Therapie-Eulen lassen sich streicheln und kuscheln
"Falkner der Herzen" Achim Häfner zu Gast bei der Awo-Tagespflege für Senioren.

Von Günther Grosch
Weinheim. Manche bezeichnen ihn als "Falkner der Herzen", andere nennen ihn den "Vogelflüsterer". Als offizieller "Botschafter des Kinderhospiz' Sterntaler" ist der Pfälzer Achim Häfner mit seinen Weißgesichts-, Brillen- und Schleiereulen, Woodford- und Chaco-Waldkauzen bei sterbenskranken Kindern ebenso gern gesehener Gast wie in Kindergärten, Schulen und Seniorenzentren, Altenheimen oder Einrichtungen für Demenz- und Autismuskranke.
Dieser Tage bescherte der 65-Jährige mit seinen Therapievögeln den Gästen, Angehörigen und Mitarbeitern der Awo-Tagespflege für Senioren in der Birkenauer Talstraße einzigartige Momente. Mit seiner Falknerei Bisterschied in Rockenhausen in der Nähe von Kaiserslautern hat der gelernte Gipser- und Stuckateurmeister seine Leidenschaft vor rund drei Jahrzehnten zum Beruf gemacht und zieht seitdem seine derzeit 46, in einer großen Voliere lebenden Vögel "per Hand und mit ganz viel Geduld und Liebe" auf.
"Eulen und Kauze schauen in die Seele des Menschen. Sie wecken in ihnen Emotionen und bringen ihnen das Lachen zurück", erklärt Häfner seine Faszination für die Tiere. "Sie merken, wenn jemand krank oder schwach ist, und reagieren entsprechend darauf". Die Eulen und Kauze, die er von Züchtern im Alter von zehn bis 14 Tagen erwirbt und an die Fütterung bei Tag gewöhnt, "denn wir wollen ja tagsüber mit ihnen arbeiten", sie seien "reine Therapievögel, die man streicheln, küssen und lieb haben kann", so Häfner.
Entdeckt hat Häfner die Therapiefähigkeit seiner Eulen durch seinen geistig und körperlich behinderten Bruder. "Der war immer hyperaktiv und schnell auf 180", sagt er im Gespräch mit der RNZ. "Wenn ich ihm aber eine Eule auf die Hand gab, hat er stundenlang mit ihr gekuschelt". Auch einem unter Parkinson leidenden Mann habe er einmal eine Eule an die Hand gegeben: "Innerhalb weniger Minuten hörte er auf zu zittern." Zahlreiche Auftritte in Fernseh-Talkshows haben Häfner bekannt gemacht. Obwohl er das Rampenlicht "gar nicht so gerne" mag. Es ist das Urige und Knorrige an ihm, gepaart mit pfälzischem Humor und Gewitztheit, das seine Beliebtheit zu einem Großteil ausmacht. "Ein Jahr im Voraus bis in den Herbst 2023 hinein" sei er schon wieder ausgebucht, sagt Häfner.
Auch interessant
Bei dementen oder psychisch Kranken dringen Eulen in Tiefenschichten ein, die sonst therapeutisch kaum zu erreichen seien, meint Häfner. "Sie sind still und sitzen reglos. Sie sind scheu und introvertiert. Im antiken Athen verkörperten sie Weisheit und Glück, andernorts waren sie verrufen und galten als Boten des Unheils. Es hieß, wenn nachts eine Eule ruft, ist morgens jemand tot", weiß er. Die mehr als 30 Besucher der Awo-Tagespflege sitzen bei seinem Besuch in respektvollem Abstand zu dem Falkner im Stuhlkreis, der nach und nach fünf seiner Vögel – Mephisto, Heidi, Luna, Bambam und Emma – hereinbringt und sie, auf einem schützenden, dicken Lederhandschuh sitzend, an die zunächst noch scheu zurückweichenden Frauen und Männer weiterreicht.

Doch schnell ist das Eis gebrochen. "Wunderbar große Augen", stellt eine Frau fest. "Und die Schleiereule hat ein Herzgesicht", bemerkt ihre Sitznachbarin. Überhaupt sei die Schleiereule mit ihrem "Gefieder wie Lametta in der Sonne" für ihn "der schönste Vogel der Welt", begeistert sich Häfner. Vorsichtig gleiten die Finger einer Besucherin über das Federkleid. Nur küssen, so wie es Häfner zeigt, mag niemand seine Vögel.
Häfner selbst lockert die Stimmung unter den Anwesenden mit launigen Anekdoten und Wissenswertem über die weltweit 308 Greifvogel- und 117 Eulenarten weiter auf und lässt seine Vögel kleine Kunststücke ausführen. Einmal sei er mit seinem Transporter und seinen gefiederten Lieblingen in eine Polizeikontrolle geraten, erzählt er. Was er denn geladen habe, wollten die Polizisten von ihm wissen. "Eulen", habe er nur geantwortet. "Haben Sie getrunken?" Häfner habe daraufhin wortlos die Ladetür des Transporters geöffnet und sich über die Gesichter der überrascht dreinschauenden Beamten gefreut.
Und dann berichtete Häfner auch noch über die aus der griechischen Mythologie stammende Volksweisheit "Schmelzt dich eine Eule voll, hast du Glück". So gesehen, dürften einige der Tagesgäste, obwohl durch ein Handtuch auf ihrem Schoß vor dem "Eulen-Schmelz" geschützt, in den nächsten Wochen jede Menge Glück auf ihrer Seite haben.