Schriesheim

Wenn die Tierrettung überfordert ist

Flügellahmer Bussard an Talstraße wartete über drei Stunden auf Unterstützung - Helfer mussten aber zu anderen Einsätzen ausrücken

07.06.2018 UPDATE: 08.06.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 57 Sekunden

Einen Bussard einzufangen, sollte man einem Profi überlassen - auch wenn das Tier an einem Flügel zu lahmen scheint. Für solche Fälle gibt es die Berufstierrettung Rhein-Neckar, die mit bis zu 170 Einsätzen pro Monat aber auch an ihre Grenzen stößt. Foto: Patrick Pleul/dpa

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Renate Müller wartete und wartete. Schon gegen 9 Uhr war sie auf den offenbar flügellahmen Greifvogel aufmerksam geworden, der im Gaslager des Sanitärbetriebs in der Talstraße saß, bei dem Müller arbeitet. Ein Pärchen sei bereits zum nahegelegenen Rathaus ins Ordnungsamt gegangen und habe um Hilfe gebeten, hieß es. Doch niemand kam. Dreieinhalb Stunden und zwei Anrufe beim Ordnungsamt später war der scheinbar verletzte Vogel auf eine Mauer an der Grenze zum Kirchgarten gehüpft, danach verschwand er spurlos.

"Das hat mich wirklich geärgert", sagt Müller. "Wenn ich gewusst hätte, dass niemand kommt, hätte ich auch selbst die Nummer der Tierrettung heraussuchen können." Ihr sei aber mehrfach versichert worden, das Ordnungsamt werde sich um den Vogel kümmern. "Zunächst haben die mich gefragt, ob ich ihn selbst einfangen kann", sagt Müller. "Aber das ist bei einem Greifvogel ein bisschen schwierig."

Im Nachhinein stellte sich heraus: Das Ordnungsamt um Leiter Dominik Morast und Stellvertreterin Isabel Herschel hatte Müllers Anliegen an die Berufstierrettung Rhein-Neckar weitergegeben. Doch die war an diesem Tag schlicht überfordert: "Wir wollten vorbeifahren, aber wir hatten neun Einsätze", sagt Michael Sehr. Er hat das Unternehmen 2006 als "Tierambulance Ludwigshafen" gegründet.

Für viele Kommunen und den Rhein-Neckar-Kreis sind er und seine häufig ehrenamtlich engagierten Helfer die ersten Ansprechpartner bei verletzten Fundtieren, für die eigentlich die jeweiligen Gemeinden zuständig sind. "Wir hätten aber frühestens um 13.43 Uhr in der Talstraße sein können", sagt Sehr. "An dem Tag war zu viel los, wir haben nur ein Auto und können uns nicht aufteilen." Statt des lahmenden Bussards musste er zunächst eine teilweise überfahrene Nilgansfamilie in Mannheim versorgen, ein komplizierter und dringender Einsatz. "Ein schwer verletztes Tier geht immer vor", sagt Sehr.

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Grundsätzlich versuchen er und seine Helfer, innerhalb einer Stunde vor Ort zu sein. Bei 170 Einsätzen allein im Mai keine leichte Aufgabe. In der Talstraße hatte sich die Angelegenheit mit Verschwinden des Bussards in der Zwischenzeit schon erledigt: "Der Betreiber des Geschäfts hat uns Bescheid gegeben, deshalb sind wir nicht mehr vorbeigekommen."

Bezahlt wird die Berufstierrettung von der Stadt, allerdings nur pro gefahrenem Einsatz. Mit anderen Behörden hat Michael Sehr schon feste Verträge, ein entsprechendes Angebot liegt nun auch dem Schriesheimer Ordnungsamt vor. "Grundsätzlich machen wir uns über eine solche Vereinbarung Gedanken", sagt dessen Leiter Dominik Morast.

Allerdings kommt es relativ selten vor, dass der Stadt verletzte Tiere gemeldet werden: Die Zahl liege im niedrigen einstelligen Bereich pro Jahr, sagt Morast. Der beste Weg, ein Tier zu retten, sei aber vom Einzelfall abhängig. "Grundsätzlich kann man sich immer an die Stadt und das Ordnungsamt wenden", sagt Morast. "Bei einem Haustier kann es aber auch praktikabler sein, es direkt mit zum Tierarzt vor Ort zu nehmen - sofern das möglich ist." Zumal die Berufstierrettung Rhein-Neckar, wie Renate Müller es selbst erfahren hat, alle Hände voll zu tun hat.

Info: Herrenlose, in Gefahr befindliche oder verletzte Tiere können dem Ordnungsamt unter 06203/602133 oder -132 und der Berufstierrettung Rhein-Neckar unter 0176/69158581 gemeldet werden. Die Kosten trägt die Stadt, wenn es sich nicht um das eigene Haustier handelt.

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