unbehagen über die Richtung, in die sich Neckarbischofsheim bewege, mit drastischen Worten freien Lauf. Ganz freien Lauf.

Offenbar hatte sich bei ihm und auch in seiner Fraktion sehr viel Ärger über die Politik der Verwaltung und der Bürgermeisterin aufgestaut. Die permanente "Wir-haben-kein-Geld-Leier" gehe ihm auf den Wecker, beklagte er. Man müsse endlich was tun, nicht nur verwalten. Rumms, das saß. Eine Einzelmeinung?

Der Verkehrsunfall mit einem Achtjährigen an dieser Stelle treibt die Diskussion über die Verkehrssicherheit an der L549 an. Foto: Günther Keller

Die Sitzung war damit aber noch nicht beendet, es sollte turbulent weitergehen. Etwa zehn Eltern aus dem Eichertstal hatten sich eingefunden, um ihrer Wut über die Verkehrssituation, die einem Kind das Leben hätte kosten können, deutlich Ausdruck zu verleihen.

Es werde nichts getan für die Sicherheit der Kinder, die Situation an der Bushaltestelle beim Netto-Markt sei ein Horror, in Untergimpern müssten Eltern jeden Tag an der Bushaltestelle Angst um ihre Kinder haben, denen die Autos und Lkw fast über die Schuhe führen, die Stadt habe hier die Bürger zu schützen.

Bürgermeisterin Grether zeigte viel Verständnis für die Eltern, betonte jedoch, dass die Stadt alles getan habe, um einen Fußgängerüberweg zu bekommen, doch das Landratsamt habe diesen nach einer Verkehrszählung negativ beschieden. Damit ließen sich die Eltern nicht abspeisen, sie forderten mehr Penetranz und einen "täglichen Anruf im Landratsamt, bis sich endlich was tut".

Gebetsmühlenartig wiederholte Tanja Grether in der hitzig geführten Diskussion, dass sie nicht einfach in den Verkehr eingreifen könne, das sei Sache des Kreises. Die Frage nach Kurzfristmaßnahmen, sie kam: Lotsen, Tempo-30-Zonen oder Ampel? Die Antwort der Rathauschefin: Sie kam auch, siehe oben.

Das brachte nun Stadtrat Rüdiger Knapp, ansonsten eher von ruhigem Naturell, vollkommen aus der Fassung. Er habe ja nichts sagen wollen, betonte er mehrfach, aber für die Zukunft der Stadt sehe er rabenschwarz. "Wir haben für nichts Geld, was den Menschen unserer Stadt zugute kommt, für andere Dinge ist immer Geld da. Wir sparen uns zu Tode, und es passiert hier einfach nichts." Offenbar war Norbert Benz mit seinem Frust an diesem Abend nicht allein.

Besser machte die Stimmung nun auch nicht mehr, dass die anwesenden Eltern mit immer neuen Vorschlägen für mehr Verkehrssicherheit aufwarteten, manche durchaus kurios (etwa die Idee, einen Kreisverkehr am Abzweig Richtung Flinsbach einzurichten), aber alle der sichtlichen Sorge um das Wohl der Passanten geschuldet.

Übrigens: Das Abendspiel der WM war quasi vorbei, als die öffentliche Sitzung beendet wurde. Die Nachspielzeit im alten Rathaus hinter geschlossenen Türen soll dem Vernehmen nach spannender gewesen sein als der WM-Kick.

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