Sinsheim: Zukunftsmusik klingt nach Langzeitprojekt
Visionär-kulturelles Experiment soll bis Oktober eingespielt und nach 20 Jahren erneut gezeigt werden - Suche nach "idealer Zukunft"

Den Sinsheim-Sound aufnehmen und für die nächsten 20 Jahre konservieren. Das haben sich Christoph Ogiermann, Petra Schüle und Helga Maria Craubner (von links) vorgenommen. Foto: Keller
Sinsheim. (kel) Das dürfte ein spannendes Experiment werden: Visionen für Sinsheim sollen in Musik, Bild und Texten formuliert und aufgeführt werden, dann wird das Ganze konserviert und in 20 Jahren zur Überprüfung nochmals abgespielt. Dann, also im Jahr 2036, wollen die "Sinsheimer Kulturtage", ihr 50. Jubiläum feiern. Diese städtische Veranstaltungsreihe hat denn auch den Anstoß für die futuristische Planung gegeben.
Umsetzen soll das Vorhaben vor allem Christoph Ogiermann. Der 48-Jährige aus Bremen ist ein kultureller Tausendsassa: Komponist, Geiger, Performer, Kurator, Dozent, Konzertveranstalter - und für Sinsheim schlüpft er in die Rolle des Stadtkompositeurs. Einen ersten Eindruck von der Kraichgaumetropole hat er sich bereits verschafft, im nächsten Schritt sollen die örtlichen Kulturschaffenden eingebunden werden. Petra Schüle vom städtischen Kulturamt, die die organisatorischen Fäden zieht, denkt dabei an Musikschule, Vokalensemble, Stadtkapelle, aber auch an die Stadtbibliothek oder den Musiker Karl Schramm. Lyriker, Poeten und Texter, die sonst eher im stillen Kämmerlein werkeln, sind ebenfalls willkommen. Auch das Auto- und Technik-Museum und die Badewelt als wichtige lokale Einrichtungen werden wohl irgendwie mitspielen.
Flankierend steht das vom Kultusministerium gesponserte baden-württembergische "Netzwerk Neue Musik" parat, das mit dem Sinsheimer Projekt "Spurensuche" betreibt. "Wir wollen mit den Bürgern Fragen nach dem zukünftigen Miteinander stellen", gibt Netzwerk-Geschäftsführerin Helga Maria Craubner als Devise aus und erhofft sich den Beschrieb einer "idealen Zukunft" aus lokaler Sicht. Ansonsten gibt es keine Vorgaben, jeder kann für sich etwas zusammen spinnen. In Form bringen soll es dann Christoph Ogiermann, dem eine "sehr theatrale", genreübergreifende Darstellung vorschwebt. Noch ist das gesamte Vorhaben in einer frühen Startphase. Richtig los gehen wird es im Frühjahr, und im Oktober soll dann das erarbeitete Werk in einer einmaligen Vorführung, voraussichtlich im Musiksaal des Wilhelmi-Gymnasiums, gezeigt und aufgenommen werden.
Mit dem Projekt fühlt sich Christoph Ogiermann an die amerikanische Raumsonde "Voyager 2"erinnert, die vor fast 40 Jahren in den Kosmos abhob und auf Ewigkeiten durch ferne Welten schwebt. Auf ihrer Mission führt sie eine "Golden Record" mit, eine Datenplatte mit Bild- und Audio-Informationen über die Menschheit. Der noch unbekannte Alien-Empfänger wird sicher die eine oder andere Überraschung erleben, wenn er die Scheibe denn mal abspielt. So ähnlich könnte es vielleicht den Sinsheimern gehen, wenn sie 2036 die Aufzeichnungen von heute anschauen. Ogiermanns größte Sorge: "Hoffentlich gibt es dann noch ein passendes Lesegerät".