Alte Unternehmervilla der Hildebrandschen Mühle ist wieder nackt
Gerüstbaufirma entfernte Schutzkonstruktion - Stadt konnte sie nicht daran hindern - Denkmal befindet sich in großer Gefahr

Bereits am Mittwochmittag hatten Arbeiter einer Thüringer Spezialfirma weite Teile der Schutzkonstruktion um die Unternehmervilla abgebaut. Der Anblick der Hildebrandschen Mühle ist nun deprimierender denn je. Foto: Dorn
Von Günther Grosch und Philipp Weber
Weinheim. Es war Ende November 2014: Vertreter der Deutschen Denk Mal AG, weiterer Firmen und der Stadt hatten auf das Gelände der Hildebrandschen Mühle eingeladen, um den Fortgang eines spektakulären Sanierungs- und Wohnbauprojekts vorzustellen. Bereits Ende 2015 würden moderne Wohnungen in der alten Unternehmervilla bezugsfertig sein, sagten sie damals. Das Gesamtprojekt mit zwei weiteren, neuen Wohnhäusern sowie Edelappartements im alten Mühlenturm werde 2016 abgeschlossen, hieß es.
Daraus wurde nichts. Die Denk Mal AG hat das Projekt aufgegeben und das Gelände verkauft. Rein rechtlich gehört das Grundstück aber nach wie vor dem Wiesbadener Unternehmen, da die Kaufverträge noch nicht rechtskräftig sind und die Stadt ein Vorkaufsrecht besitzt, teilte die Verwaltung gestern auf Anfrage mit. Dies ist wichtig im Hinblick auf einen Vorgang, der ebenfalls im November 2014 seinen Anfang nahm - und nun zu einem traurigen Abschluss gelangt ist: Während des Pressetermins vor drei Jahren rollten Lastwagen mit Gerüstteilen an, mit deren Hilfe die denkmalgeschützte Villa vor Wind und Wetter geschützt werden sollte. Jetzt kamen die Gerüstbauer erneut auf das Mühlengelände - und bauten die Stahl- und Kunststoff-Konstruktion ab.
Auskünfte dürfe nur der Chef erteilen, so ein Vertreter der Erfurter Firma Josef Grund Gerüstbau GmbH gestern auf Anfrage. Er bestätigte aber, dass der Abbau zu diesem Zeitpunkt in vollem Gange war: "Unsere Jungs sind dort", sagte er. Die Stadt ist von der Abbau-Maßnahme offenbar kalt erwischt worden: "Wir haben am Dienstag davon erfahren, aber da war das provisorische Dach bereits weg", so Weinheim-Sprecher Roland Kern. Die Ereignisse hätten sich überschlagen, sagten auch OB Heiner Bernhard und Erster Bürgermeister Torsten Fetzner gestern Abend im Ausschuss für Technik und Umwelt (ATU) auf eine entsprechende Anfrage von GAL-Fraktionschefin Elisabeth Kramer ("Wir gehen davon aus, dass sich die Stadt dagegen wehrt").
Man habe die Gerüstbaufirma kontaktiert und dazu aufgefordert, die Arbeiten zu stoppen, ihr eine einstweilige Verfügung auf Bau-Einstellung zugeschickt und ein Zwangsgeld angedroht, so Fetzner: "Vergeblich." Auch von der vorgesetzten Stelle habe die Stadt die Aufforderung zu einem sofortigen Einschreiten erhalten. Hintergrund: "Wenn kein schützendes Gerüst um die Villa mehr steht, ist das Denkmal spätestens bis Neujahr kein Denkmal mehr", sagte Fetzner. Vor der Forderung der Räte, die Stadt solle selbst ein Schutzgerüst als Ersatzmaßnahme aufstellen, schrecke die Verwaltung aus Kostengründen zurück, so Fetzner: "Weil wir nicht wissen, ob wir das Geld zurückbekommen." Aktuell überlege man, mit dem neuen Käufer Kontakt aufzunehmen, damit dieser wieder ein Gerüst aufstellen lässt.
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Sobald Klarheit und neue Erkenntnisse vorlägen, werde man den Gemeinderat informieren, so die Stadtspitzen. Bis dahin, sagte Fetzner, werde er "jeden Abend eine Kerze anzünden. Das muss vorläufig reichen". Für die Verwaltungsvertreter ist aber eindeutig die Denk Mal AG und nicht die ausführende Firma für den Schutz der alten Villa hauptverantwortlich. Die Denk Mal AG müsse nun ein Bußgeld zahlen, so Stadtsprecher Kern. Über dessen Höhe konnte er ad hoc keine Angaben machen.
Die Denk Mal AG hatte in Sachen Gerüstbau - ähnlich wie beim Thema Architektur - ein durchaus renommiertes Unternehmen beauftragt. Die Erfurter Firma Josef Grund ist auf problematische Aufträge spezialisiert. Auf der Internetseite finden sich Referenz-Bilder von Gerüsten und Planen, die sich um denkmalgeschützte Kirchtürme, sanierungsreife Autobahnbrücken oder undichte Bahnhofsdächer wickeln. Während man in Erfurt gestern keine Angaben machen konnte oder wollte, hat sich Architekt Sever Severain öffentlich geäußert. Er habe seit April kein Geld mehr von der Denk Mal AG bekommen, sagte er. Auch Banken und Wohnungskäufer - bei einem Projekt in Wiesbaden war bereits Wohnraum an den Mann gebracht worden - müssen noch auf Geld warten oder um ihre Investitionen bangen.
Die Weinheimer Liste (WL) hatte bereits Ende letzter Woche gefordert, das Thema als offiziellen Tagesordnungspunkt im ATU zu beraten. Bei der Hildebrandschen Mühle handle es sich um ein Objekt von enormer städtebaulicher Bedeutung, so die WL-Stadträte. Die Stadtverwaltung müsse die Ratsgremien an der weiteren Entwicklung beteiligen.
Eine Anfrage bei WL-Sprecher Michael Lehner ergab, dass das Thema Anfang Januar im ATU beraten werden soll. Ob es dann zu einer Abstimmung kommt und ob die Öffentlichkeit eingeladen ist, hänge wohl von dem dann aktuellen Sachstand ab, sagte er.