Wiesloch: 800 Bürger kamen zur Vorstellung der OB-Kandidaten ins Palatin
Bei der Veranstaltung mit den beiden Oberbürgermeister-Kandidaten war der Staufer-Saal bis auf den letzten Platz gefüllt.

Wer wird neuer OB in Wiesloch: Wieslochs Beigeordneter Ludwig Sauer (li.) und OB Franz Schaidhammer (re.) mit den beiden Kandidaten Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr (2. v. li..) und Dirk Elkemann (2. v. li.). Beide stellten sich jetzt den Fragen der Bürger. Fotos: Pfeifer
Wiesloch. (oé) Der Wahlkampf um den OB-Sessel in Wiesloch ist in seine entscheidende Phase eingetreten. Das zeigte auch die Kandidatenvorstellung der Stadt am Dienstagabend im Palatin. Über 800 Bürger füllten den großen Staufer-Saal bis auf den letzten Platz, einige mussten sogar mit Stehplätzen vorlieb nehmen. Das Publikum verfolgte gespannt, welche Antworten Kai Schmidt-Eisenlohr und Dirk Elkemann auf die zahlreichen Fragen der Bürger parat hatten. Es geizte auch nicht mit Applaus für alle beiden Kandidaten und lauschte interessiert deren 15-minütigen Eingangsplädoyers, in denen sie sich und ihr Programm vorstellten.
Den Auftakt machte Kai Schmidt-Eisenlohr, der seine Kandidatur in der Heimatstadt als Herzenssache schilderte. Nach 10 Jahren in der Industrie, 16 Jahren im Gemeinderat und 5 Jahren in der Landespolitik komme die Wahl für ihn "zum richtigen Zeitpunkt". Er bringe die Voraussetzungen und auch das erforderliche Netzwerk mit, um die Stadt in die Zukunft zu führen.
Die "moderne Rolle eines OB" besteht für ihn darin, der "erste Vertreter der Bürger im Rathaus" zu sein. "Beim Wort ’Oberbürgermeister’ steht der Bürger in der Mitte. So möchte ich das Amt leben." Verwaltungsfachleute gebe es dagegen im Rathaus schon genug. "Gestalten statt verwalten" sei für ihn die Devise der kommenden Jahre.
Er wolle im Gespräch mit den Bürgern "gut zuhören" und sie bei der künftigen Stadtentwicklung mitnehmen, "bevor entschieden wird". Seine Vision sei ein Wiesloch, in dem alle Menschen gerne lebten, in dem man gut wohnen und arbeiten könne und wo es gerecht zugehe. Die Menschen sollten sich hier "zu Hause fühlen und aufeinander Rücksicht nehmen", ebenso wie auf die Natur und andere Lebewesen.
Dirk Elkemannn betonte, dass die Menschen ein Anrecht auf den "echten und authentischen Dirk Elkemann" hätten. Dazu gehörten auch seine Ohrringe, wie er schmunzelnd anmerkte.
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Der OB-Kandidat verwies besonders auf seine Verwaltungskompetenz, die er sich in 15 Jahren als Amtsleiter und seit 2009 als Beigeordneter und Bürgermeister der Stadt Schwetzingen erworben habe. Als gebürtiger Westfale bringe er eine gute Portion Zähigkeit, Ausdauer und auch Dickköpfigkeit mit. Hinzu kommen Elkemann zufolge der lange Atem, die Disziplin und Zielstrebigkeit des passionierten Triathleten - alles Maximen, die er auch für Wiesloch einsetzen will.
Er jedenfalls fühle sich "bereit und in der Lage", die Leitung eines "mittelständischen Unternehmens", wie es die Stadt Wiesloch sei, zu übernehmen. Dabei wolle er nicht nur moderieren, sondern auch einen Führungsanspruch entwickeln.
Wiesloch sei für ihn keine "Durchgangsstation", er sei weder ein "Experiment" noch die "Katze im Sack" und erst recht sei er kein "Sommerschlusskandidat" (wie er auf eine Spitze des grünen OB von Stuttgart, Fritz Kuhn, erwiderte). Stattdessen wolle er gemeinsam mit den Bürgern "neue Perspektiven für Wiesloch entwickeln".
Ein wichtiges Thema sowohl bei der Vorstellung der Kandidaten als auch in der anschließenden Fragerunde bildeten die angespannte Finanzsituation der Weinstadt und die Strategien der Kandidaten zu ihrer Überwindung, vor allem durch eine bessere Betreuung von Unternehmen. Einig waren sich beide Bewerber, dass es keinen Wettbewerb um die niedrigste Gewerbesteuer geben könne. Der sei gegen Walldorf nicht zu gewinnen, meinte Elkemann. Stattdessen will er mit "weichen Faktoren" punkten, die Unternehmen "an der Hand nehmen" und erreichen, dass sich die Verwaltung gegenüber Bürgern und Unternehmen vor allem als Dienstleister versteht, um so Gewerbe zu halten und neue Betriebe anzusiedeln. Er selbst wolle dabei "erster Ansprechpartner" der Unternehmen sein.
Das nimmt auch Schmidt-Eisenlohr für sich in Anspruch. Für ihn ist allerdings die Strategie gescheitert, am Bahnhof auf die Ansiedlung einer "zweiten SAP" zu hoffen. Er will sich deshalb vor allem kleinen und mittleren Unternehmen zuwenden und dafür sorgen, dass vorhandene Firmen wachsen können. Tübingens grüner OB Boris Palmer habe so das Gewerbesteueraufkommen seiner Stadt verdreifacht. Auch in Wiesloch müsse die Gewerbesteuer wieder zur Haupteinnahmequelle werden.
Es gab kaum ein Thema, das an diesem Abend nicht angesprochen wurde: Kommunalpolitische Fragen wie Inklusion, Lärmschutz, Hallensituation und Schullandschaft in Wiesloch wurden ebenso erörtert wie globale Fragen wie das Freihandelsabkommen TTIP oder auch die aktuelle Flüchtlingsproblematik. Dirk Elkemann verwies hier auf die Verpflichtung der Kommunen zu unmittelbarer Hilfe und auf die weitere Aufgabe, bei der Anschlussunterbringung für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Kai Schmidt-Eisenlohr sieht eine zentrale Frage darin, wie Flüchtlinge "schnell und zielgenau" in Arbeit gebracht werden können. Dazu habe er sogar eigens ein Forschungsprojekt mit angestoßen.
Natürlich spielte an diesem Abend auch das Selbstverständnis der beiden Bewerber um Wieslochs höchstes Amt eine zentrale Rolle. Dirk Elkemann verwies hier auf seine Unabhängigkeit als parteiloser Kandidat und den "unbefangenen Blick von außen" als Grundlage seiner Arbeit. Er wolle sich an Sachthemen orientieren und für alle Fraktionen "offene Ohren" haben. Taktische oder parteipolitische Überlegungen verstellten hingegen nur zu leicht den Blick auf das, was das Beste für die Stadt sei. Diskussionen müssten "mit der Kraft der Argumente" geführt werden. Für Polemik sei da "kein Platz".
Kai Schmidt-Eisenlohr wiederum bekräftigte sein Selbstverständnis "als Kandidat aus der Mitte der Bürgerschaft" mit Rückhalt und Vertrauen in der Stadt, der es sich auch zutraut, in Gemeinderat und Bevölkerung "klare und breite Mehrheiten" bei den strategischen Entscheidungen zu organisieren. Sein Rezept: "Miteinander reden." Er habe "überhaupt keine Bedenken, dass er mit allen im Gemeinderat gut zusammenarbeiten" könne. Auf die direkte Frage, ob er seine parteipolitische Zugehörigkeit als Bündnisgrüner den Interessen der Stadt unterordnen könne, machte Schmidt-Eisenlohr eine "ganz klare Ansage": "Zuerst kommt die Stadt, dann meine Familie, und dann die Partei."
Wieslochs noch amtierender OB Franz Schaidhammer (er geht zum Jahresende in Ruhestand) beendete die Veranstaltung schließlich mit einem Dank und einer Bitte: dem Dank für eine "disziplinierte Fragerunde"; und der Bitte an die Bürger, am 4. Oktober wählen zu gehen. "Die Kandidaten haben es verdient."