OB-Wahl Wiesloch: Kandidat Kai Schmidt-Eisenlohr im RNZ-Interview

"Sehe mich als Kandidat aus der Mitte der Bevölkerung" - Balance aus Sparsamkeit und Zukunftsinvestitionen - Das Herz der Innenstadt muss wieder schlagen

20.09.2015 UPDATE: 21.09.2015 06:00 Uhr 4 Minuten, 55 Sekunden

Kai Schmidt-Eisenlohr lebt mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn in Wiesloch, wo er auch aufgewachsen und zur Schule gegangen ist. Foto: Pfeifer

Wiesloch. (oé) Am 4. Oktober wählt de Weinstadt ihren neuen Oberbürgermeister. Zwei Kandidaten stehen zur Wahl. Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr und Dirk Elkemann. Wir haben mit beiden vor der offiziellen Kandidatenvorstellung der Stadt Wiesloch am morgigen Dienstag gesprochen und sie nach ihren Motiven und Zielen befragt. Heute steht Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr Rede und Antwort.

Hintergrund

Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr (36) lebt mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn in Wiesloch, wo er auch aufgewachsen und zur Schule gegangen ist. Der studierte Betriebswirtschaftler und Wirtschaftsingenieur (Mannheim und Cambridge) arbeitete zehn Jahre als

[+] Lesen Sie mehr

Dr. Kai Schmidt-Eisenlohr (36) lebt mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn in Wiesloch, wo er auch aufgewachsen und zur Schule gegangen ist. Der studierte Betriebswirtschaftler und Wirtschaftsingenieur (Mannheim und Cambridge) arbeitete zehn Jahre als Berater und Projektmanager in der Industrie und promovierte berufsbegleitend zum Doktor der Wirtschaftsinformatik.

Schon als Schüler engagierte er sich politisch als Schülersprecher des Ottheinrich-Gymnasiums und im Landesschulbeirat, außerdem war er einer der ersten Jugendgemeinderäte Wieslochs. Seit 16 Jahren gehört er als Mitglied der Grünen-Gemeinderatsfraktion dem Wieslocher Stadtrat an, 2011 wurde er für die Grünen in den baden-württembergischen Landtag gewählt. Er ist Handballer in der TSG und Gastsänger bei der Stadtkapelle Wiesloch.

[-] Weniger anzeigen

Herr Dr. Schmidt-Eisenlohr, Sie sind seit knapp fünf Jahren Landtagsabgeordneter der Grünen in Stuttgart. Jetzt wollen Sie Oberbürgermeister in Wiesloch werden. Was hat Sie zu dieser Kandidatur bewogen?

Kai Schmidt-Eisenlohr: Politik habe ich immer als Hobby angesehen. Berufspolitiker zu werden, war eigentlich nie mein Ziel - mit einer Ausnahme: Das Amt des Oberbürgermeisters in Wiesloch war schon immer mein heimlicher Berufswunsch, das lebt schon lange in mir. Zu dieser Kandidatur musste man mich nicht überreden. Das Ergebnis der Kommunalwahl hat mich darin noch bestärkt. Ich betrachte mich als Kandidat aus der Mitte der Bevölkerung. Ich habe zehn Jahre in der Industrie im In- und Ausland gearbeitet, bin 16 Jahre Gemeinderat und fünf Jahre im Landtag. Ich bin vielseitig erfahren und auf allen Ebenen gut vernetzt - eine zentrale Voraussetzung, um den Job des OB gut zu machen. In dieser besonderen Vita sehe ich meine Stärke. So möchte ich nicht der oberste Verwaltungsfachmann im Rathaus sein, sondern der erste Vertreter der Bürgerinnen und Bürger. Das ist mein Verständnis von Stadtoberhaupt.

Lange Zeit waren Sie als OB-Kandidat allein auf weiter Flur und Ihre Kandidatur wirkte fast wie ein "Selbstläufer". Jetzt steht auf einmal ein breites kommunalpolitisches Bündnis aller Ratsfraktionen außer den Grünen gegen Sie, das auf einen Kandidaten von außerhalb setzt. Anscheinend hält man Sie für zu parteigebunden und traut Ihnen die Mittler- und Moderatorenrolle eines OB nicht so recht zu. Was halten Sie dem entgegen?

In der Tat scheint dies das einzige Argument gegen mich zu sein, weshalb es scheinbar systematisch von der politischen Konkurrenz verbreitet wird. Ich habe Werte, wegen diesen bin ich zu den Grünen gegangen und heute gewählter Abgeordneter. Aber nun kandidiere ich um das Amt des OB, für das ich mich mit meiner Person und mit meinen Inhalten bewerbe. Als OB ist man Vertreter aller Menschen in der Stadt und nicht der einer Partei oder einer Fraktion. Mir sind zukünftig stabile und breite Mehrheiten wichtig - gerade bei den großen, strategischen Entscheidungen. Einstimmen-Mehrheiten taugen dafür nicht, wie die Erfahrung zeigt. Ich möchte solche breiten Mehrheiten erreichen, und zwar im Gemeinderat und in der Bevölkerung. Ich kann mit jedem im Gemeinderat - und ich glaube, ich bin der Einzige, der das von sich behaupten kann. Vor allem will ich aber Ansprechpartner und Vertrauensperson für Bürgerinnen und Bürger sein.

Ein beherrschendes kommunalpolitisches Thema in Wiesloch sind die leeren Kassen. Die Stadt ist hoch verschuldet. Investitionen müssen fast komplett über Kredite finanziert werden. Wie wollen sie dieser fast schon chronischen Finanznot begegnen?

Ich möchte eine Balance zwischen Sparsamkeit und Zukunftsinvestitionen hinbekommen. Wichtig ist dabei der Verzicht auf weitere riskante Projekte. Auf der Ausgabenseite sehe ich nach den vielen Sparanstrengungen der letzten Jahre kaum noch Handlungsoptionen. Ich werde versuchen, gewisse Dienstleistungen mit den Umlandgemeinden zusammen kostengünstiger zu erbringen. Ich dränge weiterhin darauf, dass Bund und Land sich bei Kosten der Kommunen beteiligen. Das hat unter Grün-Rot der Stadt Wiesloch eine Million Euro zusätzliche Mittel für die Kinderbetreuung erbracht. Vor allem aber ist eine neue Strategie der Wirtschaftsförderung nötig. Die Hoffnung auf den einen großen Gewerbesteuerzahler am Bahnhof hat sich bis heute nicht erfüllt. Ich werde deshalb eher versuchen, kleinen und mittleren Unternehmen den Standort Wiesloch schmackhaft zu machen. Ich werde ein Gründerzentrum für Start-up-Unternehmen initiieren, um auch jungen Unternehmen mit innovativen Ideen in Wiesloch eine Chance zu bieten.

Ich möchte auch keine weitere Abwanderung von ansässigen Unternehmen. Ich werde die Bedingungen für sie verbessern. Unternehmensbetreuung wird bei mir Chefsache. Ich weiß aufgrund meiner Berufserfahrung, was hier wichtig ist. So werde ich zum Beispiel den Verwaltungsdschungel für Unternehmen lichten. Wer ein Problem hat, kriegt keine Antwort, die drei neue Fragen aufwirft, sondern eine Lösung.

Wenn eine Stadt viel Geld hat, ist es einfach, OB zu sein. Man muss nur überlegen, was man zuerst baut. In einer Stadt unserer Finanzlage ist das Amt deutlich schwieriger. Da ist es wichtig, Menschen und Situationen genau zu kennen und eine Vertrauensbasis zu haben. Nur wenn das der Fall ist, kann man auch schwierige Zeiten gemeinsam meistern. Genau das traue ich mir als Urwieslocher zu.

Ein anderer Dauerbrenner ist die Verkehrssituation, vor allem in Altwiesloch. Zuletzt hat sich im Gemeinderat doch noch eine Mehrheit für eine Südumgehung formiert. Aber das geschah erst im dritten Anlauf und nachdem das Land das Projekt aus dem Generalverkehrsplan gestrichen hat. Wie beurteilen Sie die Situation und welche Lösungsansätze haben Sie beim Thema Verkehr?

Der Gemeinderat hat sich für die Südumgehung entschieden. Der OB hat dies pflichtgemäß nach Stuttgart weitergeleitet. Es gibt inzwischen auch eine Antwort aus dem Ministerium, die klipp und klar sagt: Eine Aufnahme des Projekts in den Generalverkehrsplan wird es nicht geben. Die Straße wurde nach sachlichen Kriterien wie Kosten, Entlastungswirkung, Folgen für die Umwelt etc. bewertet und ist aufgrund dieser Bewertung herausgefallen - ganz unabhängig von einem Gemeinderatsbeschluss. Damit ist die Frage für die nächsten zehn Jahre vom Tisch. Deshalb will ich mich auf Maßnahmen konzentrieren, die machbar sind. Und da gibt es durchaus Vorschläge, wegen denen ich auch schon im Regierungspräsidium war: eine zusätzliche Fußgängerquerung in der Dielheimer Straße zum Beispiel. Es gibt mehrere gute Ansatzpunkte, ich denke etwa an Taktverdichtungen im Busverkehr und bessere Radwege.

Überhaupt ist die Verkehrspolitik eine gesamtstädtische Frage. Ich möchte, dass sich alle Menschen aller Generationen gut und sicher in der Stadt bewegen können. Rad- und Schulwege sollen sicherer werden. Es muss Stationen für Pedelecs geben. Gute Gehwege und Straßenübergänge sind nötig, die Barrierefreiheit muss gewährleistet sein. All das gehört für mich zur Mobilität dazu. Und da gibt es noch viel zu tun. Was ich mir außerdem wünsche, ist eine ergebnisoffene Debatte über die Untere Hauptstraße: Wollen wir dort einen gemeinsamen Verkehrsraum für Fußgänger, Fahrrad und Bus (Shared Space) oder wollen wir eine reine Fußgängerzone?

Sollten Sie am 4. Oktober zum OB gewählt werden, was hätte bei Ihnen erste Priorität, wenn sie im Januar das Amt anträten? Wie soll sich die Weinstadt Ihrer Meinung nach weiterentwickeln?

Bildung und Betreuung waren mir immer schon wichtig und das wird auch so bleiben. Das Angebot muss der Lebenswirklichkeit der Familien entsprechen. Für mich heißt das: flexible Betreuungszeiten auch in Randzeiten, mehr Ganztagesplätze und eine zweite Waldkindergartengruppe. Schulbau bleibt für mich Investitionsschwerpunkt.

Ganz wichtig ist mir: Das Herz der Innenstadt muss wieder schlagen. Ich möchte, dass das Kaufhaus Dannheimer wieder zum Mittelpunkt unseres Einzelhandels wird. Weiterhin werde ich mich um die Anbindung der Unteren Hauptstraße zur Stadtgalerie hin kümmern. Außerdem will ich zusammen mit den Bürgern vor Ort überlegen, wie sich die einzelnen Quartiere der Stadt weiterentwickeln lassen. Und zwar unabhängig von aktuellen Bauanfragen. Gerade Bürger und Ehrenamtliche in Vereinen und Institutionen will ich stärker einbinden. Dazu braucht es Transparenz und Nachvollziehbarkeit über Ziele und Vorgehensweise der Stadt. Dafür will ich sorgen. Die Gemeinderatsarbeit soll öffentlicher werden, den Jugendgemeinderat und den Stadtseniorenrat will ich stärker einbinden, ich möchte ein Kinderforum schaffen und den Ausländereirat wiederbeleben.

Ich möchte Wiesloch gestalten. Wenn man Veränderung haben möchte, dann muss man sie vorleben. Ich tue das. Ich fahre ein E-Auto und war der erste Abgeordnete in Elternzeit. Bürgerbeteiligung habe ich in den letzten fünf Jahren praktiziert. Ich möchte die Menschen in Wiesloch einladen, mit mir etwas mehr Zukunft zu wagen.

Herr Schmidt-Eisenlohr, herzlichen Dank für das Gespräch.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.