Bald gilt Tempo 30 in allen Ortsdurchfahrten
Stadt und RP machen Ernst beim Thema Lärmschutz. Es werden "keine gravierenden Verschlechterungen" für den Durchgangsverkehr erwartet.

Von Armin Guzy
Eppingen. Die Zahl der Knöllchen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen dürfte sich in den kommenden Monaten in der Eppinger Gesamtstadt sprunghaft vergrößern. Zusatzeinnahmen für die Stadtkasse sind aber ausdrücklich nicht der Grund, weshalb in nahezu allen Durchfahrten der sechs Ortsteile in den nächsten Tagen und Wochen Tempo-30-Schilder montiert werden. Vielmehr sieht sich die Stadtverwaltung zu diesem Schritt gezwungen, um die Anwohnenden vor allem vor krankheitsverursachendem Lärm zu schützen. Am Dienstag wurde der Gemeinderat über die neuen Geschwindigkeitsbeschränkungen informiert.
Schon mehrfach ist das Thema Verkehrslärm in den zurückliegenden Jahren im Gemeinderat erörtert worden, und spätestens seit die von der Stadt in Auftrag gegebenen Verkehrszählungen und Lärmanalysen aus allen Ortsteilen vorliegen, ist klar, dass Verwaltung und Gemeinderat nicht nur handeln wollen, sondern auch müssen. Denn in nahezu allen sechs Ortsdurchfahrten verursacht der Straßenverkehr Lärm, der tagsüber lauter als 65 Dezibel und nachts lauter als 55 Dezibel ist, also im "gesundheitskritischen Bereich" liegt, und zwar an den meisten Streckenabschnitten sowohl tags als auch nachts.
An einzelnen Stellen wurden tagsüber auch 70 Dezibel (nachts 60) überschritten, was als "gesundheitsgefährdend" gilt und die Stadt folglich zum Handeln zwingt. Hinzu kommen in manchen Streckenabschnitten "besondere Gefährdungssituationen", beispielsweise an Schulwegen oder Straßenquerungen.
"Wir haben kein Ablehnungs- und auch kein Zustimmungsrecht", verdeutlichte Oberbürgermeister Klaus Holaschke, weshalb der Gemeinderat die Anordnung nun auch lediglich zur Kenntnis nehmen konnte. Allerdings steht die Mehrzahl der Gremiumsmitglieder auch hinter dem Lärmschutz, andernfalls hätte die Stadt weder eine Untersuchung in Auftrag gegeben noch einen Antrag auf Tempobeschränkung beim Regierungspräsidium (RP) Stuttgart gestellt. "Das ist nicht in allen Kommunen so", merkte Holaschke an, "man findet nicht überall den Willen der Gemeinderäte dafür."
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Dass die nun vom RP angeordneten Tempo-30-Abschnitte nicht noch länger ausgefallen sind, liegt zum Teil daran, dass die Zählung im vergleichsweise verkehrsarmen Corona-Jahr 2021 erfolgten. Aber selbst in dieser Zeit wurden beispielsweise in der Ortsdurchfahrt Richen, in der wegen der Verkehrsproblematik bekanntlich bereits seit 2013 Tempo 30 gilt, täglich 13.200 Fahrzeuge gezählt. In den meisten anderen Ortsteilen liegen die Zahlen zwischen 5000 und 6000 Fahrzeugen. Weniger Fahrzeuge wurden nur in Elsenz (2650), Mühlbach (3150) und Adelshofen (1100) gezählt. Für Adelshofen bedeutet das, dass vom RP für den Bereich zwischen Hilsbacher Straße 1 und der Wegeverbindung zur Unterdorfstraße keine Beschränkung genehmigt wurde, obwohl die Stadt diese beantragt hatte. Lediglich auf der Strecke zwischen den Hausnummern 16 bis 60 wird, beziehungsweise bleibt, nun 30er-Zone.
Manches in der Anordnung der RP sei "nicht nachvollziehbar", kommentierte der ehemalige Adelshofer Ortsvorsteher Gunter Seitz (SPD). "Wir haben’s anders gewollt", merkte Holaschke dazu an, doch die gemessenen Verkehrsdaten "geben es nicht her".
Die Fachplaner erwarten, dass die Geschwindigkeitsreduzierung von 50 auf 30 Stundenkilometer den Lärm ganztägig um 2,5 Dezibel verringern wird. Bevor der Antrag auf Tempobeschränkung gestellt wurde, wurden auch andere Maßnahmen zur Lärmminderung geprüft, beispielsweise der Einbau von sogenanntem Flüsterasphalt. Außerdem wurde untersucht, welche Auswirkungen auf den fließenden Verkehr zu erwarten sind – also auch auf die Busverbindungen – und ob sich die Autofahrer möglicherweise Ausweichrouten suchen, was dann in anderen Straßen zu Belastungen führen würde.
Im Abwägungsprozess, der für jede einzelne Straße nötig war, kam die zuständige Straßenverkehrsbehörde, also die Stadt Eppingen, zu dem Schluss, dass der Anspruch der Anwohner auf Schutz vor Lärm und Abgasen höher zu werten ist als die Interessen der Verkehrsteilnehmer. Nach Auffassung der Stadt bedeutet die Geschwindigkeitsreduzierung für den Durchgangsverkehr auch "keine gravierenden Verschlechterungen"; die Zeitverluste beim ÖPNV lägen "allesamt im vertretbaren Bereich", andernfalls wäre dies vom Landratsamt Heilbronn auch beanstandet worden, heißt es in der Gemeinderatsdrucksache zum Thema.
Bei der Aussprache wurde dann auch die Situation in der Eppinger Kernstadt angesprochen. Das weitere Vorgehen in Bezug auf den noch nicht verkehrsberuhigten Abschnitt der Brettener Straße und die Heilbronner Straße sei "noch nicht abschließend gelöst", sagte Holaschke.