Die Walldorfer Jungstörche sind schon fast flügge
Beringung auf der Storchenwiese - Seit 2007 gab es dort jedes Jahr mindestens eine Brut

Helmut Stein von der Vogelwarte Radolfzell ist in ganz Nordbaden in Sachen Storchenberingung unterwegs, so auch in Walldorf. Foto: Pfeifer
Walldorf. (rö) Sechs Wochen sind die beiden Jungstörche alt, die jetzt auf der Walldorfer Storchenwiese im Gewann Röhrig beringt wurden. "Die sind schon fast flügge, es könnte sein, dass sie in einer Woche ausfliegen", sagte Günter Keim, der Storchenexperte in der Astorstadt. Direkt nach der Beringung war davon allerdings nichts zu sehen: "Die liegen im Horst wie verreckt", beschrieb Keim die regungslose Haltung salopp. "Die bleiben auch so, bis die Gefahr vorbei ist." Zwei weitere Jungtiere (im Storchennest auf dem Aussiedlerhof Nauert) sind erst drei Wochen alt und sollen zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls beringt werden. "Uns geht es mit der Beringung vor allem um Informationen über das Zugverhalten", sagte Helmut Stein von der Vogelwarte Radolfzell, der in diesen Tagen in ganz Nordbaden für das jährlich wiederkehrende Ritual der Beringung unterwegs ist.
"Es gibt heute wieder so viele Störche, dass man keine Angst mehr haben muss, dass sie aussterben könnten", wie das noch Mitte der siebziger Jahre der Fall gewesen sei, erklärte Stein. Die "extreme Vermehrung" - obwohl laut Stein nur maximal fünf Prozent der jungen Störche das erste Jahr überleben - habe man vor allem den bestandsunterstützenden Maßnahmen, wie sie auch in Walldorf durchgeführt wurden, zu verdanken. Dort war der Storch - zwar nicht Wappentier, aber doch Wahrzeichen der Stadt - aus dem Landschaftsbild verschwunden, nachdem Mitte des 20. Jahrhunderts durch flächendeckende Grundwasserabsenkung und die Außerbetriebnahme der Landgräben die Walldorfer Wiesen trockengelegt worden waren.
"Im Jahr 2000 waren hier noch Mais- und Getreidefelder", sagte Klaus Brecht, städtischer Fachbereichsleiter Ordnung und Umwelt. Dann wurde die Stadt tätig, kaufte und pachtete Äcker, legte die Storchenweise und Teiche (als "Nahrungshabitate") an und errichtete die elf bis zwölf Meter hohen Nisttürme. Lockstörche und ein Leinenzwang für Hunde brachten den ersten Bruterfolg 2007. "Seither hatten wir jedes Jahr mindestens eine Brut", berichtete Brecht. Und man beobachtet ein spezielles Phänomen, das dafür sorgt, das immer nur auf einem von vier Türmen genistet wird: "Das Paar, das zuerst da ist, vertreibt die anderen."
Genau das hat am Pfingstsamstag auch Günter Keim erlebt, der sich erst noch darüber freute, dass zwei der vier Horste belegt waren. Doch dann musste er mit ansehen, wie der "Altstorch" (der Vater der jetzt beringten Jungstörche) den mit dem Nestbau beschäftigten Neuankömmling verjagte und auch gleich noch das Nest zerstörte. Ein mindestens ebenso unerfreulicher Vorfall ereignete sich laut Keim später am selben Tag: "Alle vier Türme waren belegt, dann sind zwei Personen wohl aus Unwissenheit auf die Wiese gelaufen und haben alle verjagt." Keims dringlicher Appell: "Die Storchenwiese sollte nicht betreten werden." An anderen Stellen ist dafür aber zu beobachten, dass sich manche Störche nicht gar so leicht stören lassen: Während der Nistturm im Bruch wieder unbenutzt geblieben ist, wurde auf der Straßenlaterne im Verkehrskreisel am Ortseingang in Richtung Nußloch mit dem Nestbau begonnen.
Ob es sich bei den Eltern der frisch beringten Störche um alte Bekannte handelt oder nicht, wissen die Experten bislang nicht. "Um die Nummern abzulesen, muss man sehr nah rangehen", erklärte Günter Keim. "Dieses Jahr haben wir sie noch nicht abgelesen", ergänzte Helmut Stein. Erst einmal gilt die ganze Aufmerksamkeit dem Nachwuchs.



