Die neuen Nachbarn sind 20 junge Männer
Anfrage im Gemeinderat: Sollte das Rathaus Nachbarn über Flüchtlingsunterbringung informieren?

Das Viertel rund um die Kirche im Hoffenheimer Altort. Den Bau links will die Stadtverwaltung Sinsheim zur Anschlussunterbringung von Flüchtlingen nutzen. Foto: Tim Kegel
Von Tim Kegel
Sinsheim. Sollten die Nachbarn gefragt werden, wenn das Rathaus Flüchtlinge in städtischen Immobilien unterbringt? Dies wollte jetzt Gerhard Kühner wissen, der für die FDP im Gremium sitzt, und nannte als Beispiel ein Haus in der Eschelbacher Wannenstraße. Kühner leite "Anfragen aus der Bürgerschaft", die an ihn gerichtet worden seien, lediglich an die Verwaltungsspitze weiter, betonte er. Im Gremium kam es daraufhin zu einer lebhaften Diskussion.
"Schwachsinn", echauffierte sich SPD-Rat Jürgen Schön. Es sei, so Schön, "schließlich auch nicht üblich, dass man sagt: Da ziehen bald Deutsche ein." Würde die Stadtverwaltung Anschlussunterbringungen derartig kommunizieren, so Schön weiter, laute das Signal: "Leute, jetzt kommen Ausländer."
Ein zweites Mal wurde die Frage im Rahmen der Bürgerfragerunde gestellt: Werner Gilbert aus Hoffenheim meldete sich und berichtete von der Besorgnis in seinem Wohnviertel in der Kirch- und Glockenstraße. Dort beherbergt das Rathaus überwiegend junge Männer, rund 20 Personen, was nach Einschätzung Gilberts "in etwa der Zahl einheimischer Bewohner" in dem Quartier und daher einem Missverhältnis entspreche. Der Sitzungsgast erklärte, selbst eine Immobilie "viele Jahre lang problemlos an Menschen unterschiedlichster Herkunft vermietet" zu haben. Trotzdem wollten er und die Nachbarschaft wissen, "wer sich darum kümmert, dass man sich benimmt." Der Gast gab an, in städtischen Auskünften zur Anschlussunterbringung sei "immer von Familien die Rede gewesen", in Realität habe es sich dann vorwiegend um "Männer zwischen 20 und 30 Jahren gehandelt", was ein anderes Konfliktpotenzial berge. Gilbert plädierte auch in den Dörfern für ein "Hoffnungshaus-Modell", ähnlich des geplanten Projekts in der Kernstadt, in dem Flüchtlinge und Einheimische unter einem Dach leben sollen, was Integration besser fördere, "als wenn man unter sich bleibt". Ein Ansprechpartner im Rathaus sei erwünscht, so Gilbert, "für den Fall, dass etwas schief geht, was niemand hofft."
Sachlichkeit wollte Oberbürgermeister Jörg Albrecht in die Diskussion bringen: "Wir bemühen uns um Familien, wissen aber nicht, wer uns zugeteilt wird." Außerdem gehe die Zuteilung in die Anschlussunterbringung oft sehr schnell, so Albrecht. Eine Information der Nachbarn scheitere "allein schon am Zeitfaktor". Außerdem gebe es hierzu keine Rechtsgrundlage, "anders als bei einem Bauantrag", bei dem die unmittelbare Nachbarschaft gehört werden müsse. "Die Ortsvorsteher werden informiert", stellte Albrecht klar, die wiederum im Kontakt zu Bevölkerung stünden.
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Ortsvorsteher schilderten daraufhin Erfahrungen in der Anschlussunterbringung: Wolfgang Mayer aus Eschelbach sprach von einem guten Verhältnis; die jungen Männer im Ort seien "alle in Ausbildung". Als man in Eschelbach von deren Ankunft erfuhr, habe man kurzerhand Probetrainings beim örtlichen Fußballklub arrangiert, schilderte Mayer. Aus Steinsfurt berichtet Rüdiger Pyck, "dass die Jungs recht gut Deutsch" sprächen und sich ihre Deutschkurse zum Teil selbst finanzierten, "da die 400 Euro Kosten nicht übernommen" würden.
Rund 100 Personen habe die Stadt Sinsheim im Jahr 2017 untergebracht, wobei auch circa 68 private Unterkünfte gefunden werden konnten, schilderte Jörg Albrecht. Dass private Unterbringungen vom Landratsamt auf die städtische Unterbringungsquote angerechnet worden seien, helfe dem Rathaus sehr; denn Anschlussunterbringung sei teuer, zeitintensiv und schwer planbar, bedeute in der Regel auch "Betten, Küche, Einrichtung zu besorgen", so Albrecht. 2018 rechne man mit weiteren 100 Menschen.
"Eine Vorzeigestadt" in der Betreuung von Flüchtlingen sei Sinsheim, sagte Jörg Albrecht. Neben dem Flüchtlingsbeauftragten Frederik Böna und der Integrationsbeauftragten Inge Baumgärtner würden im Rathaus künftig "zwei neue Kräfte als Integrationsmanager angestellt", die auch der Bevölkerung als Ansprechpartner dienten.