Was der Nabu jetzt auf seiner Agenda hat
Die Naturschützer appellieren an die Landwirtschaft, bei der Steigerung der Artenvielfalt mitzuhelfen.

Wiesloch. (seb) "Die intensive Landwirtschaft ist ein größeres Problem als Siedlungsbau und Verkehr": Hier will der Wieslocher Naturschutzbund (Nabu) ansetzen, wie der Vorsitzende Christoph Aly erläutert. Denn an Äckern, Obstanlagen und Weinbergen finde man das größte Potenzial von Flächen, auf denen artenreiche Lebensräume entstehen könnten.
Der Biologe, von 1987 bis 2016 in der Naturschutzverwaltung des Landes tätig, jetzt SPD-Gemeinderat, stellte zusammen mit der Nabu-Pressebeauftragten Anja Jungmann, Gestalterin für visuelles Marketing, und seinem Vorstandskollegen Heribert Schwarz, bis zur Rente in der Pharmaindustrie tätig, die aktuelle Agenda des Vereins vor.
Überzeugungsarbeit, Appelle und Kooperationsangebote hat sich der Nabu, der inzwischen über 1000 Mitglieder in Wiesloch und Umgebung hat, vorgenommen. "Leider muss man sagen: Wie auch beim Klimaschutz wird beim Naturschutz viel geredet, es gibt aber keine messbaren Fortschritte", so Aly. Die Zahlen beim Schwund von Insekten- aber auch Wirbeltierarten seien weltweit katastrophal, Wiesloch sei keine Ausnahme.
"Dekoration wie Bienenhotels und Blumenkästen" helfen Alys Ansicht nach wenig, im "Haushalt der Natur" zähle die Masse, also wie viel Fläche der Natur zur Verfügung stehe. Und die Wieslocher Gemarkung bestehe zu 49 Prozent aus landwirtschaftlichen Flächen. Ähnlich wie die evangelische Stiftung Pflege Schönau könnte die Stadt Wiesloch als Feldverpächterin den Landwirten zur Auflage machen, wenigstens die bestehenden Förderprogramme, die Artenschutzmaßnahmen honorieren, zu nutzen.
Da gebe es beispielsweise die "produktionsintegrierte Kompensation" (PIK), durch die Beiträge zum Artenschutz gelingen, ohne Flächen für Getreide oder andere Feldfrüchte einzubüßen. Auch könnte man Landwirten vorschlagen, ein Prozent ihrer Flächen in Blühbrachen umzuwandeln: "Ein Prozent heißt 15 Hektar, das muss möglich sein", meint Aly. Ob hierzu, über Hecken als Schutz vor Wind und Erosion oder die richtige Pflege der Weg-Bankette: Der Nabu sucht regelmäßig den Austausch mit Landwirten und will die Stadt an ihr Insektenschutzkonzept erinnern, das mit der Bodenseestiftung erstellt wurde.
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Unter der Ägide von Heribert Schwarz widmet sich der Nabu auch den hiesigen Streuobstwiesen, schützenswerten Lebensräumen für Wendehals, Hornisse, Siebenschläfer und zirka 5000 weitere Tier- und auch Pflanzenarten. Aly und Schwarz haben sie in Augenschein genommen und Ideen entwickelt, um "die schönen Bestände in die Zukunft retten". Erfreulich sei, dass auch Bürgerstiftung Wiesloch und Kultur-AG Schatthausen sich parallel den Streuobstwiesen widmen.
Einige der Bestände seien geschützt, "aber vorm Vergammeln schützt sie keiner", gibt Heribert Schwarz zu bedenken. Durch gezielte kleinere Maßnahmen könne man schon viel erreichen, wichtig sei die dauerhafte Betreuung der Bestände. Dazu wolle der Nabu den engen Austausch mit deren Besitzern suchen und erfahren, was die brauchen.
Mehr Steinkauz-Röhren als Nistgelegenheit für die seltenen Vögel möchte man zudem in den Streuobstwiesen anbringen. Das nördlichste Vorkommen der Eulen hierzulande sei momentan in Bad Schönborn, "dann können wir sie sicher noch ein bisschen weiter nach Norden, zu uns, locken", so Schwarz.
Selbstverständlich wünscht sich der Nabu auch innerorts mehr Grün. Die Mitglieder haben Aly zufolge ermittelt, dass die Schotter- und Steingärten in Wiesloch insgesamt 1,5 Hektar einnehmen, praxisnahe Tipps für die Wiederbelebung bietet der Verein im Wildbienengarten in Schatthausen: Auf 300 Quadratmetern findet sich ein vielfältiger, insektenfreundlicher Bewuchs, dessen Pflege nicht aufwendig sein muss – jedenfalls nicht aufwendiger als das regelmäßige Putzen der Steine.
Schattenbäume seien in der Stadt in heißen Sommern sicher willkommen, so Aly, für wünschenswerte hält er neue Baumpflanzungen in Form von Alleen, ähnlich wie am Psychiatrischen Zentrum. Allerdings: "Wir müssen jetzt etwas Substanzielles für den Artenschutz erreichen", und da "keine Stadtbegrünung auch nur annähernd den Artenschwund ausgleichen" könne, müsse der Fokus zurzeit auf den landwirtschaftlichen Flächen liegen.
Seine Anliegen und viel Wissenswertes will der Nabu in verschiedenen Vorträgen darlegen, man lädt zu Vogelexkursionen in die Umgebung ein, zu Ausflügen in Wagbachniederung und Saalbachniederung und zum Erkunden der hiesigen Streuobstbestände oder Wiesen. Helfende Hände sind willkommen bei der Landschaftspflege im historischen Weinberg in Rauenberg, im Schutzgebiet "Frauenweiler Wiesen" und auf der Blühwiese im Gewann "Gräfelskreuz".
Christoph Aly weist auch auf den Auftakt zu "Natur nah dran" des Landes-Naturschutzbunds am 17. Mai in Wiesloch hin – eine Initiative, die noch weitaus mehr erreichen müsse. Denn in den letzten vier Jahren seien zwar in 61 Kommunen 23 Hektar Blühflächen angelegt worden, dem stehen aber 1000 Hektar neue Siedlungs- und Verkehrsflächen gegenüber.