Störche in Walldorf: Mehr als 70 Vögel sorgen für ein Naturschauspiel

Die Wiese hat sich zu einem Brut- und Durchzugsgebiet für die Stelzvögel entwickelt.

15.08.2014 UPDATE: 15.08.2014 06:00 Uhr 2 Minuten, 31 Sekunden
Die Walldorfer Storchenwiese ist ein beliebter 'Treffpunkt' für die Stelzvögel. Dieser Tage wurden hier zeitweise über 70 Weißstörche gezählt. Fotos: Hebbelmann
Von Sabine Hebbelmann

Walldorf. Dieser Tage ließ sich in Walldorf ein großartiges Naturschauspiel beobachten: Über 70 Weißstörche sammelten sich auf der Storchenwiese nahe des Walldorfer Flugplatzes vor ihrer Reise gen Süden. Es sind Jungstörche, die zwei Wochen früher fliegen als ihre Eltern, weiß der Vogelexperte Ulrich Schmidt, der in Walldorf eine Vogelstation unterhält. Erkennen könne man die Jugend an den grauen Partien am Schnabel.

Die Kinder seien also flügge und aus dem Haus, jetzt müssten die Alten mal an sich denken und sich vom anstrengenden Brutgeschäft erholen. Doch woher wissen die wenige Monate alten Störche, wo es lang geht? "Jungstörche haben ein eingebautes Navi", erläutert Schmidt. "Sie fliegen zum ersten Mal in ihrem Leben auf eigene Faust nach Afrika." Woher die vielen Störche stammen, kann er nicht sagen. Möglicherweise könnten sie auch von Norddeutschland aus auf der Durchreise sein.

Die Walldorfer Storchenwiese mit den umliegenden Wiesenflächen hat sich zu einem Durchzugsgebiet für Störche und andere Zugvögel entwickelt. Und das ist kein Zufall: Heinz Merklinger hatte als Verwaltungslehrling im alten Rathaus in Walldorf noch auf ein Storchennest auf einem alten Schornstein geblickt und sich an den Stelzvögeln erfreut. Doch 1967 wurden hier die letzten Störche gesichtet. Als Bürgermeister wollte Merklinger sie dann nach Walldorf zurückholen.

2004 stellte die Stadt im Gewann Röhrig einen Nistturm auf und begann im Jahr darauf, Äcker zu kaufen beziehungsweise langfristig zu pachten, einen Tümpel auszubaggern und die einstige Feuchtwiese am Hardtbach zu renaturieren. Da die Störche weiterhin ausblieben, stellte man eine Voliere mit einem Lockstorch auf. 2006 erhöhte die Stadt auf zwei Lockstörche und ein Jahr später brütete das erste Paar auf dem Turm. "Das Männchen stammte aus dem Luisenpark. Es kam auf Pfiff und hat sich füttern lassen", erzählt Schmidt.

Das Füttern war nötig, weil sich die Feuchtwiese erst entwickeln musste und das Nahrungsangebot noch nicht ausreichte. Wie Klaus Brecht, Fachbereichsleiter Ordnung und Umwelt bei der Stadt Walldorf, erzählt, stellte die Stadt in der Tiefgarage des Rathauses eine Tiefkühltruhe auf, von wo Storchenwart Günter Keim vom Naturschutzbund (Nabu) bei Bedarf die tiefgekühlten Hähnchenküken zum Füttern der Störche entnehmen konnte.

Dieses Jahr gibt es erstmals zwei erfolgreiche Brutpaare, eines auf der Storchenwiese selbst und das andere einen Kilometer entfernt auf der Scheune eines Aussiedlerhofes. Denn obwohl auf der Storchenwiese vier Nisttürme stehen, wird bisher nur einer angenommen. Es lässt sich gut beobachten, dass das ansässige Paar "seine" Wiese vehement gegen unerwünschte neue Nachbarn verteidigt.

Kein Wunder, braucht doch ein Storchenjunges ein Kilogramm Futter am Tag. Man stelle sich diese Masse in Form von Heuschrecken vor! Tatsächlich stellen Frösche und Mäuse da eine ergiebigere Mahlzeit dar. Und letztere gibt es dieses Jahr offenbar genug - auch dank der nahe gelegenen Müllkippe. Weshalb die beiden Elternpaare ihren Nachwuchs, je drei Jungtiere, auch ohne Zufüttern gut durchgekriegt haben.

Erst wenn die ersten Jungstörche nach einigen Jahren aus dem Süden zurückkämen, könne es ein zweites Brutpaar schaffen, auf einem der Türme zu nisten. "Sie sind hier geboren und treten ganz anders auf", so der Vogelkundler. Sei diese Hürde erst genommen, könnten weitere Störche nachfolgen.

So war es auch im Luisenpark. "Manfred war der erste Storch, der 1985 dort gebrütet hatte - und er hatte den ganzen Park sieben Jahre lang verteidigt", weiß Schmidt. Heute findet sich dort mit rund 30 Storchenpaaren die größte Storchenkolonie in einer deutschen Großstadt.

Wo die vielen Jungstörche hinfliegen, die sich jetzt in Walldorf sammelten, kann auch der Vogelkundler nicht sagen. Früher flogen alle Störche nach Südafrika, die "Oststörche" über die Türkei und Ägypten und die "Weststörche" über Spanien, Gibraltar und die Sahara.

Doch längst fliegen viele nicht mehr so weit, sondern bleiben in Spanien und Portugal, teilweise auch schon im Elsass auf Mülldeponien "hängen", wo sie genug Nahrung finden. Daher kehren manche auch schon Mitte Februar in ihre Brutgebiete zurück.

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