Sandhausen

Den Wald vom "Eindringling" Kermesbeere befreien

"Operation Kermesbeere" zeigt Wirkung. Aus den Beeren wird nun Biogas.

25.11.2022 UPDATE: 25.11.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 10 Sekunden
Beim Freiwilligentag „Wir schaffen was“ schlossen sich der wöchentlich aktiven Gruppe rund 60 Menschen an, um den Hardtwald von der Kermesbeere zu befreien. Foto: Hebbelmann

Von Sabine Hebbelmann

Sandhausen. Ein knappes Dutzend stark ist der Kern der Aktiven, die der invasiven Amerikanischen Kermesbeere im Sandhäuser Wald den Kampf angesagt haben. Seit mehr als einem Jahr durchkämmen sie mit Spaten und Machete systematisch den Sandhäuser Wald – der Erfolg lässt sich inzwischen sehen.

Freitagnachmittag, der herbstliche Wald gibt noch mal alles, was er an Farben zu bieten hat. "Wir treffen uns wieder um 15 Uhr beim Schützenhaus", hatte Michael Kassautzki am Vortag in die Whatsapp-Gruppe "Operation Kermesbeere" geschrieben.

Die reifen Beeren stellen die Aktiven vor besondere Herausforderungen. Eine Pflanze kann 200.000 Samen produzieren. Bei ungehindertem Wachstum lagern schon nach wenigen Jahren Unmengen von Samen im Boden, die an lichten Standorten austreiben.

Förster Achim Freund lobt das große bürgerschaftliche Engagement und versichert: "Das wollen wir mit unseren Kräften unterstützen." Damit sie die Pflanzenteile mit den Beeren entsorgen können, stellt die für die Bewirtschaftung von Staatswald verantwortliche Forst BW den Freiwilligen sogenannte "Big Bags" – also große Tragetaschen – zur Verfügung. Diese werden in einen Container bei der Waldweide in Hockenheim geleert, den die AVR abholt und zur Biogasanlage nach Sinsheim fährt.

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Freund hofft, dass die Gruppe auch im nächsten Jahr dranbleibt und die Aktionen weiterhin so gut koordiniert werden. Den Aufwand des Abtransports brauche es nicht das ganze Jahr über, sondern nur im Spätsommer und Herbst, wenn die Pflanzen Unmengen an Samen produzieren und Wildtiere sie verbreiten.

Auf den kargen Sandböden der Schwetzinger Hardt breitet sich die invasive Staude seit rund zehn Jahren massiv aus. Über ihre kräftigen Wurzelrüben speichert sie Wasser und Nährstoffe und gibt Giftstoffe an den Boden ab, die andere Pflanzen am Keimen hindern. Die Staude kann übermannsgroß werden und bildet zum Teil dichte Bestände. Die neue Konkurrenz setzt den dürregeplagten Bäumen zu. Umgekehrt schaffen kahle Wipfel und Holzentnahmen erst die Bedingungen für die Ausbreitung der Licht liebenden Pflanzen. Ein Teufelskreis. Den Impuls zu dem bürgerschaftlichen Engagement gab Klaus Frohn, der mit Peter Schimass und Norbert Wilkens die "Aktionsgemeinschaft Hardtwald" gründete.

In Sandhausen organisieren sich die Waldschützer seither auf lokaler Ebene. Sie haben das Waldgebiet in Parzellen aufgeteilt und treffen sich mindestens einmal pro Woche – meist freitags, so wie auch heute ab 15 Uhr – um ein weiteres Stückchen Wald von der Kermesbeere zu befreien. Es ist die Sorge um den heimischen Wald, die sie antreibt, aber auch die Freude an frischer Luft, netter Gesellschaft und Bewegung – "da spart man sich das Fitness-Studio", sagte ein Teilnehmer. Wer will, kann für eine bereits bearbeitete Parzelle die Patenschaft übernehmen und diese auch dauerhaft von der Kermesbeere freihalten.

Info: Wer bei der "Operation Kermesbeere" mitmachen will, kann sich per E-Mail an michael.kassautzki@pro-waldschutz.de wenden.


> Die Amerikanische Kermesbeere hat ihr natürliches Verbreitungsgebiet in Nordamerika. Von Siedlern nach Europa gebracht, findet sich die ebenso dekorative wie giftige Pflanze heute vor allem als Zierpflanze in Gärten. Bei passenden Standortbedingungen kann sie verwildern und sich stark ausbreiten. Von den Früchten angelockt, sorgen Vögel für die weitere Verteilung der Samen. Bei ungehindertem Wachstum lagern schon nach wenigen Jahren Unmengen von Samen im Boden, die an lichten Standorten austreiben. In Deutschland beschränkt sich die Verbreitung auf die Regionen mit Weinbauklima im Südwesten. Im Waldschutzgebiet Schwetzinger Hardt breitet sich die Staude seit rund zehn Jahren massiv aus und bildet dichte Bestände, die den Aufwuchs junger Bäume verhindern. Auch durch sogenannte Phenole, die die Pflanze über ihre Wurzel abgibt, ist sie in der Lage, andere Arten am Keimen zu hindern.

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