Tairnbach

Wie der "Sternweilerhof" zu Tairnbach kam

Im Mittelalter gab es dort auch ein klösterliches Gehöft - Es klapperte einst die Mühle am Tairnbächle ...

04.03.2021 UPDATE: 05.03.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 15 Sekunden
Der Name des „Sternweilerhofs“ in Tairnbach taucht erstmals 1399 in einer Urkunde auf, damals gehörte noch eine Mühle am Tairnbächle dazu. Foto: Helmut Pfeifer

Von Rudi Kramer

Tairnbach. Heute ist von alledem nichts mehr zu sehen, nur alte Urkunden berichten darüber: Von einer eigenständigen Gemarkung Sternweiler zwischen Mühlhausen und Tairnbach, von einer klappernden Mühle am Tairnbächle und von einem landwirtschaftlichen Musterbetrieb des Klosters Schönau. Auf einer Gemarkungskarte von 1878 ist der Sternweilerhof noch als selbstständige Gemarkung verzeichnet.

Wie aber kam das Kloster Schönau im Odenwald in den Landbesitz vor den Toren Tairnbachs? 1142 war die Zisterzienserabtei Schönau gegründet worden und bestand bis zu ihrer Auflösung im Zuge der Reformation durch Kurfürst Ottheinrich im Jahr 1558. Diesem Kloster schenkte Bischof Konrad von Worms zehn Jahre nach der Gründung Ländereien zur Nutzung, wahrscheinlich auch den Sternweilerhof. Das Kloster machte daraus einen landwirtschaftlichen Musterbetrieb, der unter der Leitung eines Mönchs von Laienbrüdern betrieben wurde und für die Landwirte der Umgebung Vorbildcharakter haben sollte. Die damals selbstständige Gemarkung umfasste 73 Morgen Ackerfeld, vier Morgen Wiesen und 34 Morgen Wald in den Gewannen "Enge Wiesen", "Im Bangert", "Auf dem Buckel", "Hoher Rain", "Steinäcker", "Galgenberg" und "Sternwald".

Der Name "Sternweilerhof" taucht erstmals 1399 in einer Urkunde des Fürstbischofs Raban von Speyer auf. In diesem Jahr befreite das Hochstift die Herren von Hirschhorn von einer zu zahlenden Abgabe. Die Hirschhorner waren bereits Ortsherren in Tairnbach. Zwei Jahre später bezeugt eine weitere Urkunde den Sternweilerhof am Tairnbächle samt einer Mühle ("mulstad under Sternwilre"). Im Jahr 1500 verbriefte Abt Nikolaus von Schönau den Rittern von Hirschhorn alle Rechte des Klosters in Sternweiler. Die Speyerer Bischöfe kassierten auf der Gemarkung nach wie vor den Zehnten und ließen dort ihre Schafe weiden, was immer wieder für Streitigkeiten sorgte.

Einen tiefen Einschnitt für die 56 Hektar große Gemarkung brachte die Reformation, als Sternweiler genau wie das Kloster Schönau von der Kurpfalz als Kirchenbesitz eingezogen und in deren Auftrag von der Schaffnei Lobenfeld verwaltet wurde. In kleinen Parzellen wurde die ganze Gemarkung an Tairnbacher Landwirte verpachtet. 1722 existiert noch der bewirtschaftete Hof, 18 Jahre später sind auf einer Karte, die im Tairnbacher Gemeindearchiv aufbewahrt wird, keine Gebäude mehr eingezeichnet.

Die verwaiste Sternweiler Gemarkung kam 1740 an den Freiherrn von Überbruck zu Rodenstein, der vier Jahre zuvor Tairnbach gekauft hatte. Per Gesetz des badischen Großherzogs Friedrichs I. wurde der Sternweilerhof am 1. Januar 1897 mit der Gemarkung Tairnbach vereinigt. Nach dem Tod des letzten Überbruck veräußerten die Erben ihren Besitz in Sternweiler für 17.000 Mark an die Gemeinde Tairnbach, die ihrerseits den Wald behielt, die Felder jedoch an Privatleute verkaufte. An die verschwundene Siedlung Sternweilerhof erinnern heute noch die Gewanne "Sternenberg" und "Sternenwald", die Sternweiler Straße in Tairnbach, der Familienname "Sternweiler" sowie Grenzsteine mit den Buchstaben G + StH und der Jahreszahl 1865.

Um die Rechte und Pflichten auf dem Sternweilerhof kam es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten, so 1718 zwischen dem Freiherrn Wilhelm Friedrich Schertel von Burtenbach und seinen Tairnbacher Untertanen. Damals drangen die Knechte des Freiherrn in die Höfe der Bauern ein, beschlagnahmten Holz und transportierten es in den Schlosshof. Die Bauern, Pächter kleinerer Parzellen im Sternwald, hatten das Holz dort geschlagen. Der Baron, der sich als Erbpächter von Sternweiler betrachtete, sah dies als Eingriff in seinen Besitzstand und reklamierte das Eigentumsrecht an den gefällten Bäumen für sich. Es kam zu wüsten Schlägereien, Tairnbacher Einwohner wurden eingesperrt. Die Behörden berichteten von "schweren Tätlichkeiten" in dem sonst friedlichen Dorf.

Weil an den Sternweilerhof verschiedene Grundherren angrenzten – auf der einen Seite die Herren von Hirschhorn, dann die Schertel von Burtenbach und später die Rodensteiner, auf der anderen Seite die Fürstbischöfe von Speyer – lieferte man sich über Jahrhunderte schriftliche und handgreifliche "Kleinkriege". Meist ging es um die Zehntpflicht nach Speyer und das Weiderecht für den herrschaftlich-speyrischen Schäfer. Denn der Normalbürger durfte nur wenige Schafe halten, während der herrschaftliche Schäfer die gesamten Gemarkungen von Horrenberg, Mühlhausen, Rotenberg, Rauenberg und auch Sternweiler beweiden durfte. Bereits 1688 protestierte die kurpfälzische Regierung, die die Güter der geschlossenen Klöster verwaltete, gegen das Weiderecht der bischöflichen Herde in Sternweiler. Der Streit eskalierte 1722.

Dazu schreibt der ehemalige Pfarrer und Heimatforscher von Tairnbach, Gerhard Höflin: "Im Frühjahr 1722 weidete wieder einmal der bischöflich-speyrische Schäfer aus Horrenberg auf dem genannten Gelände. Wutentbrannt nahm ihm ein Tairnbacher Pächter zwei seiner schönsten Hammel weg. In den speyrischen Orten Rauenberg, Mühlhausen und Horrenberg beschloss man, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Der bischöfliche Keller Henrici aus Rauenberg befahl, zur Vergeltung vier bis fünf Tairnbacher Pferde zu ,requirieren’. Zwei Tairnbacher Fuhrleute erschraken, als sie angehalten und ihnen die Pferde ausgespannt wurden. Die geprellten Tairnbacher protestierten. Die bischöflich-speyrische Verwaltung verwies auf einen Eintrag im Rotenberger Kellereilagerbuch von 1559. Dort ist vermerkt, dass der Schäfer ,zur Waid fahren darf’ auf Sternweiler Gemarkung. Der Hammelentwender musste also die beiden beschlagnahmten Tiere zurückgeben. Anschließend erhielten die Pferdebesitzer ihre Tiere wieder."

Später beschwerten sich auch die Rodensteiner, dass der "Schäfer von Rauenberg" mit seiner Herde den Sternwald "ruiniert". Danach schwelte der Konflikt weiter, denn im Frühjahr 1775 bedrohte der Rodensteiner Verwalter den bischöflichen Schäfer und schoss dessen Hund ins Bein. In der folgenden schriftlichen Auseinandersetzung bestritt Freiherr Überbruck von Rodenstein mit umfangreichen, juristischen Darlegungen das Weiderecht in Sternweiler. Ein ebenso ausführliches Gegengutachten bestätigte dem Hochstift Speyer das Weiderecht.

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