Wird der Kurhügel zum Millionärshügel?
Ein ganzes Quartier ist im Um- und Aufbruch - Immobilienpreise bereiten Stadträten Kopfzerbrechen

Auf dem Areal der ehemaligen Kur- und der Sophie-Luisen-Klinik soll bald das Salinencarré gebaut werden. Foto: Armin Guzy
Von Armin Guzy
Bad Rappenau. Wohnen in der Kurstadt ist schon lange teurer als im Umland. Inzwischen aber haben die Preise für Grundstücke, Neu- und Altbauten und auch die Mieten ein Niveau erreicht, das einigen Stadträten Kopfzerbrechen bereitet. In der Kommunalverwaltung wird die Entwicklung ebenfalls diskutiert, sucht man nach Lösungen und Steuerungsmöglichkeiten. Spruchreif ist noch nichts, das Thema aber wird als vordringlich erachtet - es hat soziale Sprengkraft, gerade in einer Stadt, in der viele Senioren leben - nicht nur als Kurgäste.
Auf dem Kurhügel röhrt der Preisturbo derzeit wie in kaum einem anderen Viertel der Stadt. Und nicht allen bereitet der Klang Freude. Hier hatte der Heilbronner Projektentwickler Kruck & Partner vor vier Jahren das Projekt "Wohnen am Park" realisiert und drei Mehrfamilienhäusern mit 24 Wohnungen gebaut. Die Penthousewohnungen mit 150 Quadratmeter kamen damals für etwas mehr als ein halbe Million Euro auf den Markt, die günstigste mit knapp 80 Quadratmeter für 200.000 Euro. Nur einen Steinwurf entfernt will der Heilbronner Projektentwickler, der aktuell das Vier-Sterne-Hotel neben dem Rappsodie baut, bekanntlich ein neues Ensemble in Angriff nehmen. Man ist zwar bereits ein gutes Jahr im Verzug, aber nach wie vor sind auf dem Gelände der früheren Sophie-Luisen-Klinik fünf Mehrparteienhäuser an der Salinenstraße und das Seniorenwohnprojekt Salinencarré geplant - 50 Seniorenwohnungen und dazu etwa 60 Wohnungen für alle.
Für alle, die es sich leisten können. Reichte die Quadratmeterpreisspanne bei "Wohnen am Park" von 2400 bis 3500 Euro je Quadratmeter, ist nun, vier Jahre später und bei offenbar annähernd vergleichbarer Ausstattung, der damalige Endpreis zum Einstiegspreis bei den Wohnungen an der Salinenstraße geworden: 3460 Euro je Quadratmeter. Die Penthousewohnung mit 215 Quadratmeter in Haus 1 ist laut RNZ-Informationen bereits vor dem ersten Spatenstich reserviert - knapp eine Million Euro soll sie kosten, 4300 Euro je Quadratmeter. Das geht aus einem Exposé hervor, das der RNZ vorliegt. Kruck & Partner hat sich trotz wiederholter Anfragen dieser Zeitung bisher nicht zu Details und Zeitplan geäußert.
Der Gemeinderat hatte dem Vorhaben Mitte 2014 noch unter Oberbürgermeister Hans Heribert Blättgen mehrheitlich zugestimmt und es wiederholt als städtebauliches Glanzlicht bezeichnet. Damals war von einem Investitionsvolumen von 50 Millionen Euro die Rede - Insider bezweifeln, dass diese Zahl heute noch realistisch ist. "Vom Kurhügel zum Millionärshügel", sagt einer, der die Entwicklung seit Jahren eng begleitet, und anonym bleiben will. Und auch Bad Rappenaus neuer Oberbürgermeister Sebastian Frei weiß: "Das ist nichts, was unter dem Thema sozialer Wohnungsbau laufen wird."
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Genau an diesem aber mangelt es im Stadtgebiet. Senioren und Alleinerziehende haben das Nachsehen, die Anschlussunterbringung von Migranten wird immer problematischer, aber auch Normalverdiener müssen trotz niedriger Zinsen mit spitzem Griffel rechnen, wenn sie mieten, bauen oder kaufen wollen. Grundstücke und Wohnraum sind zwar in Wollenberg, Heinsheim und Treschklingen noch deutlich günstiger als in den begehrteren Stadtteilen, aber selbst dort ziehen die Preise an, und die Kommune tut sich schwer damit, neue Wohngebiete zu erschließen. Zwischen 145 und 330 Euro und mehr reicht aktuell die Preisspanne pro Quadratmeter Bauland - in der Kernstadt ist aktuell kein einziger städtischer Bauplatz mehr auf dem Markt.
Große Hoffnungen ruhen momentan auf dem Baugebiet Kandel westlich der Kernstadt, dessen Erschließung - kalkuliert sind 2,6 Millionen Euro - sich allerdings bereits verzögert hat. Angesichts der Wohnraummisere gilt es inzwischen als sehr wahrscheinlich, dass der Gemeinderat die bisherige Einfamilienhaus-Maxime kippt und dort auch Mehrparteienhäuser zulässt, die günstiger zu bauen sind.
Selbst in den sozialen Wohnungsbau einsteigen, wie es beispielsweise gerade in der Nachbarstadt Eppingen diskutiert und geprüft wird, will und kann Bad Rappenau aber offenbar nicht. Zumindest nicht alleine. "Wir brauchen Partner", sagte OB Frei bereits vor Wochen im Gespräch mit der RNZ, "aber wir sind dran und mit potenziellen Interessenten im Gespräch."
In wieweit ein Investorenmodell tatsächlich trägt, ist die große Unbekannte in der Rechnung, denn gedeckelte Mietpreise machen eine Investition nur mit besonderen Steuersparkonditionen interessant. Sonst wird eben lieber dort investiert, wo mehr Rendite zu erwarten ist.
Kruck & Partner hat für das Salinencarré eine eigene Kapitalgesellschaft in geschlossener Form gegründet, die Salinencarré Bad Rappenau GmbH & Co. KG. Auf diesem Weg sollen fast fünf Millionen Euro für den Bau der Seniorenwohnanlage in einem Fonds gesammelt werden. Die Zielgruppe sind vorwiegend Kleinanleger. Doch offenbar haben auch größer Spieler - Banken und die Verwaltungsgesellschaften großer Familienvermögen etwa, die sich auf einem verschwiegenen Markt tummeln - Interesse. Vor allem an den fünf geplanten Wohnhäusern, von denen aktuell nur eines halbwegs öffentlich beworben wird.
Und noch einen Steinwurf weiter tut sich ebenfalls etwas: An der Ecke Waldstraße/Karl-Rausch-Straße will eine Wohnbau-GmbH aus dem Ortenaukreis laut Informationen der RNZ ein Mehrparteienhaus mit rund 20 Wohnungen bauen. Die Preise hier: 3400 bis 3600 Euro je Quadratmeter. Die Villa Geiger schräg gegenüber dem Rappsodie, eines der repräsentativsten Gebäude in der Stadt und vormals im Besitz der Kur- und Klinikverwaltung (KuK) Bad Rappenau, ist inzwischen ebenfalls an einen Investor verkauft, der hier dem Vernehmen nach exklusive Wohnungen anbieten will. Und dann dringt noch die Nachricht durch, dass die KuK den Neubau ihres geplanten ambulanten Therapiezentrums vorgezogen hat und sich aktuell in der "finalen Planungsphase" befindet. Was nach dem Neubau aus dem dann frei gewordenen Rundbau des bisherigen Therapiezentrums in der Salinenstraße wird? Vonseiten der Stadt gibt es dazu aktuell keine Informationen. Die Planungen laufen im Hintergrund.
Angeheizt wird die Grundstücks- und Mietpreisentwicklung in Bad Rappenau offenkundig durch die Boom-Stimmung in der Wirtschaftsregion Heilbronn allgemein, aber auch durch den Umzug der Lidl-Deutschland-Zentrale von Neckarsulm in die Nachbarstadt Bad Wimpfen. Mindestens 1700 Angestellte sollen dort bald arbeiten, darunter etliche auskömmlich bezahlte Führungskräfte. In Bad Wimpfen habe der Bau der neuen Zentrale bereits Spuren auf dem Wohnungsmarkt hinterlassen, sagen Kommunalpolitiker der Stauferstadt. Makler deuten es immerhin an. Was da sei, sei auch gleich wieder weg. Nur: Der Wohnungs- und Häusermarkt in Bad Wimpfen sei nahezu leergefegt.
Auch Bad Wimpfens Bürgermeister Claus Brechter spricht von einer "sehr angespannten" Marktlage, die allerdings schon seit Längerem zu spüren sei. Zu Quadratmeterpreisen von 260 bis 320 Euro verkaufe die Stadt aktuell die wenigen verfügbaren Bauplätze. Zwei neue Baugebiete sind in der bauplanerischen Vorbereitung. Etwa 2020 sollen sie erschlossen werden. Brechter rechnet dann mit einem weiteren Preissprung: "Das ist die Kehrseite der Medaille einer guten wirtschaftlichen Entwicklung in der Region."



