"Innowerft" in Walldorf

"100 Worte" für den Start-Up-Gipfel

Psychologe Daniel Spitzer nahm am Gründerprogramm der Walldorfer "Innowerft" teil - Psychologische Textanalyse als App vorgestellt

11.07.2017 UPDATE: 12.07.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden

Für den Start-up-Gipfel am Freitag in Stuttgart ausgewählt: Daniel Spitzer mit seinem "100WorteTool" und Alexandra Bartelt von der InnoWerft Walldorf. Foto: Sabine Hebbelmann

Von Sabine Hebbelmann

Walldorf. Sprache verrät uns, das haben Sozialpsychologen nachgewiesen. James Pennebaker, ein klinischer Psychologe von der University of Texas, untersuchte schon Anfang der achtziger Jahre, was der Schreibstil von Traumapatienten über ihre mögliche Genesung aussagt. Daniel Spitzer, der in Mannheim Psychologie studiert hat, suchte nach einer praktischen Anwendung und hat mit seinem noch jungen Unternehmen "100 Worte" eine psychologische Textanalyse entwickelt. Die gleichnamige App analysiert nicht den Inhalt des Textes, sondern seine Struktur. Spitzer spricht vom Eisbergmodell der Kommunikation. "Nur zehn Prozent ist bewusst, der Rest unter Wasser. Diesen kann man mit dem Tool sichtbar machen."

Eine wichtige Rolle weist er Funktionswörtern wie Pronomen oder Konjunktionen zu, die gewissermaßen das grammatikalische Gerüst bilden. "Funktionsworte können wir bewusst nicht steuern, die Gefahr dass man sich verstellt ist gering", sagt Spitzer. Und über die Verwendung dieser Wortart könne man viel über den Urheber eines Textes herausfinden: Geschlecht, Alter, soziale Stellung und Denkstil. Das Personalpronomen "wir" werde häufig von Menschen benutzt, die einen hohen sozialen Status haben und gern von sich als Vertreter einer Gruppe sprechen. Laut Spitzer sagen andere, die gern delegieren, häufig "du" und depressive Menschen eher "ich". Frauen verwenden ihm zufolge mehr Personalpronomen, da sie mehr von Menschen reden. Dafür sei die Sprache von Männern genauer und sachlicher und sie verwendeten mehr Funktionswörter, die Kausalität ausdrücken, wie "weil" oder "deswegen".

In die App eingegeben werden können Texte aller Art, auch E-Mails oder Produktbewertungen. Auch ganze Chat-Verläufe können analysiert und Vergleiche zwischen den Autoren angestellt werden. Eingegeben hat der Psychologe auch Wahlkampfreden von Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Herausforderer Martin Schulz. Spitzer beruft sich auf David McClelland, einen US-amerikanischen Verhaltens- und Sozialpsychologen, der die drei wichtigsten Motivationen als das Bedürfnis nach Macht, Erfolg und Beziehung identifiziert hat. Die Gewichtung sei von Mensch zu Mensch unterschiedlich.

Spitzer hat am Gründer-Programm "Durchstarten" des Walldorfer Technologie- und Gründerzentrums Innowerft teilgenommen. 30 Start-ups wurden drei Monate lang begleitet und bekamen die Gelegenheit, sich auszutauschen und Kontakte zu knüpfen. Für Spitzer war das eine große Hilfe. Den Gründergeist, der die Teilnehmer erfasst habe, beschreibt er mit den Worten: "Wir schaffen was, wir verändern die Welt."

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Es ging aber auch um die ganz bodenständige Frage: Wie kann ich mit meiner Geschäftsidee Geld verdienen? Und so überlegte der Psychologe sich Anwendungen für Unternehmen, etwa, wie sie ihr Beschwerdemanagement effizienter gestalten können, indem Anfragen schnell bewertet und priorisiert werden, oder wie sich Werbung gezielter platzieren lässt, je nachdem auf welcher Ebene - sachlich oder eher emotional - sich der Kunde am besten ansprechen lässt. Auch Anbieter von Selbstanalyse-Trainings sollen profitieren, indem sie vorab die Texte der Teilnehmer analysieren und so Zeit sparen. Aktuell arbeite er an einem Analysetool für Bewerbungen für Unternehmen, die sich keine eigene Personalabteilung leisten können, berichtet Spitzer. Soll der neue Mitarbeiter dominant sein oder eher ein Teamplayer?

Beim "Durchstarten" mit der Innowerft merkte der 28-Jährige aber auch, dass er allein nicht weiterkam. "Der große Auftritt ist nicht mein Ding", sagt Spitzer, der zuvor als Psychologe in einer Klinik tätig war. Auch unternehmerisches Denken war gefragt. Und so rief er Simon Tschürtz an, den er seit der Schulzeit kennt und der inzwischen Projektleiter bei Audi ist: "Ich hab’ da eine Idee ..." Tschürtz sprang gleich darauf an, will seinen Job bei Audi aufgeben und im Oktober Vollzeit bei ihm einsteigen.

Momentan ist die App unter www.100Worte.de noch öffentlich und unentgeltlich zugänglich. Doch wie sieht es mit dem Datenschutz aus? Spitzer verweist nicht nur auf das neue Datenschutzgesetz der EU, das 2018 in Kraft tritt, sondern auch auf eigene Leitsätze. Er will gewährleisten, dass die Sprachanalyse nur mit Zustimmung der betreffenden Person erfolgt. Das Unternehmen "100 Worte" speichere keine sensiblen Textdaten und lese nicht mit.

Besonders stolz sind Daniel Spitzer und Simon Tschürtz nun, dass sie mit 100 Worte beim Start-up-Gipfel Baden-Württemberg am 14. Juli unter insgesamt 150 ausgewählten Start-ups vertreten sind.

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