Prozess in Heidelberg

Vater und Sohn nehmen 13-jährigen Roller-Dieb in Leimen als Geisel

Das Duo hielt einen 13-Jährigen in der Wohnung fest, weil dieser mit einem Freund einen Motorroller stehlen wollte. Die Angeklagten drohten dem Kind Gewalt an.

16.12.2022 UPDATE: 16.12.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 32 Sekunden
Archiv-Foto: Alex

Von Lukas Werthenbach

Leimen/Heidelberg. Es begann mit dem versuchten Diebstahl eines Motorrollers, mündete in die Entführung eines 13-Jährigen samt brutalsten Drohungen und endete mit einer Schlägerei: Ein 65-Jähriger und sein 32-jähriger Sohn sind am Donnerstag vor dem Heidelberger Amtsgericht wegen "gemeinschaftlicher Geiselnahme" jeweils zu einem Jahr und zwei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Strafen werden auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt; die Angeklagten müssen ihrem Opfer ein Schmerzensgeld von 800 Euro und je 1500 Euro an gemeinnützige Zwecke zahlen.

Zwei 13-Jährige wollten an einem Abend im Mai 2021 offenbar den Motorroller des älteren Angeklagten von einem Parkplatz in Leimen stehlen. Mit dabei waren zwei weitere Jugendliche, die aber nach eigener Aussage nichts mit dem Diebstahl zu tun haben wollten und auf Abstand gingen. Der 65-Jährige war gerade dabei, gemeinsam mit seinem Sohn seine Wohnung auszuräumen: Ein Umzug stand an, die Ehefrau beziehungsweise Mutter war wenige Monate zuvor gestorben.

"Eine Nachbarin hat dann gerufen, dass die unseren Roller klauen wollen", sagte der als Kfz-Mechaniker tätige und kurz vor der Rente stehende Angeklagte vor Gericht. Die Jungs ließen den Roller fallen, der gegen das Auto des Mannes fiel und dieses beschädigte. In der Folge stieg der 65-Jährige in sein Auto und fuhr drei der vier Jugendlichen hinterher; alle flüchteten mit dem Fahrrad, einer fuhr in eine andere Richtung.

Auf einem Feldweg am Stadtrand ging die Verfolgung zu Fuß weiter, wobei der 65-Jährige den eingangs genannten 13-Jährigen zu packen bekam. Beide fielen zu Boden; ob der Mann mit der Faust zuschlug, konnte nicht abschließend geklärt werden: Die Jugendlichen hatten bei Polizei und vor Gericht teils widersprüchlich ausgesagt. Ansonsten gab es keine Beweise für mehrere Faustschläge – wie laut Anklageschrift zunächst vermutet – ins Gesicht des Jungen.

Auch interessant
Zementwerks-Blockade Leimen: Richterin nicht befangen – Klimaaktivisten-Prozess geht weiter
Masken-Prozess Weinheim: Staatsanwaltschaft will härtere Strafe für Ärztin
Normannia-Prozess Heidelberg: Bewährungsstrafen und Freispruch für "antisemitischen Charakter" (Update)

Jedenfalls packte der ältere Angeklagte den Jungen, setzte ihn in sein Auto und nahm ihn mit in seine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. "Er hat mich über die Treppen nach oben gezogen", sagte der Junge als Zeuge aus. Oben im dritten Stock angekommen, wollte der Angeklagte die Adressen der anderen Jugendlichen erfahren. Zunächst schrieb der 13-Jährige wohl falsche Telefonnummern auf, was der 65-Jährige bemerkte.

Dann kam der 32-Jährige hinzu, der in der Zwischenzeit mit dem Packen von Kartons auf dem Speicher beschäftigt gewesen war. "Der Kleine sagte, dass sein Fahrrad noch auf dem Feldweg ist, deswegen wollte ich losfahren und es holen", so der ältere Angeklagte. Er habe seinen Sohn beauftragt, die richtigen Adressen von dem Jungen zu erfahren. "Mach ihm Angst und sag ihm, dass du seine Finger abschneidest oder ihm einen Zahn ziehst, wenn er was falsch aufschreibt", habe der ältere zum jüngeren Angeklagten gesagt.

Als der Sohn mit dem Jungen allein in der Wohnung war, habe er eine Zange in der Hand gehabt und nach eigenen Worten "aus Spaß" gefragt, ob er ihm Finger oder Zähne entfernen solle. Da habe der verängstigte Junge angefangen zu weinen, woraufhin der 32-Jährige versichert habe, dass er nur "Quatsch" mache. Letztlich gab ihm der 13-Jährige die korrekten Telefonnummern seiner Freunde. Nachdem diese nicht wie vereinbart zu einem Treffen an der Geschwister-Scholl-Schule gekommen waren, fuhren der zwischenzeitlich zurückgekehrte Vater mit Sohn und 13-Jährigem zur Wohnanschrift eines der anderen Jugendlichen.

Hier kam es zum Streit zwischen den Eltern des Jungen und den beiden Angeklagten. "Der Vater hat uns noch provoziert und gesagt, dass seinem Sohn eh nichts passiert, weil er erst 13 Jahre ist", berichtete der jüngere Angeklagte. Kurz darauf flogen die Fäuste und ein weiteres Auto wurde beschädigt, ehe ein Rettungswagen kam und die Polizei den Tumult auflöste.

Die Richterin machte in ihrer Urteilsbegründung deutlich, dass der Mann den Jungen allenfalls hätte zur Polizei bringen dürfen. Dass dieser "unfreiwillig" aber mit in die Wohnung genommen und dort festgehalten wurde, erfülle den Tatbestand der Geiselnahme. Aufgrund der vorausgegangenen Sachbeschädigung durch die Jungs sei die Tat indes als "minder schwerer Fall" zu sehen. Eine Polizistin sagte übrigens als Zeugin aus, dass sie den 13-Jährigen bereits kenne: Insgesamt sechs Motorroller soll er schon gestohlen oder dies versucht haben.

Dieser Artikel wurde geschrieben von:
(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.