Walldorf

Katzen dürfen wieder das ganze Jahr raus

Das Landratsamt verkündet das Ende des Lockdowns. Die Allgemeinverfügung zum Schutz der Haubenlerche wurde aufgehoben.

10.01.2025 UPDATE: 10.01.2025 19:15 Uhr 4 Minuten, 22 Sekunden
In den letzten drei Jahren durften Katzen in Walldorf-Süd von April bis August das Haus nicht ohne Weiteres verlassen. Wer seine Katze unbeaufsichtigt nach draußen ließ, dem drohte eine Strafe von 500 Euro. Foto: dpa

Von Anja Hammer und Konrad Bülow

Walldorf. Katzenhalter können aufatmen: Es wird keinen Lockdown mehr geben. Wie das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe und der Stadt Walldorf gestern mitteilte, wird die entsprechende Allgemeinverfügung aufgehoben. Das heißt: Alle Katzen in Walldorf dürfen das ganze Jahr über draußen auf Entdeckungstour gehen. "Das ist eine gute Nachricht für die Katzenhalterinnen und Katzenhalter in Walldorf-Süd und für ihre Tiere", sagte Bürgermeister Matthias Renschler auf RNZ-Nachfrage. Während er darin einen Erfolg der Haubenlerchen-Schutzmaßnahmen sieht, sieht sich der Vorsitzende des Tierschutzbunds Wiesloch-Walldorf, Volker Stutz, in seiner Kritik an der drei Jahre währenden Maßnahme bestätigt.

Die Ausgangssperre für die Vierbeiner war 2022 eingeführt worden und hatte weltweit für Aufsehen gesorgt. Mit dieser ungewöhnlichen Maßnahme sollte die Haubenlerche geschützt werden. Die vom Aussterben bedrohte Vogelart ist nämlich in Walldorf heimisch – genauer gesagt im Baugebiet Walldorf-Süd (siehe unten). Vorangegangene Untersuchungen hatten ergeben, dass es dort aber auch eine hohe Katzendichte gebe und in mindestens einem Fall eine Katze im Jahr 2020 für den Verlust einer Haubenlerchen-Brut verantwortlich sei. Bei sieben weiteren Gelegen waren Katzen als Verursacher von Brut- und Jungvogelverlusten nicht auszuschließen.

Und so kam es zum Walldorfer Katzen-Lockdown. Um die Haubenlerchen insbesondere während der Brutzeit zu schützen, durften Katzen im Süden Walldorfs in den letzten drei Jahren zwischen April und Ende August nicht mehr aus dem Haus. Dies galt für einen Bereich, der sich über einen Teil des Industriegebiets bei SAP und die Wohnstadt bis hinter die evangelische Kirche erstreckte – gut ein Drittel des Stadtgebiets.

In dieser Zeit war für die Vierbeiner ein Ausflug ins Freie nur auf einem gut umzäunten Gelände gestattet, an der Leine oder überwacht mit einem kleinen Ortungsgerät zur satellitengestützten Positionsbestimmung – "GPS-Tracker" genannt. Sollte sich herausstellen, dass sich das Tier den Lerchengebieten näherte, war eine "sofortige Unterbindung des Freigangs" erforderlich.

Der Aufschrei unter Katzenhaltern damals war groß. In den letzten drei Jahren berichteten sie immer wieder von aggressiven oder depressiven Tieren und klagten, dass sie zur Tierquälerei gezwungen würden. Doch es blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich an die Allgemeinverfügung zu halten. Wer nämlich seine Katze unbeaufsichtigt nach draußen ließ, dem drohte ein Zwangsgeld von 500 Euro. Und sollte eine Katze dabei erwischt werden, wie sie eine Haubenlerche verletzt oder tötet, drohte den Besitzerinnen oder Besitzern sogar bis zu 50.000 Euro Strafe. In einem – zumindest öffentlich bekannten Fall – verhängte das Landratsamt auch das Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro, weil eine Freigängerkatze wiederholt im Haubenlerchengebiet gesichtet worden war.

Wie der Kreis nun mitteilt, wurde das mit der Allgemeinverfügung verbundene Ziel, dass hier für eine Übergangszeit noch möglichst viele Jungvögel ausfliegen, um sich auf eigens hierzu hergerichteten Flächen westlich der Bundesautobahn 5 anzusiedeln, erreicht. Darauf habe die Stadt Walldorf intensiv hingearbeitet, betonte Bürgermeister Renschler. "Wir sehen der weiteren Entwicklung sehr positiv entgegen", so der Rathauschef weiter.

Bei Volker Stutz vom Tierschutzbund herrscht trotz der Nachricht keine Jubelstimmung. Er verweist auf den aktuellen Bericht des Instituts für Umweltstudien, das in den vergangenen Jahren die Schutzmaßnahmen für die Haubenlerchen begleitete, und spricht von einem "Misserfolg". Die geringen Bestände der Vögel zeigten, dass der Katzenlockdown "sinnlos" gewesen sei. Die Bedrohung der Haubenlerche führt Stutz auf die Bautätigkeit in Walldorf-Süd zurück, eine weitere Tierart – die Katzen – habe darunter leiden müssen.

Update: Freitag, 10. Januar 2025, 19.15 Uhr


Behörden sehen die Ziele der Schutzmaßnahmen erreicht 

Die Verantwortlichen setzen nun vor allem darauf, Flächen westlich der Autobahnen für die Haubenlerche attraktiv zu machen.

Die Haubenlerche gilt weiterhin als eine in Baden-Württemberg akut vom Aussterben bedrohte Art. Foto: Gudrun Buse

Walldorf. (kbw) Dass es 2025 und darüber hinaus keinen Katzen-Lockdown mehr geben soll (siehe Artikel oben), begründet der Rhein-Neckar-Kreis damit, dass das mit der Allgemeinverfügung verbundene Ziel erreicht sei: Es sollten in einer Übergangszeit noch möglichst viele Jungvögel ausfliegen, um sich auf eigens dafür hergerichteten Flächen westlich der A5 anzusiedeln. "Die Flächen wurden von Haubenlerchen angenommen", heißt es nun aus dem Landratsamt in Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe und der Stadt Walldorf. Die Vögel seien dort nicht nur häufig gesichtet worden, ein bislang noch einzelnes Männchen habe dort auch bereits ein erstes festes Revier gebildet.

Auch wenn der Bruterfolg in den vergangenen Jahren "vor allem auch witterungsbedingt unterschiedlich gut war", sei die Strategie des vom Regierungspräsidium und vom Landratsamt fachlich begleiteten Schutzkonzepts der Stadt Walldorf für die Haubenlerche aufgegangen. Für die weitere positive Entwicklung des Haubenlerchenvorkommens im Walldorfer großen Feld westlich der Autobahn bestehe nun Zuversicht. Denn begünstigend komme hinzu, dass sich von der anderen Seite, von Nordwesten her, ein Vorkommen der Haubenlerche auf den Gemarkungen Hockenheim und Reilingen nun bis nahe an die Walldorfer Gemarkung ausgebreitet hat. Diese Entwicklung werde vor allem auf erfolgreiche Schutzmaßnahmen in Hockenheim und Reilingen zurückgeführt, schreibt die Kreisverwaltung.

Damit ergäben sich neue Ansatzpunkte für Walldorf, die Ausgleichsverpflichtungen für die Haubenlerche zu verwirklichen. Ab 2025 sollten sich die Schutzmaßnahmen der Stadt daher vorrangig auf Haubenlerchenreviere im großen Feld westlich der A5 und auf die in der Saison 2024 neubegründeten Reviere westlich der A6, am Herrenbuckel auf Reilinger Gemarkung, konzentrieren. "Der Schwerpunkt der Schutzmaßnahmen wird also vor allem an diesen Vorkommen ansetzen und damit weitgehend aus dem Stadtgebiet heraus verlagert", heißt es weiter vom Kreis.

In Walldorf-Süd würden dafür die Schutzmaßnahmen reduziert, sodass auf die Allgemeinverfügung – also den Katzen-Lockdown – verzichtet werden könne. Der traditionell genutzte Brutplatz südlich der Geschwister-Scholl-Straße sowie gegebenenfalls weitere Brutplätze im Innenbereich sollten aber noch mit einem Elektrozaun geschützt werden.

"Die bisherigen Maßnahmen zum Schutz des Bestands der Haubenlerchen im Baugebiet Walldorf-Süd und zur Ansiedlung im großen Feld westlich der A 5 waren notwendig und sinnvoll", heißt es in der Mitteilung des Kreises. Die Haubenlerche gehöre nach wie vor zu den in Baden-Württemberg akut vom Aussterben bedrohten Arten, die nur noch in einem schmalen Band zwischen Karlsruhe und Mannheim vorkommt. Die Region habe daher eine große Verantwortung für die Erhaltung dieser in Baden-Württemberg früher weit verbreiteten Art. Mit der neuen Ausbreitung der Haubenlerche von Hockenheim nach Reilingen her ergebe sich nun aber eine Alternative, von dort die Revierentwicklung im Walldorfer großen Feld stärker zu fördern. Dies werde schneller zum Erfolg führen und eine geringere Belastung für die Katzenhalter und ihre Hauskatzen in Walldorf mit sich bringen.

Das Institut für Umweltstudien (IUS) aus Heidelberg hat in den vergangenen Jahren die Schutzmaßnahmen für die Haubenlerche begleitet. Im aktuellen Bericht geht das Büro auf die Entwicklung des Bestands ein und zieht dazu Zahlen eines Mitarbeiters des Regierungspräsidiums Karlsruhe heran, der die Population der Vögel zehn Jahre lang dokumentiert hat. Während bis 2019 durchgängig mindestens sechs Reviere der Haubenlerche im Untersuchungsgebiet lagen, wurden demnach 2024 noch vier verzeichnet, davon zwei im Neubaugebiet Walldorf-Süd, eins im Walldorfer großen Feld und ein weiteres am Herrenbuckel westlich der A 6.

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