Eppingen

Stotterstart für Bürgerbus-Projekt

Privatinitiative stellt Konzept für die Kernstadt vor - Emotionale Debatte - Oberbürgermeister sieht "in der Summe eine Riesenchance"

20.03.2019 UPDATE: 21.03.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 2 Sekunden

Der Bürgerbus in Bad Wimpfen ist ein Erfolgsmodell und dient auch der Eppinger Initiative als Vorbild. In sechs Jahren wurden hier mehr als 70.000 Fahrgäste von ehrenamtlichen Fahrern befördert. Foto: Armin Guzy

Von Armin Guzy

Eppingen. Ruckelnd und mit reichlich Getöse ist ein Bürgerbus-Projekt für die Kernstadt angerollt. Nach mehrheitlichem Votum hat die Verwaltung nun den Auftrag, das von einer Privatinitiative vorgeschlagene und bereits recht ausgefeilte Konzept weiterzuverfolgen. Gleichwohl wurde es bei der Diskussion am Dienstag im Gemeinderat teilweise emotional.

Kritik entzündete sich vor allem daran, dass (zunächst) nur die Kernstadt bedient werden soll. Auch das Risiko, die nötige Investition von mindestens 75.000 Euro in den Sand zu setzen, wollte nicht jeder mittragen. Gegenstimmen kamen von Anton Varga und Georg Heitlinger.

Lothar Schlesinger. Foto: Guzy

Federführend bei der Entwicklung des Projekts ist Lothar Schlesinger, ehemaliger Leiter des Flurneuordnungsamts in Sinsheim, seit kurzem Pensionär und seit 2011 "Neu-Eppinger". Er wolle nicht daheim hinter dem Ofen sitzen, und, ja, er habe vielleicht auch ein bisschen ein Helfersyndrom, nannte der 66-Jährige vor der Sitzung im Gespräch mit der RNZ seine Beweggründe, die aber zuvorderst von ökologischen und sozialen Gedanken geprägt seien.

Der Plan: Die Stadt kauft für etwa 110.000 Euro einen achtsitzigen Bus mit absenkbarem Einstieg, beantragt dafür eine Förderung beim Land, die im Idealfall 35.000 Euro beträgt, und lässt dann montags bis samstagmittags Ehrenamtliche hinters Steuer, die Bürger und Gäste im Stundentakt und für kleines Geld durch die Kernstadt chauffieren. Einen Euro soll die Fahrt kosten, Kinder und Über-80-Jährige sollen im Rahmen eines "Sozialtarifes" sogar gratis befördert werden. Mit 50 bis 60 Fahrgästen täglich rechnet Schlesinger, etwa 20 davon zahlend. Nach den positiven Signalen aus dem Gemeinderat soll aus der "noch relativ losen Gruppe" nun ein Verein geformt werden. "Das ist ein Auftrag an uns, am Ball zu bleiben", sagte der Initiator nach der Abstimmung.

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> Der Stadtbusbetrieb in Sinsheim, der in der Diskussion als Beispiel für eine große Lösung herangezogen wurde, schlägt sich im Haushalt der Kraichgau-Metropole mit etwa eine halben Million jährlich nieder. Seit diesem Jahr unterstützt der Rhein-Neckar-Kreis das 1996 gestartete Vorhaben mit 50 Prozent, zuvor waren es zwischen 40 und 45 Prozent. Die Stadtbusse verkehren regelmäßig in der Kernstadt und den zwölf Stadtteilen. Der Fahrpreis ist an den VRN-Tarif angeglichen.

> Der Bürgerbus Bad Rappenau wird, wie in Eppingen geplant, von einem Verein getragen und verkehrt ausschließlich in der Kernstadt. Immer wieder totgesagt, fährt der Bus aktuell noch an Samstagen und bei Festen, doch der kommunalpolitische Rückhalt, und damit auch das Geld, fehlen weitgehend. Derzeit stellen die Kurbetriebe der Stadt dem Verein einen Bus kostenlos zur Verfügung und zahlen auch die Spritkosten. Die Fahrten sind für Bürger gratis. (guz)

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Bei der vorangegangenen Grundsatzdiskussion wurden allerdings auch etliche Bedenken deutlich. Dass die Bürger in den Stadtteilen nicht bedient werden sollen, nannte Anton Varga (CDU) eine "Zwei-Klassen-Gesellschaft", und wie er zweifelte auch Georg Heitlinger (FBW) an, dass ein solches von der Stadt finanziertes Angebot zur Daseinsvorsorge gehöre und nötig sei. Peter Wieser (Grüne) merkte an, dass ein "reines Tagesangebot" bei Jugendlichen und Schichtarbeitern zu kurz greife. Außerdem sei fraglich, "ob das alles im Ehrenamt zu leisten ist." Gleichwohl: "Wir können das nicht einschätzen, würden es aber mittragen", positionierte er seine Fraktion.

"Grundsätzlich eine super Geschichte", äußerte sich Klaus Scherer (CDU), signalisierte aber Bedenken hinsichtlich eines Schilderwalds und zweifelte an, dass die Route von der Nord- in die Südstadt und zurück tatsächlich im Stundentakt zu schaffen sei. Positiv gestimmt war Jörg Haueisen (FBW). Er wünsche sich jedoch ebenfalls, dass mittelfristig auch die Stadtteile einbezogen werden, und regte an, für die Testphase einen gebrauchten Bus zu kaufen: "120.000 Euro (dieser Betrag stand in der Vorlage) zu setzen, bei einem unsicheren Ausgang, fällt uns schwer", bekannte er.

Ein gebrauchtes Fahrzeug sei kaum zu finden, antwortetet Schlesinger später. In der Gemeinde Güglingen, in der das Bürgerbus-Projekt gerade beerdigt und der Bus verkauft wurde, sei er leider zwei Tage zu spät gekommen. Dann stellte Schlesinger den Negativbeispielen Güglingen und Bad Rappenau ("Das ist ein Trauerspiel") viele gelungene Projekte im ganzen Land gegenüber, beispielsweise in Bad Wimpfen.

Auch für Eppingen sieht er wegen der Stadtbahnanbindung beste Voraussetzungen - allerdings nur, wenn OB und Gemeinderat dahinterstehen, das Angebot nicht wie in Güglingen auf zwei Wochentage begrenzt bleibt und es "im wahrsten Sinne des Wortes niederschwellig" ist: "Wir müssen zeigen, dass wir die letzte Meile vom Bahnhof zum Haus anbinden können." Zum Start seien mindestens 22 Fahrer nötig, die im Sommer 2020 rekrutiert werden sollen - wenn der erhoffte Bewilligungsbescheid vom Land vorliegt und der Bus bestellt werden kann.

Oberbürgermeister Klaus Holaschke sieht "in der Summe eine Riesenchance". Eppingen habe engagierte Menschen und nun auch ein gutes Konzept, lobte er. Dass der Bürgerbus kein Stadtbus wie etwa in Sinsheim ist, sei klar. Dann nämlich würde sich der Zuschuss in einem "hohen sechsstelligen Bereich" bewegen (siehe Hintergrund). Die Anbindung der Stadtteile solle aber nichtsdestotrotz im Fokus bleiben.

Der Meinungsaustausch wurde phasenweise emotional und auch laut geführt, vor allem zwischen Varga und Holaschke, zwischen Hartmut Kächele (SPD) und Varga und zwischen Kächele und Wieser. Von Albernheiten war die Rede, von fehlendem Mut, von in den Mund gelegten Aussagen, von Polemik und vom Recht auf kritische Fragen. "Es ist nicht gut, wenn wir uns heute einen Wettstreit liefern, wer den Bürgerbus mehr befürwortet", sagte Wieser. Und direkt an Schlesinger gewand: "Lassen Sie sich nicht einschüchtern, wenn wir heute ein bisschen zickig sind. Das ist wohl die Nervosität vor den Wahlen." Schlesinger habe ein "super Konzept" vorgelegt, befand Michael Mairhofer (SPD): "Wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir das heute zerreden." Ähnlich auch sein Fraktionskollege Dieter Gräßle: "Dass der Bürgerbus keine schwarzen Zahlen schreibt, muss uns klar sein." Aber: "Bürger für Bürger - ich glaub’, das kann laufen."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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